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Bayer Leverkusen – Kevin Volland: "Wir sollten häufiger über Ängste reden"


Interview
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Bayer-Torjäger Volland
"Wir sollten häufiger über Ängste reden"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

22.01.2020Lesedauer: 6 Min.
Kevin Volland: Der Stürmer hat bereits 238 Bundesliga-Spiele auf dem Konto.Vergrößern des Bildes
Kevin Volland: Der Stürmer hat bereits 238 Bundesliga-Spiele auf dem Konto. (Quelle: Chai v. d. Laage/imago-images-bilder)
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In der Öffentlichkeit ist der Fußball nahezu perfekt. Ecken und Kanten gibt es nur selten. Dabei ist das eigentlich nur eine Scheinwelt. Denn auch Fußballer haben tiefe Ängste, über die nur kaum jemand redet.

Wer auf Kevin Volland trifft, lernt einen höflichen und gut gelaunten Mann kennen. Er wirkt nicht abgehoben und nimmt seinen Gegenüber ernst. Genau diese Bodenständigkeit ist es, die seine Mitspieler, aber auch die Fans an ihm schätzen. Der 27-Jährige aus dem Allgäu hat längst die Sympathien der Bayer-Anhänger auf seiner Seite.

Dafür sorgen auch sein Humor und seine lockere Art. Auch während des Interviews mit t-online.de macht Volland Scherze über Teamkollegen und fängt spontan an, von Kapitän Lars Bender zu schwärmen, der plötzlich neben ihm steht. Doch auch wenn er ein positiver Mensch ist, hat er immer wieder Momente, in denen ihm nicht zum Lachen zumute ist. Im Gespräch gibt er Einblick in sein neues Ich als Familienvater, die Zeit nach dem Sport und Druck im Fußballgeschäft.

t-online.de: Herr Volland, Ihre Tochter wird im März zwei Jahre alt. Wie war diese Zeit seit der Geburt?

Kevin Volland (27): Sehr intensiv und schön. Ein Kind zu haben, ist das Schönste auf der Welt. Ich komme nach dem Spiel nach Hause und es ist ihr völlig egal, ob wir gewonnen oder verloren haben. Sie freut sich einfach, mich zu sehen. Inzwischen fängt sie mit dem Reden an und wir können uns langsam mit Worten verständigen und nicht nur mit Zeichen (lacht).

Wie hat sich Ihr Blick auf den Fußball seitdem verändert?

Mir war schon immer bewusst, dass Familie für mich wichtiger ist als der Fußball. Meine Tochter hat mir das noch einmal verdeutlicht. Ich habe eine große Verantwortung ihr gegenüber. Dadurch bin ich noch mal ein großes Stück gereift. Meine Frau hat wirklich tolle Arbeit geleistet und sich intensiv gekümmert, wenn ich wegen des Fußballs weg war. Davor ziehe ich meinen Hut.

Ist Ihr Blick auf die Welt auch anders? Gerade im Hinblick auf die Klimakrise, die die Zukunft Ihrer Tochter maßgeblich beeinflusst.

Logisch. Ich bin ein Typ, der sofort guckt, was ich wie beeinflussen kann. Meine Frau und ich leisten unseren Beitrag. Das fängt beispielsweise bei der Mülltrennung an. Aber solch große Themen kann eine Familie allein nicht lösen. Hier ist vor allem die Politik gefordert. Aber man sollte immer bei sich selbst beginnen. Mir ist es daher wichtig, meiner Tochter die Werte zu vermitteln, die ich von meinen Eltern vermittelt bekommen habe.

Welche sind das?

Bodenständigkeit, Höflichkeit, Verantwortungsgefühl, Großzügigkeit. Sie soll "Bitte" und "Danke" sagen, Dinge mit anderen Leuten teilen. Sie soll ein schönes Leben haben, sich aber auch bewusst sein, dass nicht alles selbstverständlich ist, was sie hat. Wir haben nun einmal als Familie etwas mehr Geld, aber das heißt nicht, dass wir ihr alles kaufen. Sie soll sich vieles selbst verdienen. Das haben mir meine Eltern auch gut beigebracht. Ich bin auch nicht von heute auf morgen Fußballprofi geworden, musste Disziplin an den Tag legen und auf viele Dinge verzichten, die meine Kumpels alle genießen konnten.

Glauben Sie, es wird schwer, ihr das zu vermitteln, wenn sie begreift, dass ihre Eltern wohlhabend sind?

Wenn sie mal in den Kindergarten oder in die Schule kommt, wird sie sich anpassen müssen. Wir werden ihr nicht irgendwelche teuren Designerklamotten anziehen, sondern sie normal einkleiden. Meine Frau und ich sind sehr bodenständig aufgewachsen. Klar, wir gönnen uns auch mal kostspielige Sachen oder machen einen schönen Urlaub. Aber das müssen wir nicht der ganzen Welt zeigen. Genau das wird sie auch lernen. Es ist wichtig, wie man mit anderen Menschen umgeht und wie man sich verhält. Auch ich werde mich umstellen müssen, wenn meine Karriere als Fußballprofi irgendwann vorbei ist.

Machen Sie sich viele Gedanken um das, was danach kommt?

Wir wollen als Familie wieder ins Allgäu ziehen. Dort fühle ich mich am wohlsten. Ich muss nicht ständig nach Ibiza fliegen und dort tolle Partys feiern. Das ist mal auch schön, aber es macht mich nicht langfristig glücklich. Ich will lieber mit meinen Freunden oder meiner Familie zum Badesee radeln und dort einen schönen Tag verbringen.

