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Effenberg über den BVB: Erling Haaland hat sich entschieden


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Ärger in Dortmund
Haaland hat sich entschieden

  • Florian Wichert
MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

20.12.2021Lesedauer: 7 Min.
In elf Bundesligaspielen in der Hinrunde hat Dortmunds Erling Haaland 13 Tore erzielt – gegen Hertha blieb er zuletzt tor- und ideenlos.Vergrößern des Bildes
In elf Bundesligaspielen in der Hinrunde hat Dortmunds Erling Haaland 13 Tore erzielt – gegen Hertha blieb er zuletzt tor- und ideenlos. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Hinrunde ist vorbei. Unter den Enttäuschungen ist letztlich auch der BVB, bei dem sich alles auf Topstürmer Haaland fokussiert. Dadurch hat der Norweger eine besondere Verantwortung.

Langeweile in der Bundesliga? Von wegen! Ich kann verstehen, wenn sich der neutrale Fußball-Fan mal wieder einen echten Meisterkampf wünscht. Ich tue das auch. Aber: Der deutsche Fußball bietet trotz der wieder frühzeitig entschiedenen Meisterschaft einen extrem hohen Unterhaltungswert – sowohl durch positive als auch durch negative Überraschungen in der Bundesliga.

Bayern ist nicht nur Herbstmeister

Und auch in der zweiten Liga, in der mit St. Pauli, Darmstadt, Schalke, Nürnberg, Bremen und dem HSV gleich sechs Traditionsklubs um den Aufstieg spielen.

Aber bleiben wir für eine Hinrundenbilanz in der Bundesliga, wo der FC Bayern München nicht einfach nur Herbstmeister und Tabellenführer ist. Er hat mit 116 Toren im Kalenderjahr 2021 den bisherigen Rekord des 1. FC Köln (101 Tore) aus dem Jahr 1977 pulverisiert.

Robert Lewandowski hat mit seinem Treffer am letzten Hinrundenspieltag den bereits seit 1972 bestehenden Rekord von Gerd Müller verbessert – und 43 Tore in einem Kalenderjahr erzielt. Thomas Müller hat sein 400. Bundesligaspiel absolviert und sein 134. Tor geschossen – und mit 15 Torvorlagen in der Hinrunde einen neuen Rekord aufgestellt.

Ein kleiner Fleck auf der Weste

Und: Trainer Julian Nagelsmann hat im Schnitt 2,64 Punkte pro Spiel geholt und sich damit gleich an die Spitze aller Bayern-Trainer der Vereinsgeschichte gesetzt – vor Hansi Flick, Jupp Heynckes, Pep Guardiola und Ottmar Hitzfeld. Er ist authentisch und hat schnell einen guten Draht zu seinen Spielern entwickelt.

Das ist nicht einfach für jemanden, der vorher Hoffenheim und Leipzig trainiert hat. Du darfst Spieler der Kategorie Weltklasse nicht einfach genauso behandeln und womöglich mit tausend wissenschaftlichen Fakten zuschütten. Du musst sie als nahezu komplette Spielerpersönlichkeiten abholen und einbinden. Nagelsmann hat das hinbekommen.

Nur ein kleiner Fleck auf der weißen Weste von Nagelsmann ist das 0:5 gegen Borussia Mönchengladbach und das damit verbundene Pokal-Aus. Es kann aber am Ende für die Saisonbilanz gefährlich werden.

Freiburg hat alles, um oben zu bleiben

Sollte Bayern in der Champions League bereits im Achtel- oder Viertelfinale ausscheiden, kann nicht mehr die Rede von einer erfolgreichen Saison sein. Denn dann bleibt lediglich die Meisterschaft.

Fast genauso erfreulich: der SC Freiburg, der sich kein einziges schlechtes Spiel erlaubt hat. Platz drei ist spektakulär – und die Mannschaft bringt alles mit, was es braucht, um oben zu bleiben: Freude, Kampfbereitschaft und insbesondere Qualität.

Nur vier Punkte dahinter ist überraschend der 1. FC Köln mit Trainer Steffen Baumgart. Hier erfreut mich vor allem die Art und Weise. Köln spielt das erste Mal seit Jahren tollen Fußball, wie das eigentlich nur Mannschaften mit einem qualitativ besseren Kader tun. Und an Torjäger Anthony Modeste kann man sehen, was das Vertrauen eines Trainers ausmachen kann. Er war schon abgeschrieben, nun hat er in 17 Spielen elf Tore erzielt.

