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EM-Qualifikation - Sorgs größter Tag: "Charakter zeigen" auch ohne Chef Löw


EM-Qualifikation
Sorgs größter Tag: "Charakter zeigen" auch ohne Chef Löw

Von dpa
Aktualisiert am 07.06.2019Lesedauer: 4 Min.
Co-Trainer Marcus Sorg beim Abschlusstraining mit dem DFB-Team.Vergrößern des Bildes
Co-Trainer Marcus Sorg beim Abschlusstraining mit dem DFB-Team. Foto: Roland Weihruch. (Quelle: dpa)

Minsk (dpa) - Im kleinen Stadion von BATE Borissow schlägt die größte Trainerstunde von Marcus Sorg, auch wenn Joachim Löw als höchste Instanz Taktik und Aufstellung aus der Heimat vorgibt.

Am Ende muss der wichtigste Helfer und Schattenmann des Bundestrainers die deutsche Nationalmannschaft in Weißrussland zum fest eingeplanten Sieg in der EM-Qualifikation coachen. Millionen deutsche Fußballfans werden vor den TV-Geräten genau beobachten, wie Sorg den Jogi-Job bei der Chef-Premiere in der 13.000 Zuschauer fassenden Borissow-Arena bewältigt. Sorgs Anspannung wird beim Anpfiff am Samstagabend (20.45 Uhr/RTL) den Höhepunkt erreichen. "Natürlich ist es speziell und ungewohnt, wenn der Cheftrainer nicht dabei ist", gestand Sorg.

Im ständigen telefonischen Austausch mit Löw hat Sorg die 22 deutschen Spieler im Trainingslager im niederländischen Venlo auf die anstehenden Aufgaben vorbereitet. Auch das Abschlusstraining am Freitag absolvierte der DFB-Kader noch in den Niederlanden. Erst am Nachmittag startete die Chartermaschine von Düsseldorf nach Minsk. In der Hauptstadt logiert der DFB-Tross, lediglich zum Spiel geht es am Samstag mit dem Bus ins über 100 Kilometer entfernte Borissow.

Sorg strahlt Ruhe und Souveränität aus, als großer Zampano spielt er sich als Kurzzeit-Chef nicht auf. "Ich habe ihn erlebt wie immer", berichtete Abwehrspieler Thilo Kehrer: "Ich merke keine größere Anspannung bei ihm. Aber ich merke, dass er hochmotiviert ist, die zwei Spiele mit uns erfolgreich zu bestreiten." Sorg will unbedingt liefern. "Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir es zur maximalen Zufriedenheit des Bundestrainers hinkriegen", sagte er. Maximal heißt in diesem Fall, zum Saisonabschluss die von Löw geforderten "sechs Punkte" gegen die Außenseiter Weißrussland und Estland zu buchen.

Das erstmalige Fehlen Löws bei einem Länderspiel in dessen 13 DFB-Jahren soll kein Alibi für ein mögliches Versagen der Mannschaft sein. Es soll vielmehr als zusätzliche Motivation dienen, wie Kapitän Manuel Neuer sagte. Löw, der sich nach einem Krankenhausaufenthalt weiterhin schonen muss, soll laut Neuer als Fernsehzuschauer spüren: "Hey, ich kann mich auf die Spieler verlassen, das sind gute Jungs und super Typen, die holen sechs Punkte für mich!"

Der Spielort ist für Sorgs Premiere ein gutes Omen. "Ich hatte 2013 mein erstes Pflichtspiel für den DFB in Borissow mit der U19", erinnerte der 53-Jährige. Beim 2:1 gegen den weißrussischen Nachwuchs erzielte der heutige Bayern-Profi Serge Gnabry das 2:0, der Neu-Dortmunder Julian Brandt und der Berliner Niklas Stark spielten im Oktober 2013 ebenfalls mit. Wenige Monate später wurde das Trio ebenso wie Joshua Kimmich mit Sorg U19-Europameister.

