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"Wolfsgruß" | Vor EM-Viertelfinale: Türkische Fans rufen zur Provokation auf


Hochrisikospiel bei EM
"Machtdemonstration" – Türkische Fans rufen zur Provokation auf


Aktualisiert am 05.07.2024Lesedauer: 5 Min.
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Türkische Fans bei der EM. An sie wenden sich ein Aufruf der "Turkish Ultras".Vergrößern des Bildes
Türkische Fans bei der EM. An sie wendet sich ein Aufruf der "Turkish Ultras". (Quelle: Masashi Hara/Getty)

Der "Wolfsgruß"-Skandal bei der EM wird immer größer. Nun kündigte eine Ultragruppierung für das Viertelfinale der Türken eine hochumstrittene Aktion an.

Die Fans der türkischen Nationalmannschaft traten bei der Europameisterschaft in Deutschland bislang als lautstarke, farbenfrohe Gemeinschaft in Erscheinung. Frenetisch unterstützten sie ihre Mannschaft, trugen sie mit ihrer Begeisterung bis ins Viertelfinale der EM, wo die Türken am Samstag (21 Uhr, Berlin) auf die Niederlande treffen. Es wird auch das Duell zweier äußerst leidenschaftlicher Fanlager.

Nun hat eine Ultragruppierung die Fans der türkischen Elf zu einem Zeichen der Unterstützung aufgerufen. Vor der Viertelfinalpartie im Berliner Olympiastadion sollen die Türkei-Anhänger den "Bozkurt işareti" zeigen, also den "Wolfsgruß". Und zwar nicht irgendwann vor der Partie, sondern während des Abspielens der türkischen Nationalhymne. So schreibt es die einflussreiche Ultragruppe "Turkish Ultras" in ihren Anweisungen vor dem kommenden EM-Spieltag auf der Plattform X.

Schon den ganzen Donnerstag über demonstrierte die Gruppierung in diversen Postings ihre Unterstützung für den türkischen Nationalspieler Merih Demiral. Den hatte die Uefa laut einem Medienbericht am Donnerstag für zwei Turnierspiele gesperrt, weil er im Österreichspiel auf dem Platz den "Wolfsgruß" gezeigt hatte. Als Ausdruck seiner Freude und Zeichen seiner türkischen Identität, wie er hinterher sagte. Die Ultras feierten den Doppel-Torschützen demonstrativ dafür – obwohl die Geste hochumstritten ist.

Bewegung hat rund 15.000 Mitglieder in Deutschland

"Der 'Wolfsgruß' ist ein eindeutiges rechtsextremes Symbol", sagt der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli zu t-online. "Es ist ein klares Bekenntnis zu den 'Grauen Wölfen', das sich nicht umdeuten lässt. Es drückt nicht aus, einfach türkisch zu sein."

Der Gruß ist ein Zeichen, das türkische Nationalisten und Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung gern verwenden. Die ultranationalistische Bewegung wird unter anderem vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet, ihr gehören allein in Deutschland rund 15.000 Mitglieder an. Die Bewegung gilt als rechtsextrem.

Doch davon wollen die "Turkish Ultras" nichts wissen. Im Gegenteil. In ihrem Aufruf an die türkischen Fans schreiben sie, dass alle den "Wolfsgruß" zeigen sollen, als "Zeichen der türkischen Einheit und Identität". Explizit nicht als "ein rechtsextremes Symbol", wie es in der Erklärung in den sozialen Netzwerken heißt.

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Güvercin: "Werden Machtdemonstration erleben"

Was die "Grauen Wölfe" unter "nationaler Einheit" verstehen, lohnt sich durchaus näher zu betrachten. Ein Ziel der "Ülkücü"-Bewegung ist die Vereinigung aller Turkvölker, ihre Gegner – darunter Kurden, Jesiden und Aleviten – verfolgt sie zum Teil grausam, schreckt auch vor Mordanschlägen nicht zurück. Beim Massaker von Sivas kamen am 2. Juli 1993 35 Aleviten bei einem Anschlag auf ein Hotel in der anatolischen Stadt ums Leben.

Der 2. Juli war übrigens auch der Tag des Österreich-Spiels, als Demiral den "Wolfsgruß" zeigte. Am selben Tag postete der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil ein Bild seines Oberkörpers, darauf zu sehen ein tätowierter grauer Wolf. Alles nur ein Ausdruck der Freude und des Stolzes, Türke zu sein?

"Erdoğan und türkische Rechtsextremisten haben den Fußball immer instrumentalisiert. Jetzt werden wir in Berlin diese Machtdemonstration live im deutschen Fernsehen erleben", schrieb der Journalist Eren Güvercin auf X zu dem Aufruf der "Turkish Ultras". Güvercin ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und setzt sich seit Langem gegen den wachsenden Einfluss des Erdoğan-Regimes auf die in Deutschland lebenden Muslime ein.

