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Zum journalistischen Leitbild von t-online.System-Umbruch bei DFB-Elf Bundestrainer Löw lässt nach der WM noch Vorsicht walten
Es sollte der Beginn eines Neuanfangs werden. Nach dem desaströsen WM-Aus erwartete wohl jeder einen taktischen Umbruch. Doch welche Änderungen nahm der Bundestrainer wirklich vor? | Von Constantin Eckner.
Personell blieb vieles beim Alten. Mesut Özil erklärte vor einigen Wochen seinen Rücktritt. Auf Sami Khedira verzichtete Löw freiwillig. Damit waren zwei der drei angestammten Mittelfeldspieler gegen Frankreich und Peru nicht mit von der Partie. Joshua Kimmich rückte von der Außenverteidigung auf die Sechserposition vor der Abwehr.
Löw wollte eines der Hauptprobleme der WM angehen. Denn beim schwachen Turnierauftritt fehlte den Deutschen zumeist dieser zentrale Ankerspieler. Als Sebastian Rudy gegen Schweden für 25 Minuten jene Position begleitete, gewann das deutsche Spiel ungemein an Stabilität. Leider musste Rudy das Feld verletzungsbedingt verlassen.
Konservative Außenverteidigung
Kimmich zeigte in Ansätzen schon, dass er diese Rolle auch künftig begleiten könnte. Der 23-Jährige vereint Ballsicherheit und defensive Aggressivität – zwei wertvolle Grundeigenschaften für die Sechserposition. Allerdings fehlte Kimmich damit in der Außenverteidigung, für welche sich Löw eine neue taktische Variante überlegte.
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Gegen Weltmeister Frankreich kamen mit Antonio Rüdiger und Matthias Ginter zwei Spieler auf den Außenpositionen zum Einsatz, die sich eigentlich in der Innenverteidigung wohler fühlen. Dementsprechend überschaubar war ihr Einfluss auf das Offensivspiel der Deutschen. Ihre Dribbelversuche fielen in die Kategorie "bemüht".
Beim WM-Triumph 2014 setzte Löw schon auf eine konservative Ausrichtung der Viererkette, als er Benedikt Höwedes als Linksverteidiger einsetzte. Auch Frankreich nutzt mit Benjamin Pavard einen Innenverteidiger auf der rechten Seite. Aber das Aufstellen von zwei Innenverteidiger-Typen auf den Flügeln ist eventuell einen Tick zu konservativ. Löw hat sich dem Anschein nach dazu entschieden, die defensiven Probleme mit einer grundsätzlich defensiveren Personalwahl zu bekämpfen. Die Grundüberlegung: Mit mehr Spielern hinter dem Ball ist die Absicherung höher.
Keine Verbindungen im Mittelfeld
Alternativ hätte er auch die taktischen Abläufe bei eigenem Ballbesitz verändern können, um gerade gegen Kontersituationen vorzubeugen. Die neue Ausrichtung der Nationalmannschaft geht zulasten der eigenen Angriffspower. Gegen Frankreich erarbeitete sich das Team noch einige Chancen, aber schon beim knappen Sieg über Peru wurde deutlich, dass die DFB-Auswahl größere Mühe hat, den Ball ins letzte Spielfelddrittel zu bringen.
Ein Grund dafür sind die weiten Abstände zwischen den Mannschaftsteilen. Mit Kimmich vor der Abwehr und einem tief positionierten Toni Kroos im linken Halbraum bleibt allenfalls ein Mittelfeldspieler zwischen Abwehr und Angriff. Weder Leon Goretzka noch Ilkay Gündogan fühlen sich in dieser weiträumigen Rolle im Mittelfeld allzu wohl. (Spötter könnten sagen, es fehlt ein Özil auf der Zehnerposition.)
Die Angriffsreihe wirkte zudem in einigen Phasen sehr weit auseinandergezogen. Dadurch war es schwer, ein flüssiges Kombinationsspiel aufzuziehen. Vieles im deutschen Offensivspiel blieb Stückwerk. Da Löw nicht über viele hochwertige Eins-gegen-Eins-Dribbler – wie etwa Weltmeister Frankreich – verfügt, scheint der langfristige offensive Erfolg mit dieser taktischen Ausrichtung fraglich – zumal gewisse Unsicherheiten bei eigenem Spielaufbau nicht ausgemerzt wurden. Gegen Peru kam sogar die alte Anfälligkeit bei Kontersituationen hinzu.
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Insofern hat Löw einen ersten Versuch unternommen, aber noch keinen wirklichen Durchbruch erzielt. Seine Schlussfolgerungen vom WM-Aus waren, dass die Defensive personell besser bestückt werden muss und sein Team weniger Risiko bei eigenen Angriffen eingehen sollte. Das kann die künftigen Partien der Nationalmannschaft zu einer zähen Angelegenheit verkommen lassen.