"Fühlte mich verloren" Olympiasieger offenbart langjährige Erkrankung
Vor zweieinhalb Jahren hat Severin Freund seine Karriere beendet. Nun offenbart der frühere Skispringer eine Krankheit, an der er seit Jahren leidet.
Zweieinhalb Jahre nach seinem Karriereende überrascht Olympiasieger Severin Freund mit einer persönlichen Offenbarung: Seit seinem 16. Lebensjahr lebt der ehemalige Skispringer mit fokaler Epilepsie. Im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" erzählte Freund von seinem ersten Anfall im Sommer 2004. "Es war nachts, und meine Eltern und mein Bruder haben es mitbekommen."
Der damalige Teenager erinnert sich: "An dem Tag und danach war ich in einer Art Schockstarre, fühlte mich verloren." Darauf sei keiner vorbereitet. Seine größte Angst war, nicht mehr Skispringen zu können. "Das wäre für mich der Super-GAU gewesen", erklärte er weiter. Seine Eltern hätten hingegen vor allem um Freunds Gesundheit gefürchtet.
Nach einem weiteren großen Anfall begann Freund Medikamente zu nehmen, blieb damit zwei Jahre anfallsfrei. Im Oktober 2006 dann aber der Rückschlag: erneut ein Anfall, wieder in der Nacht. In einem Münchner Krankenhaus sei Freund dann gesagt worden, dass für ihn an Leistungssport nicht zu denken sei. Es gehe bei ihm darum, dass er ein geregeltes Leben führen könne. Für den Sportler "der nächste Schock", wie er erzählte.
"Dann habe ich wieder Ruhe"
Freunds Glück: Olympiaarzt Dr. Bernd Wolfarth bewegte ihn dazu, sich eine Zweitmeinung einzuholen – der richtige Schritt, wie sich im Nachgang herausstellte. In einem Epilepsiezentrum in Kork wurde Freund intensiv untersucht, seine Medikation umgestellt. Sein behandelnder Arzt erklärte ihm dann, "dass ein Anfall bei mir tagsüber sehr unwahrscheinlich sei und ich auch wieder Sport machen dürfe."
Anfälle habe er während seiner Karriere dann zwar immer wieder gehabt, so Freund. "Allerdings nur aus dem Schlaf heraus." Er habe die Anfälle mittlerweile in einem Zeitraum von zwei Wochen im Abstand von sechs bis 24 Monaten. "Dann ist es einer oder sind es bisher maximal drei. Danach habe ich wieder Ruhe."
Stressbedingt seien die Anfälle laut Freund dabei nicht. "In Phasen von Anspannung oder Stress ist es bei mir weiterhin nie aufgetreten, sondern wirklich immer beim Abbau von Anspannung", sagte er.
"War mir immer wichtig, dass es um den Sport geht"
Warum er bei seiner Erkrankung den Schritt an die Öffentlichkeit erst jetzt wählte, begründet Freund derweil mit dem Wunsch, das Bewusstsein für Epilepsie zu schärfen. "Weil darüber kaum gesprochen und berichtet wird. Es findet in der Öffentlichkeit kaum Beachtung, dabei betrifft es viele. Hierzulande haben etwa 800.000 Menschen Epilepsie", betonte er. Durch seine Geschichte wolle er zeigen, dass Epilepsie viele Gesichter hat und nicht immer mit schwerwiegenden Einschränkungen verbunden ist.
Während seiner aktiven Zeit hatte sich Freund noch bewusst dagegen entschieden, die Erkrankung öffentlich zu machen. "Einerseits, weil es etwas sehr Persönliches ist und es mir immer wichtig war, dass es um den Sport geht", erklärte der 36-Jährige. "Und auch, weil bei schlechteren Leistungen vielleicht immer die Vermutung gewesen wäre, dass es an der Erkrankung liegt."
Zudem habe er nicht ständig nach seiner Erkrankung gefragt werden wollen. "Es nimmt dann den Fokus weg von Sachen, die du eigentlich machen solltest", sagte Freund. "Deswegen habe ich damals beschlossen, dass es eine Zeit dafür geben wird, die aber nicht während der Karriere ist."
Freund gehört zu den erfolgreichsten deutschen Skispringern jemals. Er gewann 2014 mit dem Team olympisches Gold, dreimal wurde er Weltmeister, sicherte sich in der Saison 2014/15 den Gesamtweltcup. Trotz mehrerer Verletzungen kämpfte er sich immer wieder zurück, ehe er 2022 einen Schlussstrich unter seine Laufbahn zog. Heute ist der Familienvater als TV-Experte tätig und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern zusammen.