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WM 2018: Deutsche-Nationalelf musste für Neuanfang "ein bisschen sterben"


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Wie Vorgänger Spanien 2014
DFB-Elf musste "sterben" für den Neustart

Aus Moskau berichtet Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 03.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Ihm bleiben zwei Optionen: Joachim Löw.Vergrößern des Bildes
Ihm bleiben zwei Optionen: Joachim Löw. (Quelle: ULMER Pressebildagentur/imago-images-bilder)

Vor vier Jahren ereilte Spanien das gleiche Schicksal wie Deutschland – das Aus in der Vorrunde als Weltmeister. Seitdem hat sich bei der "La Roja" einiges getan. Lange war Spanien auf einem guten Weg, bis einen Tag vor der WM der Trainer gehen musste. Trotzdem können die Iberer ein Vorbild sein. t-online.de sprach mit dem spanischen Journalisten Guillem Balagué über die Veränderungen im spanischen Fußball seit der WM in Brasilien.

Frankreich 2002, Italien 2010, Spanien 2014 und nun auch Deutschland 2018. Vier der letzten fünf Weltmeister schieden bereits in der Vorrunde aus. Brasilien kam 2006 auch nur ins Viertelfinale. Es ist ein Phänomen, kein Zufall. Der Titel des Weltmeisters ist der größte Erfolg in der Karriere eines Fußballers. "Wer Weltmeister wird, hat alles gewonnen", heißt es gerne. Auch wenn das in der Theorie übertrieben ist, wirken einige Spieler satt, sobald sie den WM-Pokal in der Hand halten durften.

"Veränderungen, auf die man hätte reagieren müssen"

"Je mehr man gewinnt, desto voller wird der 'Magen'. Irgendwann passt keine 'Nahrung' mehr hinein", sagt Guillem Balagué, spanischer Journalist und Biograf von Pep Guardiola. Ein Zustand, den im deutschen Team einige Spieler zeigten. Auch in der spanischen Mannschaft vier Jahre zuvor wurde oft der absolute Wille vermisst, das Ziel zu erreichen.

"Was in Brasilien passierte, ist ähnlich wie die Situation von Deutschland und Joachim Löw. Die Mannschaft hatte die WM in Südafrika gewonnen, von daher musste Trainer Vicente del Bosque ihr vertrauen. Aber das spielerische Niveau wurde schwächer und in der Mannschaft kamen Spannungen auf. Das waren Veränderungen, die jeder erfahrene Trainer wahrnimmt und auf die man hätte reagieren müssen", erklärt Balagué. Sätze, die den deutschen Fans bekannt vorkommen.

Warum hat del Bosque, dem es nicht gerade an Erfahrung mangelte, das zugelassen? Balagué hat dafür eine sinnvolle Erklärung: "Del Bosque hatte keine Wahl. Wenn man eine komplett junge Mannschaft in das Turnier stellt und sie scheitert, kann das eine ganze Generation und somit auch den Wiederaufbau zerstören. Somit hat del Bosque einfach das Team vor den Augen der ganzen Welt sterben lassen. Erst dann konnte wirklich was passieren."

Löws Gefühl der Verpflichtung

In der Folge traten Spieler wie Xavi, David Villa oder Xabi Alonso zurück. Doch del Bosque blieb Trainer und scheiterte mit Spanien im Achtelfinale der EM 2016. Erst dann nahm er seinen Hut. Mit seinem Nachfolger Julen Lopetegui kam frischer Wind ins Team. "Mit Julen Lopetegui als Nachfolger zog der Verband ein Fazit um festzustellen, für welchen Fußball man stehen will und welche Stärken und Qualitäten man hat. Es wurde auf jüngere Spieler wie Isco, Koke oder Marco Asensio gesetzt", sagt Balagué.

Die Folge: Mit neun Siegen und einem Unentschieden marschierte Spanien durch die WM-Qualifikation und zerlegte Argentinien mit 6:1 im Testspiel. Eigentlich galten die Iberer als Top-Favorit auf den WM-Titel, doch der Streit zwischen dem Verband und Real Madrid um Lopetegui führte zur Entlassung des Erfolgstrainers. Somit verbaute sich Spanien die großen Titelchancen. Doch der zuvor eingeschlagene Weg war der richtige. Musste die DFB-Auswahl also auch "sterben", um sich wieder neu formieren zu können?

"Joachim Löw hat ebenfalls an verdienten Spielern festgehalten. Er hat sich verpflichtet gefühlt, auf Spieler wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Sami Khedira oder Thomas Müller zu setzen. Aber sie konnten bei der WM ihre Leistung nicht abrufen", erklärt Balagué und ergänzt: "Und so musste auch diese deutsche Mannschaft ein bisschen sterben. Seiner Reaktion nach zu urteilen hat Joachim Löw nicht damit gerechnet. Aber der Fußball hat seine eigenen Regeln, die für jeden gültig sind – egal, wie gut du bist. Je mehr du gewinnst, desto eher verlierst du auch wieder."

Welche Optionen bleiben Löw?

Doch je mehr man gewinnt, desto enger wird auch das Verhältnis. Erfolg schweißt bekanntlich zusammen und das kann für einen Trainer auch problematisch werden. Denn in einer Krise wie der, in der Joachim Löw aktuell steckt, bleiben nur zwei Lösungen: "Entweder du trennst dich von den Spielern oder trittst zurück", sagt Balagué und führt ein Beispiel an: "Pep Guardiola hat in seinem letzten Jahr beim FC Barcelona Sir Alex Ferguson und Rafael Benitez um Rat gefragt, was sie in der Situation getan haben. Beide sagten ihm, dass sie sich von den Spielern trennten und es mit anderen Spielern neu versuchten."

Ferguson hatte mit der Variante Erfolg, doch Guardiola entschied sich, genau wie del Bosque ein Jahr später, dagegen. Er trat zurück und machte den Weg frei für einen Nachfolger. Es zeigt, dass es den einen Masterplan für einen Trainer in einer solchen Krisensituation schlichtweg nicht gibt. Trotz einiger Gemeinsamkeiten ist auch die Ausgangslage im Fall Löw eine andere als die im Fall del Bosque.

"Löw sollte jetzt erst mal etwas zur Ruhe kommen und dann große Entscheidungen treffen. Wenn einige der großen Spieler im deutschen Team nicht zurücktreten wollen, muss Löw sich gegen sie entscheiden", rät Balagué. "Es sind genug junge Spieler vorhanden, mit denen man das Team neu aufbauen kann." Joshua Kimmich, Julian Brandt und Timo Werner sind nur ein paar davon. Deutschland stehen viele Optionen für einen Neuanfang zur Verfügung. Ob mit Löw oder ohne.

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