Jetzt kehrt Sorg mit den Jungs von damals zurück nach Borissow. Vom EM-Titel 2020 ist das stark verjüngte A-Team um Kimmich und Gnabry freilich noch weit entfernt. In Weißrussland soll nach dem famosen 3:2 in Holland zum Quali-Start der nächste Schritt zur EM-Endrunde gemacht werden. Von einer Reifeprüfung spricht DFB-Direktor Oliver Bierhoff: "Der Umbruch hat sich vollzogen. Solche Spiele helfen, Charakter und Qualität zu zeigen und zu reifen."

Die international drittklassigen und überalterten Weißrussen sind mit Auswärtsniederlagen gegen die Niederlande (0:4) und Nordirland (1:2) in die Gruppe C gestartet. Trotz Heimvorteils sollten sie keine Stolperfalle darstellen. Sorg setzt auf hohes Tempo, Dynamik und Effektivität. "Das Allerwichtigste wird sein, dass wir von Anfang an hellwach sind und versuchen, unser Spiel durchzudrücken. Wir müssen es schaffen, über eine gute Raumaufteilung den Gegner so unter Druck zu setzen, dass er Fehler macht und wir zu Torchancen kommen."

Die taktische und personelle Ausrichtung werden Sorg und Supervisor Löw entsprechend offensiv gestalten. Die pfeilschnellen Spitzen Leroy Sané, Marco Reus und Serge Gnabry sollen die weißrussische Defensive aufmischen. Im Mittelfeld dürfte der ballsichere Ilkay Gündogan die Taktgeber-Rolle des fehlenden Spielgestalters Toni Kroos übernehmen.

"Wir werden mehr Ballbesitz haben als der Gegner. Daraus müssen wir vernünftige Spielsituationen kreieren. Unser Anspruch muss es sein, dass wir das Spiel gewinnen", sagte der Profi vom englischen Meister Manchester City. Torhüter Neuer appelliert ans Team: "Wir müssen es konzentriert und konsequent angehen. Es ist nicht einfach, in der Phase der Saison diese Spiele zu absolvieren. Aber wir wissen, dass es einfach notwendig ist, die sechs Punkte zu holen."

Sorg sprach von einem Charaktertest für seine Spieler vor dem verdienten Sommerurlaub. Julian Draxler, der sein 50. Länderspiel bestreiten könnte, glaubt an eine gute Chef-Premiere von Sorg: "Der Marcus bringt auch das nötige Fußball-Fachwissen mit. Deswegen haben wir genauso Vertrauen in ihn, wie wir es sonst in Jogi haben. Wie er zur Mannschaft spricht und alles, was er macht - das passt!"

Voraussichtliche Aufstellungen:

Gutor (Dynamo Brest/30 Jahre/10 Länderspiele) - Schitow (Dinamo Minsk/32/64), Martynowitsch (FK Krasnodar/31/65), Poljakow (Ural Jekaterinburg/28/34), M. Wolodko (Arsenal Tula/26/31) - Majewskij (FK Astana/31/27), Kisljak (Dynamo Brest/31/69) - Nechajtschik (Dynamo Brest/30/31), Dragun (BATE Borissow/31/58), Stassewitsch (BATE Borissow/33/46) - Gordejschuk (Tobol Kostanai/29/25)

Deutschland: Neuer (Bayern München/33/86) - Kehrer (Paris Saint-Germain/22/6), Ginter (Borussia Mönchengladbach 25/24), Süle (Bayern München/23/18), Schulz (1899 Hoffenheim/26/6) - Kimmich (Bayern München/24/40) - Goretzka (Bayern München/24/21), Gündogan (Manchester City/28/31) - Gnabry (Bayern München/23/6), Reus (Borussia Dortmund/30/39), Sané (Manchester City/23/19)

Schiedsrichter: Srdjan Jovanović (Serbien)

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