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BVB-Legende Márcio Amoroso kritisiert: "Die Jugendarbeit war früher besser"


Márcio Amoroso
BVB-Legende kritisiert: "Die Jugendarbeit war früher besser"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 12.02.2021Lesedauer: 6 Min.
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Márcio Amoroso: Der ehemalige BVB-Stürmer wechselte 2001 für viel Geld nach Dortmund.Vergrößern des Bildes
Márcio Amoroso: Der ehemalige BVB-Stürmer wechselte 2001 für viel Geld nach Dortmund. (Quelle: Team 2/imago-images-bilder)

Das, was Erling Haaland heute für den BVB ist, war Márcio Amoroso vor fast 20 Jahren. Als Gesicht und Superstar der Borussia schrieb er Geschichte, wurde Deutscher Meister. Für seinen "Nachfolger" Haaland hat er einen Tipp parat.

Márcio Amoroso war teuer, sehr teuer. 50 Millionen D-Mark zahlte der BVB im Sommer 2001 an den FC Parma. Der Brasilianer war der neue Rekordtransfer der Bundesliga. "Darf man so viel Geld für einen Spieler ausgeben?", lautete die Frage, die sich damals Fans und Medien stellten. Heutzutage wären 25 Millionen Euro kein Grund für eine Debatte über den Wert von Sportlern.

Doch Amoroso war das Geld wert, schoss den BVB mit seinen Toren zur Deutschen Meisterschaft und wurde zum Helden in Dortmund. Seine Zeit beim Klub endete abrupt nach einem Streit mit den Verantwortlichen über die Behandlung einer Knieverletzung. Trotz dessen ist der technisch versierte Brasilianer auch heute noch mit dem Verein verbunden und ist Teil der Legendenmannschaft des BVB. Im Interview mit t-online spricht er ausführlich über seinen Werdegang und erklärt, was ihm am heutigen Fußball nicht gefällt.

t-online: Herr Amoroso, Sie sind vor rund 21 Jahren für 25 Millionen Euro zu Borussia Dortmund gewechselt, waren damals der Rekordtransfer der Bundesliga. Seitdem sind die Preise weltweit explodiert. Was wären Sie heute wert?

Márcio Amoroso (46): Ich war ein technisch starker Spieler und dadurch auch so teuer. Die Technik der Spieler ist zwar über die Jahre besser geworden, doch ich wäre immer noch über dem Durchschnitt. Ich glaube, ich wäre heute doppelt so teuer wie damals – also 50 Millionen Euro (lacht).

Was sagen Sie zu den Entwicklungen der Ablösesummen?

Die hohen Preise hängen mit der schlechteren Förderung von Talenten zusammen. Die großen Klubs geben den eigenen Jugendspielern weniger Chancen, zu den Profis zu kommen. Es schaffen vielleicht ein oder zwei den Sprung. Für den Rest müssen sie dann Geld ausgeben und dadurch, dass immer mehr Geld im Spiel ist, kosten die auch viel.

Warum bekommen Ihrer Meinung nach weniger Jugendspieler eine Chance?

Weil die Jugendarbeit in den 90er Jahren besser war.

Inwiefern?

Die Mentalität im Fußball hat sich verändert. Die Trainer heute legen einen größeren Wert auf die physischen und taktischen Voraussetzungen der Spieler. Früher wurde mehr auf das tatsächliche fußballerische Talent und die Technik geschaut. Wenn ein Spieler heute technisch super ist, aber keine 15 Kilometer im Spiel läuft und taktisch nicht ganz mitkommt, wird er oft aussortiert.

Hätte der junge Márcio Amoroso heutzutage Probleme, Profi zu werden?

Ich hätte auch heute noch Erfolg, weil sich die talentiertesten Spieler immer durchsetzen. Ich müsste mich etwas anpassen, aber auch heute setzen sich noch viele Spieler durch, die in erster Linie technisch stark sind. Da denke ich zum Beispiel an Neymar.

Inzwischen sind Sie nicht mehr Spieler, sondern Zuschauer. Haben Sie mit den von Ihnen kritisierten Veränderungen des Spiels auch weniger Spaß daran, ein Fußballspiel zu sehen?

Ich muss mir die Spiele schon aussuchen. Ich will die Spiele sehen, in denen die Teams eher einen technischen als einen physischen Schwerpunkt haben. Barcelona, Bayern, Paris, Liverpool. Mit "Kick and Rush", wie es in England von vielen Teams praktiziert wurde und wird, kann ich mich nie anfreunden.

In England haben Sie nie gespielt. Ihre erste Station in Europa war Italien bei Udinese Calcio. Wie waren Ihre ersten Eindrücke dort?