Die größte Überraschung

Auch Mainz 05 hat überrascht. Nimmt man das ganze Kalenderjahr 2021, liegt Mainz mit Trainer Bo Svensson auf Platz sieben. Bei ihm hat mich besonders die Pressekonferenz nach dem 0:1 in Frankfurt beeindruckt. Er sagte: "Wir waren nicht bereit, das ist auch meine Verantwortung. Ich habe auch Fehler gemacht in der Vorbereitung auf dieses Spiel. Das ärgert mich sehr."

So eine deutliche Selbstkritik hört man leider viel zu selten – und meist in erster Linie von Toptrainern wie Thomas Tuchel oder Jürgen Klopp, die zugleich Vorgänger von Svensson in Mainz waren. Ich bin überzeugt, dass Svensson einen ähnlichen Weg gehen kann und bei einem Topklub aufschlagen wird.

Die größte Überraschung in der Tabelle für das Kalenderjahr 2021 ist allerdings Eintracht Frankfurt. Die Hessen liegen auf Rang drei und damit sogar vor RB Leipzig. Es hat sich komplett ausgezahlt, nach einem missratenen Saisonstart an Trainer Oliver Glasner festzuhalten.

BVB-Hinrunde passt nicht zu Ansprüchen

Das ist auch ein Erfolg von Sportdirektor Markus Krösche, der vor der Saison von Leipzig nach Frankfurt gewechselt ist. RB dürfte ihn in der Hinrunde mehrfach vermisst haben.

Und damit kommen wir zu den Enttäuschungen der Hinrunde, zu den kriselnden Klubs.

In erster Linie ist das Borussia Dortmund mit insgesamt schon neun Pflichtspielniederlagen bis jetzt. Die Verantwortlichen haben nach dem 2:3 bei Hertha BSC mehrfach betont, dass ihr Etat deutlich niedriger ist als der des FC Bayern und dass sie zumindest Zweiter sind in der Liga. Das mag zwar stimmen und ist sicher einen Applaus wert, trotzdem passt die Hinrunde des BVB nicht zu den Ansprüchen.

Haaland schwirrte die Frage im Kopf herum

In der Champions League ist Dortmund in einer machbaren Gruppe ausgeschieden und läuft nun wirtschaftlich mit geringeren Einnahmen wieder hinterher. In der Liga hat die Borussia in 14 Tagen ihre gute Ausgangslage mit nur einem Punkt Rückstand auf Bayern verzockt – und bei nun neun Punkten Rückstand die Meisterschale abgehakt. Sie ist einfach nicht in der Lage, den FC Bayern zu gefährden.

Ich bin mir sicher: Das hat auch Erling Haaland in diesen 14 Tagen erkannt, nachdem er persönlich eine überragende Hinrunde gespielt und in 16 Pflichtspielen 19 Tore geschossen hat. Natürlich ist bei ihm in den vergangenen Wochen die Frage im Kopf herumgeschwirrt, ob er im Sommer noch eine weitere Saison in Dortmund bleiben sollte oder ob er besser seine Ausstiegsklausel zieht und zu einem europäischen Spitzenklub geht.

Haaland will ganz sicher Titel gewinnen. Und zwar auch die Deutsche Meisterschaft. Es ist doch klar, dass er frustriert ist, wenn sich das als unrealistisch herausstellt. Gegen Hertha hat er seine Unzufriedenheit auch gezeigt und ein ungewöhnlich schwaches Spiel gemacht. Für die Niederlage ist es aber eine billige Entschuldigung, wenn ein 21-Jähriger einmal einen schlechten Tag hat.

Zwei Faktoren verhindern BVB-Erfolg

In den letzten Minuten des Spiels hat die TV-Kamera mehrfach die Bank der Dortmunder gezeigt und damit auch die Spieler, die eigentlich viel mehr in der Pflicht stehen als Haaland: Kapitän Marco Reus, Nationalspieler Julian Brandt und Routinier Axel Witsel. Die müssen auch mal solche Spiele entscheiden und schwierige Situationen lösen.

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Aber das zeigt nur, dass es letztlich zwei Faktoren sind, die verhindern, dass Dortmund Bayern gefährlich wird. Erstens werden die Führungsspieler den Ansprüchen seit Jahren nicht gerecht. Zweitens reicht die zweite Reihe einfach nicht aus, um ganz oben mitzuspielen. Das werden die Verantwortlichen erkannt haben, weil sie in Dortmund viel Fußballkompetenz besitzen und den Kader entsprechend im Sommer umbauen.