"Graue Wölfe" sichern auch Erdoğan die Macht

Wie viel die Geste, die Demiral auf dem Platz zeigte, wirklich mit Politik zu tun hat, zeigte auch der diplomatische Eklat, der danach entbrannte: So bestellte das Erdoğan-Regime den deutschen Botschafter in Ankara ein, um ihm seinen Unmut über die Äußerungen von Innenministerin Nancy Faeser mitzuteilen. Faeser hatte Demirals Aktion scharf verurteilt. Im Gegenzug ließ auch das deutsche Außenministerium den türkischen Botschafter vorstellig werden.

Türkische Fans bei der EM. An sie wenden sich ein Aufruf der "Turkish Ultras".
Türkische Fans bei der EM. An sie wenden sich ein Aufruf der "Turkish Ultras". (Quelle: Ralf Ibing - firo sportphoto/Getty Images)

Türkische Fans bei der EM

Die türkischen Fußballfans gelten als eine der lautstärksten Gruppierungen bei diesem Turnier. Hier zeigt ein Teil von ihnen im Stadion in Leipzig neben der türkischen auch die aserbaidschanische und zyprische Fahne – allesamt Staaten, deren Menschen sich zum Teil den Turkvölkern zugehörig fühlen. Außerdem eine Fahne mit dem Konterfei des Gründers der modernen Türkei, Kemal Atatürk, und den ausgestreckten roten Finger als Sinnbild des Islam. Die "Grauen Wölfe" streben übrigens nach einer panturkistischen Vereinigung der Turkvölker zu einem islamischen Großreich.

Dann wurde bekannt, dass der türkische Machthaber Erdoğan kurzfristig seinen Reiseplan umwirft und anstatt nach Aserbaidschan (ein enger Verbündeter Ankaras und wichtiges Mitglied in der Gemeinschaft der Turkvölker) nach Berlin reist. Sein Ziel: das Viertelfinale der Türkei gegen die Niederlande. Offenbar ist es Erdoğan ein großes Bedürfnis, seine Solidarität mit den Spielern und den Fans angesichts des "Wolfsgruß"-Skandals zu zeigen.

Der Sozialwissenschaftler Kemal Bozay kritisierte den "Wolfsgruß" und den Grauen Wolf als Symboliken, die der gesellschaftlichen Spaltung Vorschub leistet. "Die sind sehr politisch und die spalten auch in einer Gesellschaft. Und damit schaffen sie natürlich auch in einer Gesellschaft eine Stimmung."

Erdoğan selbst kann sich auf die Anhänger der "Ülkücü"-Bewegung verlassen. Die politische Vertretung der Anhänger der "Grauen Wölfe" ist in der Türkei die Partei MHP. Sie koaliert mit Erdoğans AK-Partei und sorgt damit für den Machterhalt des Langzeit-Herrschers. Viele der Sympathisanten der "Grauen Wölfe" gelten als Unterstützer des Präsidenten, bisweilen werden sie sogar als "Soldaten Erdoğans" bezeichnet.

Wissenschaftler: "Spaltet auch die Gesellschaft"

Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries warnte bereits im vergangenen Jahr vor den zunehmenden Verflechtungen zwischen den "Grauen Wölfen" und Erdoğan und sprach davon, dass "hier dringend Handlungsbedarf bestehe". Im Zuge der "Wolfsgruß"-Affäre bei der EM wird auch in Deutschland wieder ein Verbot der Bewegung diskutiert.

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Wenn nun die türkische Ultraorganisation Zehntausende Fans zum Zeigen der Geste auffordert, will sie das als friedvollen Gruß unter Sportsfreunden verstanden wissen. Die Zweifel daran dürften berechtigt sein. Zumal sich auch die Türken außerhalb des Stadions der Aktion anschließen sollen, wie die Fanvereinigung betonte. "Wir wollen, dass die Straßen Berlins voll mit Türken sind, sodass wir einen mächtigen, majestätischen Korso bilden".

Wie das aussehen könnte, zeigten die türkischen Fans bereits vor der Partie gegen Österreich in Leipzig. Tausende türkische Schlachtenbummler zogen dort friedlich durch die Innenstadt, sangen und tanzten fröhlich. Auf der Seite der "Turkish Ultras" gab es davon ein Video zu sehen. Die Überschrift lautete: "Eure Stadt, unsere Regeln".

Polizei spricht von "Nonplusultra-Hochrisikospiel"

Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird Erdoğan bei dessen Kurzbesuch in Berlin übrigens nicht empfangen. Aus dem Kanzleramt hieß es, ein Treffen sei nicht vorgesehen. Vielleicht wäre das aber eine Begegnung, bei der der Sozialdemokrat einiges klarstellen könnte.

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Unterdessen stufte die Berliner Polizei die Partie der Türken gegen die Niederländer zum Hochrisikospiel hoch. Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei, Benjamin Jendro, sprach angesichts der riesigen türkischen Community in der deutschen Hauptstadt von einem "Nonplusultra-Hochrisikospiel", bei dem man alles an Einsatzkräften auffahren werde, was irgendwie möglich ist.

Mit Blick auf den Besuch von Erdoğan und den "Wolfsgruß"-Skandal meinte Jendro, er erwarte, dass Erdoğan sich an den "rechtsstaatlichen Rahmen" halte. Jendro stellte noch mal klar: "Bei uns gilt der 'Wolfsgruß' als rechtsextremes Symbol."

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