Liverpool gegen Paris Klopp hat mehr Macht, Tuchel mehr Druck
Mit Liverpools Jürgen Klopp und Paris' Thomas Tuchel treffen am Dienstag die besten deutschen Trainer im Ausland in der Champions League aufeinander – mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen.
Erst Mainz, dann Dortmund: Thomas Tuchel und Jürgen Klopp haben einen ähnlichen Weg hinter sich. Sie gelten als die "Nouvelle Vague" (frz. "Neue Welle", Anm. d. Red.) der deutschen Trainer im Ausland. An der Anfield Road treffen sich beide in der Champions-League-Gruppenphase (ab 21.00 Uhr im Liveticker von t-online.de). Aber wie geht es ihnen bei ihren jeweiligen Klubs?
Standing im Land
Tuchel: Er präsentiert sich bisher als Gegenentwurf seines Vorgängers Unai Emery, was in Paris sehr gut ankommt und eine kleine Tuchel-Euphorie ausgelöst hat. "Erfolgreiche Verführungsoperation des deutschen Trainers", titelte beispielsweise "Le Parisien". Der Grund: Mit seinem Lächeln und dem freundlichen Benehmen ist Tuchel ganz anders als Emery. Das hat in der öffentlichen Wahrnehmung sogar seine strengen Ernährungsregeln in den Hintergrund gedrängt.
Klopp: Die "Kloppomania" beim FC Liverpool geht weiter und die Presse ist begeistert: "Er ist der Trainer, der Bill Shankly am ähnlichsten ist", behauptet der "Independent" in Bezug auf den legendärsten Coach in der Klubgeschichte. Obwohl sich Klopp in England pudelwohl fühlt, hat er sich kritisch zum Brexit geäußert und sagte in einem Interview mit dem "Guardian": "Das macht gar keinen Sinn. Die Briten sollten erneut über ihre Zukunft inner- oder außerhalb der EU abstimmen." Das hat sicherlich einigen Fans nicht gefallen.
Standing im Klub
Tuchel: Als er im Mai als Trainer vorgestellt wurde, war ein Konflikt mit Sportdirektor Antero Henrique bereits abzusehen. Schon früh im Sommer hatte ihm Tuchel übereinstimmenden Berichten zufolge seine Wunschliste gegeben: Darin soll er Verstärkungen in der Defensive und dem zentralen Mittelfeld gefordert haben. Am Ende kamen die Verteidiger Thilo Kehrer und Juan Bernat sowie Stürmer Eric-Maxim Choupo-Moting nach Paris. Eine Verstärkung fürs Mittelfeld fehlte aber. Dementsprechend sagte Tuchel, er sei "nicht hundertprozentig mit den Transfers zufrieden."
Klopp: Mit der Verpflichtung von Alisson, Naby Keita, Fabinho und Xherdan Shaqiri gingen Klopps Wünsche allesamt in Erfüllung. Anders als Kollegen wie José Mourinho zählt er auf Klub-Bosse, die ihm zuhören: Die Beziehung zu den amerikanischen Liverpool-Besitzern John W. Henry, Tom Werner und Mike Gordon hat sich im Laufe der Zeit sogar verbessert.
Möglichkeiten
Tuchel: Finanziell könnte PSG praktisch alles, muss aber das Financial Fair Play des europäischen Fußballverbandes Uefa einhalten. Die Folge: Nach der Mega-Transferkampagne im Vorjahr wurden die Ausgaben beträchtlich gesenkt. Trotzdem verfügt Tuchel über eine interessante Mischung aus Superstars wie Neymar und talentierten jungen Spielern wie Christopher Nkunku und Moussa Diaby. Und bei Kylian Mbappé ist eh alles möglich.
Klopp: Offenbar hat er alles, um glücklich zu sein: Starken Einfluss auf den Kader, seine Wunschspieler und natürlich die Liebe der Fans. Klopp findet beim FC Liverpool die optimalen Bedingungen, um seine Vorstellungen umzusetzen. Aber reicht das auch für Titel?
Draht zu den Stars
Tuchel: Vor seiner Vorstellung in Paris traf er sich extra mit Neymar und Kapitän Thiago Silva, um sie auf seine Seite zu ziehen. Bisher ist alles glatt gelaufen. Tuchel legt maximale Sensibilität im Umgang mit den Stars an den Tag, umarmt sie im Training, erklärt ihnen jeden Schritt und hat einen sehr guten Zugang. Aber: Bei Ex-Verein Borussia Dortmund war das anfangs ähnlich, danach knallte es dann aber – gerade mit den Stars. Noch immer eilt ihm der Ruf voraus, menschlich schwierig zu sein.
Klopp: Die Spieler würden für ihn alles tun, haben über die Jahre Vertrauen aufgebaut. "Jeder Spieler würde lieben, unter Klopp zu spielen", schwärmt Sadio Mané. Auch mit Auseinandersetzungen kann er umgehen: "Er denkt immer über das nach, was man ihm sagt", erinnert sein ehemaliger BVB-Abwehrchef Mats Hummels und fügt hinzu: "Allerdings hat er immer das letzte Wort."
Erwartungen
Tuchel: Der Ligue-1-Titel ist für Paris quasi selbstverständlich. Deswegen ist schon seit ein paar Jahren die Champions League das große Ziel des Klubs. Jedes Jahr fehlte aber etwas, weshalb PSG nie über das Viertelfinale hinauskam. Das wird in dieser Saison aber wohl nicht reichen.
Klopp: Zumindest in der Champions League ist der Druck geringer als für Tuchel. Stadt, Verein und Fans wollen primär den Premier-League-Titel nach 29 Jahren endlich zurück an die Anfield Road holen. Die meisten Experten trauen Liverpool dies durchaus zu, allerdings ist mit Pep Guardiolas Manchester City ein äußerst starker Konkurrent herangewachsen, der zudem im letzten Jahr Meister wurde. Dennoch stehen die Chancen auf die Meisterschaft in dieser Spielzeit so gut wie sehr lange nicht mehr.
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Perspektive
Tuchel: Die Arbeit in Paris fängt gerade erst an. Und Tuchel ist Teil eines langfristigen Projekts. Ex-Stürmer Zlatan Ibrahimovic prognostiziert beispielsweise: "Der Verein hat Versprechen gehalten. Der Erfolg wird kommen."
Klopp: Alles spricht dafür, dass 2019 als Liverpools Jahr in Erinnerung bleiben wird. Die Spieler kennen sich gut und wissen, was der Trainer will. Aber: Auch die Gegner kennen sie. Weitere verlorene Endspiel würden an Klopps Ruf kratzen.