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Freiburgs Kapitän Mike Frantz: "Es wurde verpasst, Grenzen zu setzen"


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Mike Frantz
Fußballgeschäft? "Es wurde verpasst, Grenzen zu setzen"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

19.10.2019Lesedauer: 6 Min.
Mike Frantz: Der Freiburger Kapitän verlängerte jüngst seinen Vertrag bei den Breisgauern.Vergrößern des Bildes
Mike Frantz: Der Freiburger Kapitän verlängerte jüngst seinen Vertrag bei den Breisgauern. (Quelle: Sportfoto Rudel/imago-images-bilder)
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Mit dem SC Freiburg steht Mike Frantz derzeit auf Platz vier der Bundesligatabelle. Im Interview mit t-online.de spricht der Kapitän unter anderem über den aktuellen Höhenflug und Eigenverantwortung.

Sieben Spieltage sind in der Saison 2019/2020 bislang absolviert – und der SC Freiburg steht so gut da wie selten in seiner Bundesligahistorie. Mit 14 Punkten liegen die Breisgauer punktgleich mit Frankfurt, Leverkusen, Schalke, Leipzig und den Bayern auf Platz vier der Tabelle, der für die Champions League berechtigt.


"Für uns war immer klar, dass wir in der Regel mit zwei Dritteln der Liga nicht mithalten können", sagt der Freiburger Kapitän im Interview mit t-online.de. Dabei spricht der seit wenigen Tagen 33-Jährige auch über eine mögliche Zweiklassengesellschaft in der Liga, die Rolle von RB Leipzig und die Zukunft von Trainer Christian Streich. Außerdem erklärt Frantz, warum er glaubt, dass in der Gesellschaft grundsätzlich ein Umdenken stattfinden muss.

t-online.de: Herr Frantz, Hamburgs Trainer Dieter Hecking sagte kürzlich: "Was ein Lewandowski verdient, ist absolut berechtigt. Aber das Mittelmaß ist zu hoch bezahlt." Wie stehen Sie zu dieser Aussage?

Mike Frantz (33): Ich denke, ich weiß, was Dieter meint (Frantz spielte von 2009 bis 2012 unter Hecking in Nürnberg, Anm. d. Red.). Ein Spieler wie Lewandowski, der Extraklasse ist und 30 Tore pro Saison schießt, der hat es auch verdient, mehr zu verdienen als andere. Ich denke, Dieter Hecking ging es weniger um konkrete Beträge. Aber die Diskussion über angemessene Bezahlung geht ja ohnehin tiefer.

Was meinen Sie konkret?

Man kann auch in der Regionalliga ansetzen und sich fragen, ob es fair ist, dass ein Spieler dort mehr verdient als ein Top-Leichtathlet. Diese ganze Entwicklung im Fußball ist eben kaum aufzuhalten. Mir persönlich bringt es wenig, mich damit zu beschäftigen. Ich setze lieber bei Dingen an, die ich bewusst verändern kann.

Erleben Sie manchmal, dass Sie sich sagen: "Ich liebe den Fußball, aber ich hasse das Geschäft"?

Das wäre heuchlerisch, ich bin Teil des Geschäfts. Wissen Sie: Fußballvereine müssen heutzutage als Unternehmen angesehen werden. Und es ist so, dass in vielen Vereinen Leute arbeiten, die nie was mit Fußball zu tun hatten, die Ex-Chefs irgendwelcher Konzerne sind. Vereine sind richtige Wirtschaftsunternehmen geworden, die man mit dem, was sie vielleicht vor 20 Jahren waren, nicht vergleichen kann.

Vereine könnten sich noch stärker in diese Richtung entwickeln.

Es wurde verpasst, Grenzen zu setzen. Und es wird auch nicht mehr in die andere Richtung gehen. Da ist der Fußball Spiegelbild unserer Gesellschaft, viele Dinge liegen im Argen. Eigentlich gibt es klare Regeln und Statuten, aber wer möchte, der findet Wege, diese zu umgehen.

Welchen gesellschaftlichen Bereich meinen Sie?

Nehmen Sie nur als Beispiel die Automobilbranche, in der nachweislich mit Tricks gearbeitet wurde. Aber ich würde mich da gar nicht auf eine Sache festlegen, von wegen: Das hier ist das große Problem.

Grundsätzlich sage ich: Es muss ein Umdenken stattfinden bei den Menschen. Es ist nicht damit getan, dass Kinder auf die Straße gehen und demonstrieren, um zu zeigen, dass unser Planet kaputt geht.

Wen sehen Sie da in der Verantwortung? t-online.de-Kolumnist Benedikt Höwedes forderte jüngst, dass auch bei Fußballern ein Umdenken hermüsse.

In erster Linie geht es darum, dass jeder Mensch bei sich selbst anfängt. Ich nehme mir nicht raus, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich habe mich immer gefragt: "Was kann ich selbst tun? Jeder sollte sich hinterfragen, damit wäre man schon 'mal auf einem guten Weg. Es fängt im Kleinen an. Wenn ich mir Fleisch kaufe, hole ich es beim Discounter oder beim Bauer?"

Sie klingen fast wie ihr Trainer Christian Streich. Glauben Sie eigentlich, dass sich solche Werte auch bei einem größeren Verein ausleben ließen – bei den Bayern beispielweise?

Christian Streich ist jemand, der sich wohlfühlen muss und in Freiburg ausleben darf.

Aber würde sich jemand wie Christian Streich beim FC Bayern wohlfühlen?

