Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Bayerns Transferpolitik Jetzt wird es haarsträubend
Spekulationen um Bayern-Transfers gab es im Januar zahlreiche, umgesetzt hat der Verein wenig – und steht jetzt in der Kritik. Fehlt Bayern einfach eine gute Transferpolitik?
Am Montag schließt das Transferfenster. Das ist auch das Ende der Bemühungen des FC Bayern, noch kurzfristig einen Spieler zu kaufen oder zu verkaufen. Zumindest bis zum Sommer.
Gekauft hat Bayerns Sportvorstand Max Eberl Stand jetzt nur den 21-jährigen Torwart Jonas Urbig vom 1. FC Köln. Verkauft hat er bisher niemanden. Womöglich verlässt noch Stürmer Mathys Tel den Verein, die finale Entscheidung steht aus. Weitere Verkaufskandidaten stehen weiterhin auf der Gehaltsliste der Bayern.
Richtig glücklich scheinen mit dieser Bilanz weder Eberl selbst noch die Klubführung zu sein. Laut "Kicker" steht Eberl mittlerweile intern "unter genauer Beobachtung". Dem Bericht zufolge bestehen doch zunehmende Zweifel, dass Eberl auf dem richtigen Weg ist und den Auftrag erfüllen kann, den sie ihm erteilt hat: die Kosten des Kaders zu senken und keine Zugeständnisse zu machen.
Die Kluboberen hätten wohl auch gern gesehen, dass Eberl den Stars Fristen setzt, die mit ihm über einen neuen Vertrag verhandeln.
Auch außerhalb des Vereins hagelt es Kritik an der Transferpolitik. TV-Experte Dietmar Hamann schrieb in einer Kolumne über den Fall Tel: "Was die Zukunft von Mathys Tel angeht, verstehe ich gar nichts mehr. Man hat einen der interessantesten jungen Spieler Europas in seinen Reihen, der jetzt doch weggeschickt wird. [...] Man hätte die Sache mit Sicherheit besser lösen können."
Der frühere Nationaltorwart Roman Weidenfeller äußerte sich bei "Triple – der Schüttflix Fußballtalk bei Sky" zur Verpflichtung von Urbig: "Ich als Torwart kann es nicht verstehen. Als junger Spieler brauchst du Spielpraxis. Urbig hat sich aus meiner Sicht verwechselt."
Und wiederum Hamann sieht das kolportierte Bayern-Interesse an Christopher Nkunku vom FC Chelsea kritisch: "Ich weiß nicht, wie Spieler wie Kimmich, Musiala und Davies, deren Verträge noch nicht verlängert sind, es fänden, wenn Nkunku für 70 Millionen geholt würde. Mein Gefühl wäre: 'Dann kann ich ja nicht so wichtig sein.'" Das führt zu der Frage:
Ist die Kritik an der Transferpolitik des FC Bayern berechtigt?
Ja, hier passt nicht viel zusammen
Nicht nachvollziehbar, ein Fehler, gefährlich: Die Begriffe, die in Verbindung mit der Transferpolitik der Bayern fallen, sind hart – aber zutreffend. Hier passt wirklich nicht viel zusammen.
Bayern will die Kosten senken – signalisiert aber nach außen das Gegenteil. Florian Wirtz (Ablöse allein ca. 120 Mio.), Jamie Gittens (100 Mio.) oder Christopher Nkunku (70 Mio.) sollen kommen, Alphonso Davies für 120 Mio. für fünf Jahre verlängern und dabei allein 20 Mio. Euro Handgeld kassieren. Der 38-jährige Manuel Neuer soll für 20 Mio. Euro noch ein Jahr dranhängen.
Wie zur Hölle passt das zusammen?
Überhaupt, diese fatalen Entscheidungen. Leon Goretzka ist angeblich zu schlecht, dann plötzlich wieder Stammspieler. Mathys Tel verlängert erst seinen Vertrag und soll jetzt gehen. Alexander Nübel wird über Jahre als Neuer-Nachfolger aufgebaut, schafft es sogar in die Nationalmannschaft und soll jetzt doch verkauft werden. Stattdessen ist ein 21-jähriger Ersatztorwart vom 1. FC Köln plötzlich der designierte Neuer-Nachfolger. Bayern hat jetzt fünf Torhüter unter Vertrag, aber mit Harry Kane nur einen echten Stürmer.
Es ist wirklich haarsträubend.
Zumal sich seit Jahren die Fehleinkäufe der Bayern aneinanderreihen. Dauerverletzte wie Joao Palhinha oder Sascha Boey folgten auf Enttäuschungen wie Sadio Mané oder Marcel Sabitzer. Die Note für die Transferpolitik? Aktuell ist die ungenügend.
Nein, das geht zu weit
Also jetzt mal ganz langsam. Alle reden über Mathys Tel, aber noch ist ja nichts passiert. Zumal Sportdirektor Christoph Freund nach dem Spiel gegen Kiel gesagt hat, dass der 19-Jährige "unentschlossen" sei. Es könne gut sein, dass Tel auch am Dienstag noch Teil des FC Bayern ist. Wozu also der ganze Wirbel? Und klar ist auch: Tel hatte in dieser Saison erst einen Startelf- und acht Jokereinsätze. Natürlich macht sich ein ambitioniertes Talent Gedanken um die Zukunft. Tel will weiterkommen, er muss ebenso alle Optionen ausloten, wie übrigens auch der FC Bayern. Das ist richtig und wichtig – das darf man ihm nicht zum Vorwurf machen.
Und auch, wenn Tel gehen sollte, hat Bayern laut Freund nicht vor, einen weiteren Transfer zu tätigen. Laut "Sport Bild" bleibt Christopher Nkunku ein Kandidat für den Sommer. Bis dahin sind es aber noch sechs Monate. Im Fußball eine gefühlte Ewigkeit. Genug Zeit für Max Eberl und Freund zu überlegen, welche Transfers Sinn ergeben würden. Und genug Zeit, um die Verträge von Leistungsträgern wie Joshua Kimmich, Manuel Neuer oder Alphonso Davies zu verlängern.
Und dann ist es auch richtig, auf diese zu setzen. Auch, wenn es im Fall von Davies wohl 120 Millionen Euro kosten könnte. Immerhin geht es um einen Zeitraum von fünf Jahren. Und Stars, die jahrelang ihre Arbeit ganz hervorragend getan haben, sollten auch dafür entlohnt werden.
Und was Jonas Urbig angeht: Auch er wird sich seinen Schritt gut überlegt haben. Ein Vertrag bei den Münchnern ist ein Traum vieler Fußballer. Diesen hat sich der Torhüter nun erfüllt und kann von Größen wie Manuel Neuer und Sven Ulreich lernen und die Strukturen eines solchen Klubs kennenlernen. Daniel Peretz ist verletzt und Alexander Nübel an den VfB ausgeliehen. Wo liegt also das Problem? Es gibt keines.
Also: Erst mal langsam – und die Bayern machen lassen.
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