Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Kimmich-Debatte hat Folgen Das war's mit dem Kapitänsamt
Er galt nicht nur als einer der besten Spieler Deutschlands, sondern auch als künftiger Kapitän der Nationalelf und des FC Bayern. Ist Kimmich nun verbrannt für dieses Amt?
Joshua Kimmich befindet sich mitten im nächsten Öffentlichkeits-Tsunami, wie Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß die Debatte um die Impfverweigerung des Nationalspielers im Oktober nannte (Hier lesen Sie den kompletten Artikel). Nachdem seine öffentlich geäußerten Bedenken gegenüber einer Impfung für viel Wirbel gesorgt hatten, musste Kimmich im November ungeimpft in Quarantäne, dann infizierte er sich auch noch selbst mit Corona. Nun leidet er an Lungen-Infiltrationen als Spätfolge (Mehr über Lungen-Infiltrationen lesen Sie hier) und fällt bis Jahresende aus, wie der FC Bayern vergangene Woche verkündete. Jedes Mal gab es riesige Diskussionen weit über den Fußball hinaus.
Deshalb ergriff der 26-Jährige in einem ZDF-Interview nun selbst das Wort.
Kimmich zeigte sich einsichtig. Er habe die Mannschaft im Stich gelassen (Hier lesen Sie alle Aussagen im ZDF-Interview) und sagte: "Natürlich – rückblickend gesehen hätte ich die Entscheidung für das Impfen lieber früher getroffen, aber zu dem damaligen Zeitpunkt war es mir eben nicht möglich." Aufgrund seiner Ängste und Bedenken, wie er erklärt.
Welche Folgen hat das für seine Karriere?
Das Interview wird nun kontrovers diskutiert. Ist Kimmich damit rehabilitiert? Hat er eine zweite Chance verdient? Welche Folgen hat das alles für seine Karriere? Zumal Kimmich bis zur Debatte um die Impfverweigerung nicht nur als einer der besten und wichtigsten Spieler beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft galt, sondern auch als der legitime Nachfolger von Torwart Manuel Neuer als Kapitän.
Was zur Frage führt:
Ist Joshua Kimmich als künftiger Kapitän des FC Bayern und der Nationalmannschaft verbrannt? (Sehen Sie die komplette Diskussion hier im Video)
Ja, Kimmich hat unverzichtbare Eigenschaften vermissen lassen
Was macht für Sie einen guten Kapitän aus? Das volle Bewusstsein für die Vorbildfunktion? Definitiv. Aufopferungsbereitschaft für das Kollektiv? Ganz sicher. Uneingeschränkte Akzeptanz in der Mannschaft? Auf jeden Fall. Ein guter Kapitän muss vorangehen, führen – ganz besonders in der Krise.
Und ganz besonders bei Bayern und in der Nationalelf.
So wie Manuel Neuer das tut – und Joshua Kimmich nicht. Der 26-Jährige hat sich für dieses Amt und die Neuer-Nachfolge in den letzten Wochen disqualifiziert. Ganz klar: Das war's für ihn. Weil Kimmich all diese unverzichtbaren Eigenschaften hat vermissen lassen. Er hat mit seiner Impfverweigerung ein schlechtes Vorbild für die Gesellschaft abgegeben. Er hat seine Mannschaft im Stich gelassen. Er hat den Erfolg des FC Bayern und seine Akzeptanz in der Mannschaft aufs Spiel gesetzt und in Teilen wohl eingebüßt.
Klar: Kimmich ist schon maximal gestraft. Quarantäne, Corona-Erkrankung, Gehaltseinbußen, Spätfolgen, Sorgen um die Karriere – und dann noch ein Öffentlichkeits-Tsunami nach dem anderen. All das hat er in einem offenen und ehrlichen Interview nicht nur offenbart. Er hat mit seiner Einsicht sogar einen großen Schritt in Richtung Rehabilitation getan. Das ändert aber nichts daran, dass er für ein so wichtiges Amt, mit dem er den deutschen Fußball in der Welt repräsentiert, verbrannt ist. Schade, aber nicht alle großen Fußballer sind auch gute Anführer.
Nein, denn Kimmich wird gestärkt aus dieser Krise hervorgehen
Joshua Kimmich hat Fehler gemacht und wurde dafür zu Recht kritisiert. Er hätte sich längst impfen lassen sollen und hat viele Deutsche aufgrund seiner geäußerten Bedenken über angebliche Langzeitfolgen durch eine Corona-Impfung, die nicht fundiert waren, durcheinandergebracht. Aber er ist doch nicht für alle Zeiten verbrannt, nur weil er sich mal geirrt hat. Im Gegenteil.
Der 26-Jährige hat inzwischen in einem Interview eingestanden, dass er falsch lag und sich nun impfen lassen möchte. Und genau das zeugt doch von wahrer Größe. Sich einsichtig zu zeigen, ist Grundlage unserer Kultur, das ist menschlich und vor allem demokratisch. Kimmich sagte in aller Öffentlichkeit, dass er sich geirrt hat. Ein toller Schritt.
Und seien wir doch mal ehrlich: Am Ende geht es doch auch nur um Fußball. Hängen wir den Posten des Kapitäns der Nationalmannschaft mal nicht zu hoch. Es ist und bleibt Sport – und der Job des DFB-Spielführers ist keineswegs mit dem Posten des Gesundheitsministers geschweige denn des Kanzlers zu vergleichen.
Kimmich ist in erster Linie ein herausragender Spieler. Ganz sicher: Er wird gestärkt aus dieser persönlichen Krise hervorgehen und den deutschen Fußball noch auf Jahre prägen. Und das als Kapitän.
Wer hat recht?
Im "Zweikampf der Woche" kommentieren wöchentlich Florian Wichert (Stellvertretender Chefredakteur bei t-online) und Robert Hiersemann (Head of Fußball und Sport) aktuelle Fußballthemen. Sehen Sie das Format oben im Video oder auch ab 21 Uhr im Free-TV im Rahmen von "Bundesliga Analyse" auf Sport 1.
Teilen Sie Ihre Meinung mit
Welche Meinung zum Thema haben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de
- Im „Zweikampf der Woche“ kommentieren wir wöchentlich ein aktuelles Fußballthema. Sehen Sie den Schlagabtausch regelmäßig auch im Video – am Montag und manchmal auch Dienstag ab 19.30 Uhr im Rahmen der „Sport1 News“ bei Sport1 oder ab Montagnachmittag hier oben im Artikel.