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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gruppe C Thomas Broich: "Australiens Chancen liegen bei 20 bis 30 Prozent"
Kein deutscher Fußballer kennt Australien so gut wie Thomas Broich. Im Interview mit t-online.de spricht er über die Chancen der Australier bei der WM sowie potentielle Newcomer.
Thomas Broich spielte von 2010 bis 2017 für die Brisbane Roars. Im Jahr 2014 wurde er in "Down Under" sogar zum Fußballer des Jahrzehnts gekürt. Vor dem zweiten Gruppenspiel der Australier gegen Dänemark (14 Uhr, im Liveticker bei t-online.de) spricht der gebürtige Münchner mit t-online.de über Australiens WM-Chancen, die Erwartungshaltung der Fans sowie potentielle Newcomer.
t-online.de: Herr Broich, seit einer Woche läuft die WM 2018 in Russland. Wie groß ist in Australien die WM-Euphorie?
Das Spezielle bei den Australiern ist, dass sie diese Bühne nur alle vier Jahre erleben. Andere Wettbewerbe haben nicht im Ansatz diese Aufmerksamkeit. Die Bedeutung des australischen Fußballs wird so alle vier Jahre neu definiert. Die WM hat somit einen riesen Einfluss auf die Wahrnehmung des Fußballs im Inland. Teilweise wird nächtelang darauf hingefiebert.
Die Australier sind zum vierten Mal in Folge für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Sind die Ansprüche an die Mannschaft in den vergangenen Jahren gestiegen?
Die Erwartungen sind nicht unbedingt gestiegen. Man weiß, dass das Team nicht mehr das Spielermaterial der goldenen Generation hat mit Spielern wie Mark Viduka oder Harry Kewell, die bei Top-Vereinen Europas unter Vertrag standen. Auf der anderen Seite hat sich der Fußball und die Spielweise der australischen A-League weiterentwickelt. Alles in allem herrscht ein Realitätssinn. Die Gruppe ist nicht unkompliziert. Ich denke, die Australier sehen sich weiterhin in der Außenseiterrolle.
Ange Postecoglou trat nach der Qualifikation zur WM 2018 überraschend zurück. Wie sehr hat Sie diese Entscheidung überrascht?
Es kam total überraschend. Bis heute ist immer noch unklar, weswegen er zurückgetreten ist. Postecoglou hat den australischen Fußball quasi im Alleingang revolutioniert. Er hat nicht nur als Erster überhaupt den Asien-Cup gewonnen, sondern auch die Spielweise auf ein anderes Level gebracht.
2006 feierten die Socceroos mit dem Achtelfinaleinzug den größten Erfolg der Geschichte. Wie schätzen Sie die Chancen ein, die Gruppenphase zu überstehen?
Wie bereits gesagt, ist die Gruppe relativ stark. Es muss viel zusammen kommen und der Team-Spirit muss da sein. Ich persönlich schätze die Chancen auf 20 bis 30 Prozent ein.
Frankreich ist nach dem Auftaktsieg in Gruppe C sicherlich Favorit. Wen sehen Sie als den heißesten Anwärter auf Rang 2?
Mein Bauchgefühl sagt Peru oder Dänemark. Aber es ist jetzt nicht so, dass Australien in einer komplett anderen Liga spielt. Ich sehe, wenn alles passt, durchaus die Chance, hinter Frankreich zu landen und die anderen beiden Mannschaften auszustechen.
Die letzten Testspiele vor der WM gegen Ungarn und Tschechien konnten die Australier für sich entscheiden, gegen Frankreich gab es eine knappe Niederlage. Wo sehen Sie die Stärken des Teams?
Australien hat mit Mathew Ryan einen super Torhüter, der in der Premier League klasse gehalten hat. Auch Mittelfeldspieler Aaron Mooy sticht total heraus und hat mit Huddersfield Town vergangene Saison für Furore gesorgt. In der Offensive wird bestimmt auch die Konterstärke von Robbie Kruse und Matthew Leckie entscheidend sein.
Welche Impulse konnte das neue Trainerteam um Bert van Marwijk in der kurzen Zeit seit ihrem Amtsantritt im Januar setzen?
Die taktische Ausrichtung ist ein wenig anders als zuvor. Das Team spielt deutlich defensiver als noch unter Postecoglou, der mit teils limitiertem Spielermaterial einen offensiven, dominanten Fußball spielen lassen wollte. Die Spiele jetzt machen den Anschein, dass das Trainerteam wieder vermehrt den Fokus auf die Defensive und das Konterspiel legt.
Mit Tim Cahill ist eine absolute Ikone des Landes bereits zum vierten Mal bei der WM dabei. Welche Rolle trauen Sie ihm noch in Russland zu?
Auch wenn er kein Stammspieler ist, wird er als Mentalitätsspieler enorm wichtig sein. Er hat ein überragendes Kopfballspiel und ist brandgefährlich vor dem Tor, sodass er immer noch jederzeit den Unterschied machen kann.
Welche Spieler könnten die Fans noch positiv überraschen?
Ich denke da an Dimitri Petratos und Daniel Arzani. Petratos kenne ich noch aus meiner Zeit in Brisbane, er ist ein klasse Dribbler mit tollen Anlagen. Arzani ist gerade mal 19 Jahre alt, aber ein absoluter Zocker, der gern ins Eins-gegen-Eins geht und zudem unglaublich trickreich und selbstbewusst ist. Mit dieser lockeren Einstellung könnte er auch auf WM-Niveau etwas reißen.
Abschließend: Werden Sie selbst ein Match vor Ort angucken und wenn ja, eins der deutschen oder der australischen Nationalmannschaft?
Leider bin ich nicht vor Ort, aber ich werde von Deutschland aus mit beiden Teams mitfiebern und die Daumen drücken.