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Effenberg zu Fall Franck Ribéry: Wir haben andere Probleme in Deutschland


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Der Fall Ribéry
Geldstrafe ist richtig, Bayern macht trotzdem einen Fehler

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 08.01.2019Lesedauer: 5 Min.
Franck Ribéry steht nach seinen wüsten Verbal-Attacken massiv in der Kritik. Stefan Effenberg nimmt ihn in Schutz und sagt: "Er hat das Herz am rechten Fleck."Vergrößern des Bildes
Franck Ribéry steht nach seinen wüsten Verbal-Attacken massiv in der Kritik. Stefan Effenberg nimmt ihn in Schutz und sagt: "Er hat das Herz am rechten Fleck." (Quelle: imago-images-bilder)

Warum das Strafmaß für den Franzosen richtig ist, der Verein trotzdem Fehler gemacht hat – und was Marco Reus damit zu tun hat.

Der FC Bayern hat Franck Ribéry nach seiner Abrechnung mit Kritikern bei Instagram für seine Wortwahl mit einer hohen Geldstrafe belegt, die wahrscheinlich im sechsstelligen Bereich liegen wird. Seitdem wird diskutiert: Hätte der Verein ihn sogar rauswerfen müssen, wie viele Medien es forderten (auch t-online.de)? Ich sage: Nein. Das Strafmaß ist angemessen.

Transparenz wäre hier der wichtigste Punkt

Es ist sogar genau richtig. Das Problem ist, dass niemand kommuniziert, wie hoch diese Geldstrafe wirklich ist – und wohin das Geld geht. An den FC Bayern oder an einen gemeinnützigen Zweck? Wenn das im Verborgenen bleibt, ist es kein Wunder, dass weiter diskutiert wird. Transparenz wäre hier der wichtigste Punkt.

Ich möchte das klar und deutlich sagen: Die Wortwahl von Ribéry war eine Katastrophe. Da gibt es keine zwei Meinungen.

Der Fall hat zwei Aspekte

ABER: Der Verein darf das Sportliche nicht außen vor lassen. Ribéry ist enorm wichtig, das haben die Spiele vor der Winterpause gezeigt. Das Spiel bei Eintracht Frankfurt war womöglich das Wichtigste der Hinrunde. Ribéry hat es mit einem Doppelpack entschieden. Es spricht nicht unbedingt für den Verein, dass ein bald 36-Jähriger noch eine so tragende Rolle spielt – aber es spricht für Ribéry.

Wir müssen den Fall in zwei Aspekte gliedern.

Aspekt 1: Die Neid-Debatte um das goldene Steak. Dieses Steak zu essen, war dekadent – keine Frage. Ribéry hätte wissen müssen, dass das für Schlagzeilen und Diskussionen sorgt. Zumal das Steak wahrscheinlich hinter verschlossenen Türen nicht schlechter geschmeckt hätte.

Umfragen zum Steak? Das ist pervers

Trotzdem ist es so, dass Ribéry mehr als ein Jahrzehnt seine Knochen hingehalten und überragende Leistungen erbracht hat. Damit hat er sein Geld verdient – und damit kann er machen, was er möchte. Er kann einen Hubschrauber kaufen, mehrere Autos – oder auch ein goldenes Steak. Dass wir dann Umfragen starten, ob es okay ist, so ein Steak zu essen – das ist in meinen Augen pervers.

Viel schlimmer ist doch, welche Steuergelder in Deutschland zum Teil verbrannt werden. Wenn Politiker Feste feiern oder der Bundespräsident einlädt, dann wird da aufgefahren mit Champagner und Wein, die Straßen werden gesperrt. Da habe ich viel mehr Probleme mit.

Wir haben andere Probleme in Deutschland

Oder bei den Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Sender. ARD und ZDF geben Millionen aus für zu teure TV-Formate, Gagen oder Veranstaltungen wie ein Weihnachtsessen. Das ist unser Geld. Da wird mir teilweise schlecht – nicht, wenn Ribéry dekadent speist.

Wir haben in Deutschland andere Probleme als ein goldenes Steak – und auch der FC Bayern hat andere Probleme.

Aspekt 2: Die falsche und schlimme Wortwahl von Ribéry.

Soziale Medien sind ein Riesenproblem

Er ist ein Vulkan. Er ist leicht zu provozieren – aber das wissen wir doch längst. Das ist Ribéry. Er war mit 20 Jahren nicht anders als heute und er wird es in fünf oder zehn Jahren vermutlich nicht sein. Er ist ein total emotionaler Mensch, aber das ist sein Naturell.

Wir dürfen auch nicht den Fehler machen und vergessen, dass er und seine Familie massiv beleidigt worden sind. Das ging überhaupt gar nicht. Die sozialen Medien sind ein Riesenproblem, weil die Leute nicht rauskommen aus ihrer Deckung, sondern anonym posten.

