Fritz von Thurn und Taxis Kampf um TV-Rechte: "Die Entwicklung geht am Zuschauer vorbei"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fritz von Thurn und Taxis ist unter den Fußballfans der Bundesliga Kult – und ein langjähriger Begleiter des FC Bayern. Im Interview mit t-online.de spricht er über Ausbrüche von Uli Hoeneß und explodierende TV-Gelder.
Twitter macht es einfach. Eine Meinung mit einem griffigen Hashtag versehen, schon kann jeder Nutzer in Social Media einen Trend einleiten oder stärken. Geht es um den Fußball, darum, wie dieser durch einen Kommentator abgebildet wird, hat sich in der Twitter-Community längst der Hashtag #FRITZLOVE durchgesetzt.
Fritz von Thurn und Taxis macht sich Sorgen
Es ist eine Hommage an jenen mittlerweile 69-jährigen Sportreporter, der schon aus den Fußballstadien berichtete, als an den Kiosken die Bratwurst noch mit Münzgeld bezahlt wurde, VIP-Lounges im Wortschatz nicht existierten und wahrscheinlich jedes Kind wusste: Samstagabend ist "Sportschau".
Seither hat sich im Profifußball viel getan, auch in der Bundesliga. Was der Sportjournalist, mittlerweile im Ruhestand, davon hält? Ein Interview über Knatsch mit Uli Hoeneß und dem FC Bayern, Fußball als Konsumprodukt und überforderte Zuschauer.
t-online.de: Herr von Thurn und Taxis, es gibt auf Twitter den Hashtag #FRITZLOVE, weil sich offenbar viele Fußballfans Ihre Rückkehr wünschen.
Fritz von Thurn und Taxis: Ich habe meinen Abschied bewusst gewählt. Nach fast 50 Jahren am Mikrofon und vor der Kamera muss auch mal Schluss sein. Entzugserscheinungen gab es Gott sei Dank keine. Von DAZN habe ich mich allerdings nochmal als Co-Kommentator locken lassen (zum Bundesliga-Auftakt in München, Anm. d. Red.). Und das hat auch Spaß gemacht.
Kein Wunder, in Fußball-Deutschland ist derzeit viel geboten. Sie haben den FC Bayern jahrzehntelang begleitet, kennen Uli Hoeneß bestens. Der Präsident der Münchner hat ordentlich ausgeteilt, gegen Marc-André ter Stegen wegen der Debatte um die deutsche Nummer eins und gegen den DFB.
Uli wollte noch mal auf seine Art klarmachen: Ohne Bayern geht in Deutschland nichts. Die Torwartdiskussion kam ihm da gerade recht. Aber seine Statements waren unglücklich gewählt. Karl-Heinz Rummenigge hat sich ja auch geäußert, aber nicht so temperamentvoll. Mit dem DFB haben sich die Bayern schon immer gezofft. Dass sich Spieler bei der Nationalmannschaft verletzen können, war zum Beispiel immer ein Reizthema. Ich kenne Uli seit 1971, es gab immer wieder solche Ausbrüche. Da kommt der Vulkan in ihm hoch, da fließt die Lava glühend dahin. Wenn der FC Bayern angegriffen wird, verteidigt er den Verein wie ein Muttertier seine Kleinen, mit Zähnen und Klauen, allerdings eben auch mit wüsten Statements.
Jetzt muss Hoeneß sich die Kritik gefallen lassen, dass er das Fußballgeschäft angeblich nicht mehr so versteht wie früher. Und auch deshalb über das Ziel hinausschießt.
Dass er mit bestimmten Entwicklungen seine Probleme hat, hat er schon öfter erwähnt. Vielleicht war für ihn deshalb jetzt der Zeitpunkt gekommen, um sich aus der ersten Reihe zu verabschieden. Als er als Manager beim FC Bayern begonnen hat (1979, Anm. d. Red.), wussten wir noch nicht einmal, wie Merchandising buchstabiert wird. Damals hat er sich zum Beispiel angeschaut, wie in Amerika gearbeitet wird, und die Basis dafür gelegt, um die Bayern zu einem Weltverein zu machen. Es gab seinerzeit aber natürlich noch kein Privatfernsehen und schon gar keine Smartphones. Die Generation von damals hat ihre Probleme mit der neuen digitalen Welt.