Grundsätzlich kann ich mir bei ihm alles vorstellen, aber ob es der FC Bayern sein muss, weiß ich nicht. Das Verhältnis Streich Freiburg ist eine Liebesbeziehung, die sich über 20 Jahre gefestigt hat.

Auch da geht es nicht nur um Sport, sondern auch um Wertschätzung. Aber vielleicht wird er an den Punkt kommen, dass er sich sagt: "Ich will etwas Neues, etwas Anderes machen".

Kommen wir auf die aktuelle sportliche Situation zu sprechen. Freiburg ist derzeit Vierter in der Tabelle. Erinnern Sie sich eigentlich an den 18. Mai 2013?

Das muss der Tag gewesen sein, als der SC Freiburg die Chance hatte, sich für die Champions League zu qualifizieren.

Richtig, Freiburg spielte am letzten Spieltag der Saison 2012/2013 gegen den FC Schalke, verlor mit 1:2. Sie waren damals noch Spieler in Nürnberg. Warum wissen Sie das überhaupt?

Weil ich mich mit Fußball beschäftige (lacht). Es war damals schon für Außenstehende eine Überraschung, dass der SC Freiburg die Chance auf die Königsklasse hatte. Das ging auch bis nach Nürnberg.

Damals standen unter anderem Oliver Baumann, Matthias Ginter und Max Kruse in der Startelf. Auch diese Saison ragen Spieler wie Alexander Schwolow, Christian Günter oder Luca Waldschmidt heraus. Was können Sie tun, dass diese Spieler nicht den Verein verlassen?

Ich denke, die Situation jetzt ist ein wenig anders als damals. Günter und Schwolow sind schon Mitte 20, haben ihre Verträge langfristig verlängert und sind sehr in Freiburg verwurzelt – das war damals nicht ganz so.

Bei Luca wissen wir, dass er mit Sicherheit nicht seine ganze Karriere in Freiburg spielen wird. Trotzdem ist er diesen Sommer geblieben, was auch nicht selbstverständlich ist.

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Und, bleibt er über den Sommer hinaus?

Ich finde es zu weit in die Zukunft gedacht, was wir bei etwaigen Abgängen tun könnten. Freiburg gibt Spielern immer die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Da gibt es mit Sicherheit schlechtere Adressen.

Auch wenn Freiburg immer die besten Spieler abgeben muss, liegt der Sportclub, was den Marktwert angeht, in der Liga immerhin auf Rang 14. Mit dem Abstieg sollten Sie nichts zu tun haben.

Der gute Start war auf alle Fälle notwendig. Wir wussten um unser Auftaktprogramm und es war klar, dass wir die Teams, gegen die wir bislang gespielt haben, hinter uns lassen wollten. Wir sind total im Soll, auch wenn wir gegen Köln oder Augsburg hätten gewinnen können.

Die finanziellen Möglichkeiten der Ligateams gehen auseinander. Der Marktwert von Bayer Leverkusen zum Beispiel ist etwa drei Mal so hoch wie der vom SC Freiburg. Ist ein finanzielles Auseinanderdriften der Liga zu verhindern?

Grundsätzlich ist es so, dass sich die Teams oben ihren Platz auch verdient haben, da hat niemand etwas geschenkt bekommen. Für uns war immer klar, dass wir in der Regel mit zwei Drittel der Liga nicht mithalten können.

Wenn dann aber auf einmal Teams wie Leipzig aus dem Nichts kommen, ist ein Platz weniger da …

In Leipzig sind Dinge zusammengekommen, die in dieser Art gar nicht so häufig vorkommen. Sie haben viele entwicklungsfähige Spieler geholt und diese auf ein Top-Niveau gebracht.

Das größte Plus war aber, dass sie diese Spieler dann eben nicht abgeben mussten. Ralf Rangnick hat da herausragende Arbeit geleistet. Ich finde, die Kombination Geld plus Fußballsachverstand muss man anerkennen.

Sie selbst sind gerade 33 geworden – ein paar Jahre könnten Sie also noch Fußball spielen. Denken Sie schon an das Karriereende oder ist das zu weit weg?

Natürlich mache ich mir Gedanken, was nach der Karriere kommen könnte - aber die mache ich mir schon seit drei, vier Jahren.

Was schwebt Ihnen vor?

Wir erwarten Nachwuchs, da wird sich das Leben auch nochmal verändern. Ich habe es immer so gehandhabt, dass ich in alle Richtungen offen war. Mein Weg ist nie geradeaus verlaufen und ich bin in erster Linie dankbar, dass ich noch Fußball spiele und bisher von komplexen Verletzungen verschont geblieben bin.

Was nach der Karriere kommt? Es kann in Richtung Trainerjob oder ins Management gehen. Es kann aber auch sein, dass ich dann nach knapp 25 Jahren Fußball sage: Ich würde gerne etwas komplett anderes machen.

Zum Beispiel?

Das Thema Ernährung war für mich immer ein großes. In den letzten Jahren gab und gibt es immer mehr verschiedene Restaurants, die ihr Augenmerk auf die Gesundheit legen. Da könnte ich mir vorstellen, den Fokus drauf zu setzen und die Leute zu leiten.


Sport und Gesundheit lässt sich ja gut kombinieren.

Genau. Ich war ohnehin immer jemand, der gerne unter Stress steht. Hauptsache, ich kann mich zu 100 Prozent damit identifizieren, was ich tue. Und da wird es das ein oder andere geben. Lassen Sie sich einfach überraschen.

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