Jeder weiß: Haaland hat sich entschieden

Grundsätzlich ist in der Rückrunde nach wie vor viel drin für den BVB. Die Meisterschaft sicher nicht mehr, aber zumindest die Titel in der Europa League und im DFB-Pokal. Wenn sie einen oder sogar beide Titel holen, spricht niemand mehr über Platz zwei, drei oder vier in der Liga.

Dafür brauchen sie allerdings Ruhe im Verein und dementsprechend zeitnah eine Entscheidung von Haaland. Ich denke, dass in Wahrheit jeder weiß, dass er sich längst entschieden hat und im Sommer weg ist.

Dann sollte es auch möglich sein, das zumindest im Verein frühzeitig bis Februar oder spätestens März zu kommunizieren. Das ist auch im Interesse von Haaland, weil er so die Chance auf mindestens einen Titel hat. Den BVB zappeln zu lassen, ist dagegen nicht fair.

Leipzig hat sich verzockt

Der BVB ist nicht der einzige Klub, der an Bayern dranbleiben wollte – noch viel dramatischer ist die Lage bei RB Leipzig. Sie haben vor der Saison vom besten Kader aller Zeiten geschwärmt. Stand heute habe ich von dem nichts gesehen. Leipzig hat 21 Punkte Rückstand. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Es handelt sich um sieben Spiele, die Bayern gewonnen und RB verloren hat, wenn man die 21 Punkte auseinanderrechnet. Natürlich haben sie sich mit ihrer Personalpolitik verzockt, mit Jesse Marsch auf den falschen Trainer gesetzt und mit Marcel Sabitzer den Kapitän zu Unrecht verkauft.

Noch schlimmer ist es in der Hinrunde nur Borussia Mönchengladbach und Wolfsburg ergangen. Beim VfL ist offenbar nicht nur der Trainerwechsel ohne Effekt geblieben. Geschäftsführer Jörg Schmadtke hat auch ohne Not den Kurzzeit-Trainer Mark van Bommel mit seiner Aussage beschädigt, "den falschen Mann" geholt zu haben.

Kramers Aussage ist grenzwertig

Ob Gladbach und Manager Max Eberl auch danebengelegen haben, werden die ersten Spiele im Januar zeigen. Das Wichtigste ist sicherlich das Pokalspiel gegen Hannover 96. Die ganze Stadt sehnt sich danach, nach 1995 endlich mal wieder diesen Pokal zu holen oder zumindest nach Berlin zum Finale zu fahren. Gelingt das, spielt die Platzierung in der Liga keine Rolle mehr.

Christoph Kramer hat es nach dem 1:1 in Hoffenheim deutlich formuliert: "Hätten wir in den letzten Wochen nicht so viel berechtigte Kritik abbekommen, dann würde ich hier stehen und sagen: 'Was wir hier für eine Scheiße gespielt haben, so schlecht waren wir noch nie.'" Er hat offene, ehrliche Worte gewählt – und sicherlich recht mit seiner Aussage.

Ich finde sie dennoch grenzwertig, wenn man bedenkt: Dieser Christoph Kramer hat selbst vier Spiele auf der Bank gesessen und sechs weitere verletzt verpasst. Er ist jetzt gerade nicht der Fernsehexperte, der das von der Seite beurteilen soll wie bei der Europameisterschaft im Sommer. Er ist Spieler von Borussia Mönchengladbach und sollte selbst erst mal Leistung bringen.

Gladbach-Duo wird wohl zum BVB gehen

Auch in Gladbach ist die Unruhe groß. Hätten sie in Hoffenheim erst zurückgelegen und dann noch spät den Ausgleich erzielt, wären sie mit einem guten Gefühl in die Pause gegangen. Leider war es genau andersherum.

Das große Problem: Die Zukunft von gleich mehreren wichtigen Spielern ist nicht geklärt. Die Verträge von Matthias Ginter und Dennis Zakaria laufen im Sommer aus. Ich denke, dass letztlich beide zu Dortmund wechseln werden. Aber es braucht einfach klare Verhältnisse. Auch andere Spieler denken angeblich immer wieder über einen „nächsten Schritt“ nach.

Nach dieser Hinrunde würde ich die Frage aufwerfen, ob sie überhaupt das Zeug für so einen Schritt haben. Sie sollten sich viel lieber auf Gladbach konzentrieren und zusehen, dass sie Leistung bringen. Damit die Borussia in der Rückrunde wieder nach oben schauen kann und vielleicht zu einer positiven Überraschung wird. Mich würde das freuen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien schöne Weihnachten und ein frohes neues Jahr. Bleiben Sie gesund. Meine nächste Kolumne bei t-online lesen Sie im Januar.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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