Streaming-Dienste, Extra-Abos für bestimmte Ligen, Wettstreit der Sender um TV-Rechte – bei der Zerstückelung der TV-Vermarktung ist es mittlerweile für den Fan schwierig, noch mitzukommen, oder?
Als Premiere 1999 begann, alle Spiele zu übertragen, habe ich gedacht, dass wir den Fußball totsenden werden. Dass es irgendwann zu viel Fußball gibt und wir den Zuschauer überfordern. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es wurde alles übertragen, die Stadien in Deutschland waren trotzdem immer voll. Die Begeisterung für die neuen und modernen Arenen und die Bundesliga war ungebrochen, sodass weltweit der beste Zuschauerschnitt erreicht wurde, auch animiert durch die tollen TV-Produktionen. Damals habe ich mich getäuscht. Aber heute kann selbst ich mich als Insider nicht mehr richtig orientieren, wo welches Spiel am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Freitag läuft. Diese Entwicklung gefällt mir nicht und geht am Zuschauer vorbei.
Angeblich wird nun die EM 2024, die in Deutschland stattfindet, nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen.
Früher gab es die "Sportschau" und das "Aktuelle Sportstudio", fertig. Da kann ich den Unmut der Fans natürlich verstehen. Aber: Alle wollen etwas von dem großen Fußball-Kuchen abhaben, jeder TV-Sender, jedes Medienunternehmen möchte ein Stückerl haben. Das treibt die Preise nach oben. Dabei sind die TV-Rechte ohnehin schon wahnsinnig teuer. Ich glaube, dass kaum ein TV-Sender mit Fußball noch Gewinn machen kann. Es geht hauptsächlich um das Image.
Wie meinen Sie das?
Die Rechte sind so teuer, dass man sie eigentlich gar nicht refinanzieren kann. Deshalb wird versucht, so viel Geld wie möglich damit zu verdienen, indem die Medienunternehmen im Fußball auf Abos setzen. Ich glaube, dass diese Fußball-Blase irgendwann platzen wird. Die Frage ist ja immer, wo dieses Geld hingeht. Heutzutage landet es hauptsächlich bei den Spielern und deren Beratern. Aber auch das ist nicht gesund für den Fußball, und auch nicht für die Spieler.
Bayern-Boss Rummenigge hat unlängst öffentlich gefragt, wohin das noch führen solle.
Seit Jahren sprechen wir darüber. Dann kommt noch die Nationalmannschaft dazu und die Belastung der Spieler. Diese ist tatsächlich zu groß. Aber Fußball ist der Weltsport Nummer eins und jeder möchte dabei sein und damit Geld verdienen. Ich weiß nicht, wie man aus diesem Kreis herauskommen kann. Seit Jahren wird darüber gesprochen, dass die Spieler entlastet werden sollen. Passiert ist aber gar nichts, im Gegenteil, es werden immer mehr Spiele.
Topspiele sollten von Topkommentatoren begleitet werden. Welche Ratschläge haben Sie an Ihre Nachfolge-Generation?
Wir haben insgesamt sehr viel Qualität unter den Kommentatoren. Neben den Basics, die man als Kommentator sowieso braucht, muss sich am Mikrofon eine gewisse Persönlichkeit und eine besondere Sprache entwickeln. Die Leute müssen wissen, wer da gerade spricht. Der Fußball-Kommentar an sich ist schwieriger, als man es sich vielleicht vorstellt. Der eine Kommentator ist temperamentvoller, der andere spricht zu wenig, der nächste gebraucht zu viele Metaphern. Es braucht eine gute Analyse, das Gefühl dafür, Bilder entstehen zu lassen. Ein Kommentator ergibt ein Gesamtbild. Für den Zuschauer wird es aber immer Geschmackssache bleiben.
Zur Person: Fritz von Thurn und Taxis, Jahrgang 1950, moderierte früher die Sendung "Blickpunkt Sport" im BR (in München) sowie die "Sportschau" in der ARD. Anfang der 1990er-Jahre wechselte der Österreicher als Chefkommentator zum Pay-TV-Sender Premiere, später Sky. 2017 kommentierte der gebürtige Linzer als letztes Spiel das DFB-Pokal-Finale zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund, ehe er diese Saison noch mal als Co-Kommentator beim Bundesliga-Auftakt für DAZN zurückkehrte. Bei Social Media erfährt der Hashtag #fritzlove viel Zuspruch, über den sich Fußballfans landesweit eine Rückkehr des Kult-Kommentators wünschen.