Wissen Sie aber, was Sie dann beruflich machen wollen?

Ich rede ab und zu mit meinem Vater und meinem Bruder darüber. Wir haben ab und zu einen Geistesblitz. Dann entsteht eine Geschäftsidee, mit der wir uns selbstständig machen könnten. Aber wir müssen auch Ahnung von der Branche haben. Wir werden beispielsweise nicht einfach ein Bauunternehmen gründen, weil wir denken, damit kann man das große Geld machen.

Sondern?

Vielleicht eine Fußballschule, das würde mir Spaß machen. Vielleicht auch etwas in der Gastronomie (lacht). Ich liebäugle mit einem kleinen Café, wo ich selbst Barista bin, oder von einer Weinboutique, wo ich gute Weine anbieten kann. Mal sehen, was die Zeit bringt. Ins Büro will ich mich aber eher nicht setzen.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie seit der Geburt Ihrer Tochter ein Stück weit gereift sind. Trifft das auch auf Ihre Rolle in der Mannschaft zu? Sie laufen schließlich häufiger mit der Binde am Arm auf.

Prinzipiell bin ich der Gleiche geblieben. Ich bin ein Spaßvogel, habe ein bisschen den Schalk im Nacken. Das brauche ich auch. Aber natürlich übernehme ich mehr Verantwortung. Ich zähle zum Kreis der "Älteren" im Team. Wenn es hart auf hart kommt, sind wir in der Pflicht.

Wie viel Einfluss üben Sie auf die jüngeren Spieler aus?

Ich rede nie den Jungs in ihr Privatleben rein. Da muss jeder wissen, was für ihn richtig ist. Manch einer braucht das Bling-Bling und teure Autos, andere sind da etwas ruhiger. Da kann jeder machen, was er will. Wichtig ist, dass die Leistung und der Einsatz stimmen. Aber wenn ein 18-Jähriger mir eine Frage stellt, stehe ich immer für eine ehrliche Antwort zur Verfügung.

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Geht es dabei gerade bei jüngeren Spielern auch um Ängste?

Ängste frisst im Fußball heutzutage jeder in sich selbst rein. Das ist nicht gut. Klar, man verspürt einen hohen Leistungsdruck, der ist nicht zu unterschätzen. Jeder Profi hat es ja auch geschafft, eine lange Zeit damit erfolgreich umzugehen. Ansonsten wären wir nicht Profis geworden. Aber wir sollten häufiger über Ängste reden, wenn es uns zu viel wird. Keiner darf den Spaß am Fußball verlieren.

Sie sagen, man müsste häufiger über Ängste und deren Auswirkungen reden. Per Mertesacker hat das sehr prominent getan.

Der Druck vor den Spielen ist schon groß. Du fährst in kein Stadion und hast den Sieg sicher, auch wenn viele von außen vielleicht erwarten, dass man zum Beispiel bei einem Aufsteiger 4:0 gewinnt. Das ist in meinen Augen aber ein positiver Leistungsdruck, den du zum Teil auch brauchst, um besser zu spielen. In schlechten Phasen kommt jedoch ein anderer Druck, auch von außen. Wenn wir zwei, drei Wochen schlecht spielen, geht das an keinem spurlos vorbei. Das kannst du nicht allein auffangen, dafür brauchst du das Team. Und das machen wir hier in Leverkusen sehr gut, finde ich.

Gehen Sie inzwischen mit mehr Erfahrung leichter mit dem Druck um?

Ich habe es in jungen Jahren anders wahrgenommen, weil ich nicht das Gefühl hatte, viel verlieren zu können. Wenn es schlecht lief, wurden eher die Älteren mit der Kritik konfrontiert. Jetzt bin ich einer dieser Älteren und stehe mehr in der Pflicht. Der Druck ist also gestiegen und dementsprechend ist es auch schwerer für mich. Aber es ist auch richtig, die Kritik an die Führungsspieler zu richten. Ich finde es nicht gut, wenn dann die Jungen herhalten müssen. Deswegen übernehme ich das dann. Ich bin auch selbstkritisch. Wenn ich merke, dass ich eine schlechte Woche hatte und nicht genug Gas gegeben habe, dann ärgere ich mich.

Was hilft Ihnen, um das zu verarbeiten?

Meine Tochter.

Inwiefern?

Wie ich zu Beginn meinte: Ihr ist es völlig wurscht, wie ich gespielt habe. Das hilft mir. Oft komme ich aber auch nach Haus und sie und meine Frau schlafen schon, dann spiele ich mit meinen Jungs online. Da kann ich gut abschalten. Genau wie im Kreis der Familie. Oft helfen aber auch englische Wochen, weil ich dann nicht viel Zeit habe, um über das letzte Spiel nachzudenken, weil das nächste schon wieder vor der Brust steht.

Würden Sie aber der These zustimmen, dass in der Gesellschaft insgesamt heutzutage mehr über psychische Probleme und Druck gesprochen wird?

Auf jeden Fall! Viele fressen es immer noch in sich rein, aber im Großen und Ganzen ist es besser geworden. Und wenn ich hier auf unsere Mannschaft in Leverkusen schaue, dann bin ich wirklich glücklich, dass wir eine gute Atmosphäre haben. Denn das ist wichtig, damit keiner zu sehr durchhängt. Und wenn das doch mal der Fall ist, dann bauen wir ihn auf. So sollte es auch sein.

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