Es ist schwierig, nicht zu reagieren

Dabei reichen die Beleidigungen im Stadion schon aus. Wer jetzt seine Suspendierung oder seinen Rauswurf fordert, hat nie selbst professionell Fußball gespielt. Der ist nie ins Stadion eingelaufen auf Schalke, in Dortmund oder Köln und wurde permanent beschimpft. Oliver Kahn oder auch mir ist das zu Genüge passiert. Wer wichtig ist für einen großen Verein, steht im Fokus – insbesondere bei den gegnerischen Fans. Bei einem Derby mit Gladbach in Köln haben früher 15.000 Menschen in der Kurve Gesänge gegen mich angestimmt, deren Wortlaut so übel war, dass ich ihn hier nicht wiederholen werde. Wir regen uns über Ribéry auf – aber warum haben die im Stadion das Recht dazu?

Ich weiß, wie schwierig es ist, nicht auf diese üblen Beleidigungen zu reagieren. Da musst du in dir ruhen und unfassbar stark sein. Ich habe das auch nicht immer geschafft.

Wendell ist ohne Führerschein vor der Polizei geflohen

Aber zurück zu Ribéry. Welche Möglichkeiten gibt es zur Bestrafung eines Spielers? Eine Geldstrafe ist die gängigste, dann gibt es eine Suspendierung oder einen kompletten Rauswurf. Die Vereine müssen das jeweils für sich bewerten, entscheiden und dann dazu stehen. Da ist der FC Bayern nicht der einzige Verein.

Ich möchte an dieser Stelle gern an einen Fall aus 2015 erinnern. Leverkusens Wendell ist nachts ohne Führerschein gefahren und dann noch vor der Polizei geflohen. Wendell wurde zwar vom Gericht zu rund 50.000 Euro Strafe verurteilt – der Verein zog aber keine Konsequenzen. Sportdirektor Rudi Völler tat es als "naiv" ab.

Es gibt ein Muster bei der Bestrafung

Oder nehmen wir Marco Reus in Dortmund. Der ist jahrelang ohne gültigen Führerschein gefahren, anschließend wurde ihm ein Strafbefehl über 540.000 Euro zugestellt. Der Verein verkündete: "Er hat versprochen, dass so etwas nicht wieder vorkommt." Für Dortmund war das Thema damit vom Tisch. Heute ist Reus der große Star des deutschen Fußballs.

Das Muster ist klar: Wenn ein Spieler für einen Skandal sorgt, der entweder ohnehin tendenziell weg möchte oder keine Leistung bringt, werden da immer andere Entscheidungen getroffen als bei einem Spieler, der so eine Wichtigkeit hat wie Reus in Dortmund oder Ribéry in München.

Natürlich ist das ein Widerspruch

Wenn Ribéry eine richtig schlechte Hinrunde gespielt hätte, oft ausgefallen und unzufrieden gewesen wäre, wäre die Entscheidung womöglich anders ausgefallen. So aber war die Gefahr zu groß, dass das sportlich in der Rückrunde nicht gut geht.

Es ist auch nicht Ribérys Problem, dass der FC Bayern sich bei der Pressekonferenz vor einigen Wochen zur Moralinstanz aufgeschwungen hat. Rummenigge sagte, die Würde des Menschen sei unantastbar. Natürlich ist das dann ein Widerspruch, wenn Ribéry "nur" eine Geldstrafe für diese Äußerungen bekommt. Wenn diese Werte über allem stehen würden, hätte die Strafe anders ausfallen müssen. Sie konnten natürlich nicht ahnen, dass wenige Wochen später dieser Fall aufkommt. Aber Rummenigge und Hoeneß müssen das erklären. Nicht Ribéry. Und nicht ich. Am Ende ist es eben so, dass das Sportliche über allem steht.

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Und die Geldstrafe ist nicht nichts.

Geldstrafe? Ich weiß es aus eigener Erfahrung

Die Hüter der Moral können zwar wieder sagen: "Die Geldstrafe tut ihm gar nicht weh bei seinem Gehalt – und wahrscheinlich muss er sie nicht mal zahlen." Ich weiß aber aus eigener Erfahrung: Du musst sie zahlen. Sie wird vom Gehalt abgezogen. Wenn das bei Mario Basler oder anderen Spielern mal anders war, dann haben sie Glück gehabt.

Dass du nie zu hundert Prozent gerecht sein kannst, ist auch klar – aber in der Regel sind diese Strafen schon in Ordnung und gerechtfertigt.

Ribéry hat das Herz am rechten Fleck

Ich bin natürlich gespannt, wie es für Ribéry weitergeht. Ich denke, dass nach der Saison Schluss ist beim FC Bayern. Das deutete sich ohnehin an – die Beleidigungen werden zumindest nicht geholfen haben beim Versuch, einen neuen Vertrag zu bekommen.


Ich persönlich kenne Ribéry und bin mir sicher: Das ist ein guter Mensch, der sich für benachteiligte Kinder einsetzt, regelmäßig spendet und das Herz am rechten Fleck hat. Das rechtfertigt nicht seine Wortwahl – aber es zeigt, dass ein Rauswurf eine falsche Entscheidung gewesen wäre.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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