Ich hatte großes Glück, von Udinese verpflichtet zu werden. Die Besitzer des Klubs, die auch heute noch da sind, entschieden sich damals, die Strategie auf dem Transfermarkt zu verändern. Sie wollten junge, talentierte Spieler günstig holen und später teuer verkaufen. Davon profitierte ich, auch wenn es kein leichter Start für mich war, weil die Liga die beste in Europa war und ein hohes Niveau hatte.

Hatten Sie Angst, es nicht zu schaffen?

Nein. Ich war selbstbewusst und sicher, dass ich mich durchsetzen würde.

Und abseits des Rasens? War Italien ein Kulturschock für sie?

Die Anpassung an das Leben und die Kultur in Italien war leicht. Es gibt viele Ähnlichkeiten zu Brasilien. Und man muss bedenken, dass ich ja wenige Jahre zuvor in Japan gelebt hatte. Ich sage Ihnen, das war ein echter Kulturschock (lacht). Aber Italien mag ich auch heute noch sehr gerne, besitze dort immer noch ein Haus. Und das Essen ist herausragend.

Auch an Udinese Calcio haben Sie bestimmt noch gute Erinnerungen, schossen dort viele Tore. Einer Ihrer Sturmpartner war Oliver Bierhoff. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?

Oliver war ein beeindruckender Spieler, ich habe viel von ihm gelernt. Ich habe zusammen mit ihm und Paolo Poggi im Sturm gespielt. Bierhoffs Stellungsspiel war herausragend und hat mir und Paolo viele Freiheiten gegeben. Dazu war er einer der besten Kopfballspieler, die ich kenne. Doch er war nicht nur ein guter Kollege im Spiel, er war auch ein guter Mensch.

Nach Ihrer Zeit bei Udinese ging es nach Parma und von dort aus zu Borussia Dortmund. Wie waren die ersten Wochen in Deutschland für Sie?

Etwas schwieriger, da ich die Sprache nicht kannte und es kulturell ein paar mehr Unterschiede gab. Aber mir war klar, dass ich mich dem Land anpassen und mich integrieren musste, nicht umgekehrt. Deshalb habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie Deutsche denken und leben und mit der Zeit kam ich dann auch gut zurecht. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre meine Zeit in Dortmund auch länger gewesen, als sie war.

Wie ist Ihre heutige Beziehung zum BVB?

Ich habe immer noch viel Kontakt zu den Menschen im Verein, bin auch Teil der Legendenmannschaft des BVB. Zusammen mit Evanilson, Dédé oder auch Jörg Heinrich. Ich habe noch viele Freunde in Dortmund. Und die Fans werde ich nie vergessen, sie sind einzigartig auf dieser Welt.

Die von Ihnen genannten Männer waren Spieler, die sich voll und ganz mit dem Klub identifizierten. Eine Sache, die laut Aussagen einiger Fans und Experten bei einigen der heutigen Profis fehlt. Stimmt das?

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Dazu bin ich dann doch zu weit weg. Um eine differenzierte Aussage zu treffen, müsste ich in Dortmund sein und die Stimmung mitbekommen. Was ich aber sagen kann, ist, dass der Verein beeindruckende Fans hat und deshalb in der Pandemie besonders leidet. Es fehlt die Atmosphäre, das Gefühl, dass dir diese Fans geben. Das löst etwas Einmaliges in dir aus. Die Spiele fühlen sich doch aktuell nur wie Freundschaftsspiele an und gerade in Dortmund ist das eine große Umstellung.

Was früher Sie im BVB-Sturm waren, ist heute Erling Haaland. Wie bewerten Sie ihn?

Er ist ein toller Spieler und physisch stark. Sein Torabschluss ist sehr gut und schnell. Er hat noch viel Potenzial zur Entwicklung. Ich glaube, er kann einer der besten Stürmer der Welt werden. Dortmund ist der perfekte Ort für ihn. Beim BVB bekommen Angreifer den Freiraum, sich zu entwickeln. Robert Lewandowski wurde dank Dortmund zum besten Stürmer der Welt. Das kann auch Erling Haaland schaffen.


Haaland ist bereits auf dem Einkaufszettel mehrerer Top-Klubs. Glauben Sie, Dortmund kann ihn über den Sommer hinaus halten?

Der BVB braucht das Geld nicht, was ein Verkauf einbringen würde. Es gibt also keinen Druck, ihn abgeben zu müssen. Dazu wäre es schwer, einen guten Ersatz für ihn zu finden. Es gibt nur wenige Spieler auf dieser Welt, die so ein Talent haben. Auch für ihn wäre es besser, in Dortmund zu bleiben. Hier kann er sich in Ruhe weiterentwickeln. Ein Wechsel käme zu früh. Auch wenn ich verstehe, dass sein Agent Mino Raiola sich umguckt und sehr entschlossen und direkt in den Verhandlungen ist.

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