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Sport und Gesellschaft | Die Wiederkehr der Torfnasen


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Sport und Gesellschaft
Die Wiederkehr der Torfnasen

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

22.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Sie wollen sich bessern, denn sie wollen unbedingt weitermachen: Grindel, Löw, Bierhoff.Vergrößern des Bildes
Sie wollen sich bessern, denn sie wollen unbedingt weitermachen: Grindel, Löw, Bierhoff. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)
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Lange haben sie geschwiegen, aber jetzt melden sie sich zurück und wollen vieles besser machen: das DFB-Trio Löw, Bierhoff, Grindel. Das sollen wir glauben? Und glauben sie es eigentlich selber?

Sie sind wieder da. Sie waren lange im Genesungsurlaub. Sie haben tief nachgedacht. Sie wollen sich bessern, denn sie wollen unbedingt weitermachen und vor allem wollen sie uns vergessen machen, was sie sensationell falsch gemacht haben. Der Löw, der Bierhoff, der Grindel.

Wir kennen das von der SPD, die sich auch unbedingt erneuern will und so lange darüber geredet hat, bis wir es nicht mehr hören konnten. Also jetzt nicht mehr "Die Mannschaft", aber was denn sonst? Bei der Weltmeisterschaft hat eh keine Mannschaft auf dem Platz gestanden, sondern ein Trümmerhaufen. Sind die Franzosen/Belgier/Kroaten keine Mannschaft gewesen? Im Gegenteil, sie waren eine Einheit, abgestimmt aufeinander. Sie sind gelaufen füreinander. Übrigens haben sie auch bei dem Abspielen der Nationalhymne wie eine Mannschaft dagestanden.

Nein, ich meine nicht die Heuchelei, dass die Spieler gefälligst mitsingen sollen. Aber es sollte eine Abmachung geben, wie sie dastehen und was sie machen sollen. Diese Abmachung muss der DFB treffen, hat er aber nicht. Hat er sich nicht zugetraut oder nicht für nötig befunden oder die enorme Symbolkraft nicht verstanden.

Was die Spieler nicht wissen, muss man ihnen sagen

Mannschaften treten für ihr Land auf. In dem Moment, da die Hymnen gespielt werden, stehen sie für ihr Land da und stehen für es ein, ob sie wollen oder nicht. Im Grunde sind es nur diese wenigen Minuten, in denen sich die gesellschaftliche Funktion des Fußballs verdichtet. Millionen schauen den Spielern ins Gesicht. Millionen wollen stolz sein auf sie. Millionen erwarten zu Recht, dass sie sich angemessen verhalten.

Irgendjemand hätte sich mal mit ihnen darüber unterhalten sollen. Ich meine: ernsthaft, nicht so verdruckst und verklemmt, wie es die Art des Bundestrainers ist. Wie man eben mit jungen Menschen redet, deren Verstand nicht mit dem Bankkonto synchronisiert ist. Was sie nicht selber wissen, muss man ihnen sagen, was denn sonst.

Mir ist völlig egal, ob Özil/Khedira/Boateng zwei Herzen in ihrer Brust haben oder nicht. Das ist ihre Privatsache. Das müssen sie mit sich ausmachen. Das geht uns nicht an. Das hätte man ihnen beibringen müssen. Mesut Özil hat seine Privatsache zur Hauptsache erhoben, als sie ihn zum Sündenbock für die Katastrophe gemacht hatten. Er konnte es, weil der DFB nur in den Werbespots ("No to Racism") seiner Aufgabe gerecht geworden ist, über das Wesentliche zu reden: Wofür steht diese Mannschaft? Was ist diesem Land wichtig, dessen Spieler aufgereiht zum Absingen der Hymne stehen?

Löw und Co. tun so, als hätten sie verstanden

Die anderen Nationen haben es den Deutschen vorgemacht. Ich weiß nicht, was Mbappé oder Ronaldo oder Mandzukić oder de Bruyne denken, wenn sie die Singzeremonie über sich ergehen lassen. Sie sind angespannt, wie denn auch nicht. Sie warten darauf, dass es los geht. Ich will auch gar nicht wissen, ob sie nur die Lippen bewegen oder ob sie halbherzig oder ganzherzig Franzosen oder Kroaten oder Belgier sind. Ihr Verband oder ihr Trainer hat eine Vereinbarung mit ihnen getroffen, wie sie sich zu verhalten haben und so bewegen sie die Lippen oder legen die Rechte aufs Herz und damit ist gut.

Das Schlimme an der ungestraften Wiederkehr der Löws/Grindels/Bierhoffs ist es, dass sie so tun, als ob. Als ob sie verstanden hätten, was schief gelaufen ist. Als ob sie einfach so weitermachen könnten wie bisher. Als ob es nur um die Spieler ginge und ob der Toni Kroos in jedem Spiel gegen Aserbaidschan antreten muss.

Der Fisch stinkt vom Kopf her. Der Kopf ist Reinhard Grindel, der es fertig gebracht hat, über Özil zu reden, anstatt über sich. Der andere Kopf ist Jogi Löw, der wochenlang incommunicado war und sich nicht angesprochen fühlte, als die anderen einen einzelnen Spieler für alles verantwortlich machten. Der dritte Kopf ist Oliver Bierhoff, dem ich am ehesten Verstand und Anstand zugetraut hätte, aber ausgerechnet er hat mit dem losen Reden über Özil angefangen.

Und alle zusammen wussten sie in Russland nicht, was sie tun. Sie dachten, wird schon, findet sich, wir sind eine Turniermannschaft, waren es schon immer, Halbfinale ist so gut wie gebucht, die bewährten Kräfte werden es richten.

Der DFB hat 7.043.964 Mitglieder, ihm gehören 24.958 Vereine an. Wer sich die Mannschaftsaufstellungen der Dritt- und Viertligisten in den Pokalspielen der vergangen Tage durchlas, bekam eine Ahnung davon, was der Fußball vermag: Spieler mit buntester Herkunft und buntesten Namen zu einer Mannschaft zu formen. Dass sie gemeinsam spielen, ist wichtiger als ihre Herkunft. Man nennt das Integration durch Sport. Darin lag schon immer ein historischer Verdienst.

Der DFB ist ein selbstverliebter Betrieb

Von allein scheinen Löw/Bierhoff/Grindel nicht darauf zu kommen, welchen Beitrag der Fußball im Interesse des Landes und seiner Gesellschaft leistet. Ihnen ist passiert, was Leuten passiert, die zu lange dort sind, wo sie sind, und zu lange das machen, was sie schon immer gemacht haben: Sie haben aus den Augen verloren, worum es geht. Uns. Dem Land. Dem Fußball.

Ganz oben ist der DFB ein selbstverliebter und selbstverlorener Betrieb. Jeder will dringend bleiben, was er ist. Jeder gelobt Einsicht und Änderung. Jeder bekennt sich zur Erneuerung. Wie die SPD.

Sie waren Weltmeister, aber das ist Vergangenheit. Sie müssen kleine Brötchen backen, das ist die gerechte Strafe. Sie sind zur Bewährung frei, sie stehen unter Beobachtung. Das nächste Spiel ist immer das Schwerste, das nächste Turnier fängt immer wieder von vorne an: Hat Sepp Herberger gesagt und wo er recht hat, hat er heute noch recht.


Jetzt steigen Löw/Grindel/Bierhoff wieder in denselben Fluss und sind nicht klüger als zuvor. Sie schaffen es noch und vergällen uns die schönsten 90 Minuten, die es geben kann.

Am 6. September spielt Deutschland gegen Frankreich. Ich freue mich darauf. Auf den Weltmeister.

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