Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
WM-Vergabe an Saudi-Arabien Eine Grenze ist überschritten
Die Fifa hat am Mittwoch offiziell den Zuschlag für die Ausrichtung der WM 2034 erteilt. Gewinner, wenig überraschend: Saudi-Arabien. Andere Bewerber gab es nicht.
Russland, Katar und bald auch Saudi-Arabien? Für die Austragungsorte von Fußballweltmeisterschaften wurde die Fifa in der Vergangenheit bereits kritisiert. Nun gibt es neue Diskussionen um das Turnier im Jahr 2034. Am Mittwoch hat der Fußball-Weltverband den offiziellen Zuschlag für den Wettbewerb in zehn Jahren erteilt. Saudi-Arabien hat gewonnen – einen Mitbewerber gab es nicht.
Nach Katar vor zwei Jahren wird damit der nächste Wüstenstaat das prestigeträchtige Event austragen. Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) stimmte für die Austragung. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und das Fanbündnis Fairness United protestierten bereits vor der Zentrale in Frankfurt am Main. Das führt zu der Frage:
Gute Entscheidung, die Fußball-WM 2034 in Saudi-Arabien stattfinden zu lassen?
Ja, Deutschland muss sich ehrlich machen
54,6 Prozent: So hoch ist der Anteil der Weltbevölkerung, der nicht in einer Demokratie lebt, wie das britische Magazin "The Economist" in seinem Demokratieindex berechnet hat. Eine Mehrheit also. Deutschland sollte sich daher ehrlich machen: Auch Menschen in Diktaturen und autoritären Staaten haben das Recht darauf, Sport-Großveranstaltungen in ihrem Land zu erleben – auch in Saudi-Arabien.
Natürlich gibt es unter autoritär regierten Ländern Unterschiede: Saudi-Arabien gehört mit seinen Peitschenhieben, der Tötung von Journalisten und der fehlenden Gleichberechtigung zu den schlimmsten.
Trotzdem könnte die Aufmerksamkeit, die die WM einem Land beschert, dazu führen, dass Saudi-Arabien sich mäßigen wird. Davon würden dann auch die Menschen im Land profitieren – und sei es auch nur für eine kurze Zeit.
Die meisten dieser Länder haben zudem Unmengen an Geld. Wer sich in demokratischen Ländern über hohe Kosten von Großveranstaltungen beschwert, sollte sich nicht beklagen, wenn andere, reichere Länder einspringen.
Und eines muss man den Golfstaaten lassen: Die Organisation von Großveranstaltungen können sie. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind fester Bestandteil des Sports, etwa beim Tennis oder der Formel 1. Auch die Fußball-WM in Katar 2022 war aus organisatorischer Sicht ein Erfolg. Fans aus Argentinien, Brasilien, Marokko und vielen anderen Ländern feierten wie bei jeder anderen WM vor Ort. Das wird auch in Saudi-Arabien nicht anders sein.
Zu beklagen, dass Saudi-Arabien die WM gekauft habe, um sich ein positiveres Image zu verschaffen, ist ebenfalls verlogen. Was ist mit Vereinen wie RB Leipzig, dem VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen? All diese Vereine gäbe es ohne die hinter ihnen stehenden Unternehmen nicht. Deren Fußball-Engagement dient auch vor allem Werbezwecken. Ohne Geld geht im Fußball ohnehin nichts mehr. Das kann man bedauern, aber so ist es nun mal.
Nein, das ist ein fatales Signal
2022 war es Katar, 2034 wird es Saudi-Arabien sein. Was die Fifa mit der heutigen Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2030 und 2034 erzwungen hat, ist ein fatales Signal.
Nach Katar wird erneut ein Land das bedeutendste Fußballturnier der Welt ausrichten, das laut Amnesty International schwere Menschenrechtsverletzungen begeht. Freie Meinungsäußerung gibt es dort nicht. Homosexualität ist strafbar und kann mit dem Tod bestraft werden. Es steht zu befürchten, dass – wie schon in Katar – für den Bau von Stadien Menschen vertrieben und zudem Arbeiter eingesetzt werden, die unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten müssen.
Der Preis für solch eine WM ist einfach zu hoch. Die Fifa agiert mit Scheuklappen – und das für ein Land, das nicht einmal von einer Fußballtradition geprägt ist. Darüber können auch die in den vergangenen Jahren teuer erkauften Verpflichtungen von alternden Superstars wie Cristiano Ronaldo nicht hinwegtäuschen.
Neben den moralischen Bedenken gibt es aber auch noch ganz praktische Probleme: In dem Wüstenstaat herrschen im Sommer extrem hohe Temperaturen, ähnlich wie in Katar. Eine Verlegung des Turniers in den Winter steht daher erneut im Raum. Für die Spieler würde das wieder einen anderen Rhythmus in den Spielplänen bedeuten. Was das für Auswirkungen haben kann, zeigte erst kürzlich die Studie eines englischen Versicherungsunternehmens: Nach der WM in Katar fielen aktive Spieler im Folgemonat im Schnitt 19 statt 11 Tage mit einer Verletzung aus.
Durch die Vergabe der WM an Saudi-Arabien gibt es – abgesehen vom Land selbst – nur Verlierer. Die Fifa überschreitet eine Grenze – und rückt den Sport, den sie eigentlich beschützen soll und der von so vielen Menschen auf der Welt geliebt wird, erneut in den Hintergrund. Im Vordergrund steht wieder einmal nur das Geld.
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