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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spätes Remis in Salzburg Schwache Bayern: Was in München schiefläuft
Der FC Bayern entgeht bei RB Salzburg nur knapp einer Champions-League-Blamage. Die Münchner wackeln vor der entscheidenden Phase der Saison bedenklich. Die Schwachstellen liegen auf der Hand.
Matthias Jaissle, 33 Jahre jung, stiefelte in sich gekehrt durch die Katakomben der Red Bull Arena. Ein leises "Servus" entrann seinen Lippen. Der deutsche Trainer sah etwas abgekämpft aus um kurz nach Mitternacht. Kein Wunder: Seine Salzburger hatten dem FC Bayern an diesem Champions-League-Abend (1:1) das Fußballerleben richtig schwer gemacht.
Nur die Schlussminuten und ein Tor von Kingsley Coman (90. Minute) trennten die Österreicher von der großen Sensation im Achtelfinal-Hinspiel. Sein Gegenüber wirkte auf der Pressekonferenz entsprechend angefasst. "Wenn du in Bochum verlierst (2:4, Anm. d. Red.) und in Salzburg unentschieden spielst, ist es bei Bayern München klubintern nicht das, was man sehen will", sagte Julian Nagelsmann. Der Coach des deutschen Rekordmeisters, nur ein Jahr älter als Jaissle, wirkte ebenfalls in sich gekehrt. Sind das schon bajuwarische Krisensymptome? t-online erklärt, was bei Bayern aktuell schiefläuft.
FC Bayern taumelt in Salzburg: Taktische Fehler?
Eine gewisse taktische Sturheit von Nagelsmann ist nicht von der Hand zu weisen. Er werde seine Herangehensweise nicht ändern, hatte er vor der 130 Kilometer langen Reise über die Autobahn A8 in die Mozartstadt bekräftigt. Hinterher versicherte der Oberbayer, schon im Bus die Videoanalyse zu starten. "Ich habe ein ganz gutes Gedächtnis. Deswegen weiß ich, wo ich hinspulen muss, um die Situationen herauszuschneiden", erzählte Nagelsmann. Und meinte damit auch das eigene Risiko?
So stellte der Bundesliga-Trainer noch im Stadion fest, dass Salzburg jeden Ballverlust für einen schnellen Flankenball hinter die Kette genutzt habe. Da er erwartet hatte, dass Salzburg hoch pressen würde, ließ er weit vorne angreifen. Die Dreierkette stand teils hinter der Mittellinie – und wurde von den Express-Fußballern um den gebürtigen Münchner Karim Adeyemi überrumpelt. Dabei ist das Rückzugsverhalten seit Jahren die große Schwäche der Bayern. Thomas Müller fasste bei ServusTV zusammen: "Es geht um die defensive Positionierung im eigenen Angriff."
Defensive schwächelt auch in der Champions League
Eklatante Abwehrfehler sind definitiv nicht von der Hand zu weisen. Wie Benjamin Pavard kurz vor der Pause (45. Minute) den Ball nach einem Einwurf von Niklas Süle aus dem eigenen Strafraum bolzte und gegen Adeyemi beinahe einen Elfmeter kassierte, war eine Nachlässigkeit, die an der Säbener Straße ein Extra-Gespräch nach sich ziehen dürfte. Geradezu demonstrativ nahm Nagelsmann Lucas Hernández in Schutz. "Luci weiß nicht, ob er hinter sich noch einen Spieler hat. Wenn wir mehr Kommunikation hätten, hätte er aktiver gegen Adeyemi verteidigt", meinte er zum 1:0 durch Chikwubuike Adamu (21.): "Da müssen wir uns ein Coaching zulegen, um die Situation besser zu lösen."
Hernández hatte Vorlagengeber Adeyemi regelrecht Begleitschutz gegeben, anstatt den 20-jährigen Stürmer zu attackieren. In München werden dem Vernehmen nach Stimmen lauter, ob man die kolportiert 80 Millionen Euro Ablöse für den französischen Weltmeister nicht besser an anderer Stelle investiert hätte.
Leroy Sané spielt schwach, Joshua Kimmich hadert
Ausnahmekönner, die (aktuell) keine Führungsspieler sind, lassen sich als weiteres Problem identifizieren. "Natürlich arbeitet eine Niederlage in den Spielern. Es waren nicht viele Spieler dabei, die in Bochum absichtlich verloren haben", sagte Nagelsmann mit einem Hauch Ironie: "Aber das schmälert nicht unseren Anspruch, dass wir hier mehr als 1:1 spielen wollen. Um mit Europas Elite mitzuhalten, müssen wir noch ein bisschen was tun." Was auffällt: Joshua Kimmich hat nach den Diskussionen um seine Person offenbar an Selbstverständnis eingebüßt. Der 27-jährige Stratege verzettelte sich in Zweikämpfen und Diskussionen mit Schiedsrichter Michael Oliver. Dann wäre da noch Leroy Sané. Sein Auftritt vor euphorisierten 30.000 Zuschauern war schlicht schwach. Vor dem 0:1 verlor der 26-Jährige den entscheidenden Zweikampf. Und bei Pavard durfte sich der Angreifer bedanken, dass der Franzose den Ball nach seinem kapitalen Stockfehler (81.) von der Linie kratzte.
"Wenn man in München den Weg nicht mitgeht, ist man schnell wieder weg. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Joshua Kimmich ihn auf die Seite genommen hat und ihm den Kopf gewaschen hat. Dass er ihm gesagt hat, was es bedeutet, für solch einen erfolgreichen Klub zu spielen", sagte Sky-Experte Lothar Matthäus vor dem Salzburg-Spiel zu t-online. Beim FC Bayern brauche es nicht den Trainer, "um einen Kollegen wachzurütteln. In München wurde schon immer Klartext gesprochen", erzählte der Rekordnationalspieler: "Das muss nicht immer der Präsident sein, oder der Sportdirektor. Schon zu meiner Zeit hat die Mannschaft das häufig unter sich geklärt." Jetzt, da die Bayern wackeln, gibt es offensichtlich wieder Klärungsbedarf.
- Eigene Beobachtungen in Salzburg
- Pressekonferenz mit FC Bayern in Salzburg
- Telefoninterview mit Lothar Matthäus
- Interviews bei ServusTV