Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Vier Teams im Endspiel "Die britische Vormachtstellung ist kaum zu durchbrechen"
Erstmals in der Geschichte stellt eine Nation alle Endspielteilnehmer der Europapokalwettbewerbe im Fußball. t-online.de-Sportchef Robert Hiersemann und Sport-Redakteur Tobias Ruf diskutieren die Konsequenzen aus dieser Entwicklung.
Dass eine Nation alle Endspielteilnehmer der Europapokalwettbewerbe stellt, das gab es noch nie. Am 29. Mai bestreiten der FC Chelsea und der FC Arsenal das Europa-League-Finale, drei Tage später stehen sich der FC Liverpool und die Tottenham Hotspur im Endspiel der Champions League gegenüber.
Hat der englische Klubfußball dem Rest in Europa damit den Rang abgelaufen? Oder ist die Saison 2018/19 nur eine Momentaufnahme? Das diskutieren t-online.de-Sportchef Robert Hiersemann und Sportredakteur Tobias Ruf.
England wird dem Rest Europas weiter enteilen
Zwei Europacup-Finals, vier verbliebene Klubs - und alle kommen sie aus einem Land: England. Das gab es noch nie in der Geschichte des Europapokals. Zufall? Glück? Eine Momentaufnahme? Diese Annahme wäre naiv. Zumal unter den vier Mannschaften auch noch die Spitzenklubs Manchester City und United fehlen.
Seit Jahren geht die Entwicklung in die gleiche Richtung. Die besten Trainer wie Klopp, Guardiola oder Sarri wechselten in die Premier League, viele Top-Spieler folgten. Im vergangenen Jahr schafften es fünf Teams ins Achtelfinale der Champions League – auch das hatte es zuvor nie gegeben.
Insbesondere die Champions League haben die Premier-League-Klubs auch in dieser Saison dominiert: Mehr Tempo, eine bessere Taktik und eine gigantische Mentalität. Die Entwicklung geht seit Jahren in diese Richtung und so ist die britische Vormachtstellung kaum noch zu durchbrechen. Denn die Premier League kassiert mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr mehr TV-Geld, als jede andere europäische Liga. Die Bundesliga landet nur bei knapp der Hälfte. Solange die Engländer finanziell in einer anderen Liga spielen und sich das beste Fußball-Know How in Form von Spielern und Trainern aus aller Welt einkaufen können, werden sie uns und dem Rest Europas sportlich weiter enteilen und die internationalen zu englischen Wettbewerben werden lassen.
Von Dominanz kann keine Rede sein
Der englische Fußball hat Wucht, keine Frage. Und zwei rein-englische Finals sind eine Ansage an die Konkurrenz. Von einer unüberbrückbaren Dominanz kann aber keine Rede sein. In der Europa League kommen nur zwei der bisherigen neun Titelträger von der Insel. In der Champions League gewann in den vergangenen zehn Jahren nur der FC Chelsea den Titel, mit jeder Menge Glück beim "Finale dahoam" 2012 in München. Was die englischen Klubs in dieser Saison vielmehr geschafft haben, ist die Dominanz einer anderen Fußball-Großmacht zu durchbrechen. Sechs der insgesamt neun Europa-League-Siege gehen auf das Konto spanischer Klubs, in der Champions League stemmte in den vergangenen zehn Jahren sechs Mal ein Team aus der Primera Division den Henkelpott in die Höhe.
Da reicht eine Saison nicht aus, um England zum neuen Dominator des europäischen Klubfußballs zu erheben. Zudem dürfen die Umstände, wie drei der vier Premier-League-Vertreter ins Endspiel eingezogen sind, nicht außer Acht gelassen werden. Liverpool ging im Hinspiel in Barcelona mit 0:3 baden. Tottenham realisierte gegen das junge Ajax erst in der 95. Minute des Rückspiels äußerst glücklich den Finaleinzug. Und der hochdotierte FC Chelsea setzte sich erst im Elfmeterschießen gegen den Tabellenvierten der Bundesliga durch.
Das soll die Leistung der Premier-League-Klubs nicht schmälern, von Dominanz kann aber keine Rede sein.
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