Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Sperre für Freiburg-Coach? "Scheinheilig! Man muss die Liga vor Streich schützen"
Er polarisiert wie kaum ein anderer in der Bundesliga: Freiburg-Trainer Christian Streich. Am Wochenende ist der Mann mit den zwei Gesichtern mal wieder ausgerastet. Müsste er gesperrt werden?
An dieser Stelle kommentieren wöchentlich Florian Wichert (Head of Fußball und Sport bei t-online.de) und Heiko Ostendorp (Fußballchef beim Sportbuzzer) aktuelle Fußball-Themen. Diese Woche geht es um das Verhalten von Freiburgs Trainer Christian Streich bei der Niederlage gegen Schalke (0:2).
Assistenten müssen Streich zurückhalten
Die "Welt" nannte Freiburg-Trainer Christian Streich mal das "gute Gewissen der Liga". Bei Pressekonferenzen setzt er sich schon mal kritisch mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, mit der AfD oder mit der allgemeinen Entwicklung im Fußball auseinander. Vom "Kicker" wurde er 2017 zum "Mann des Jahres" gekürt.
Am Wochenende rastete er dagegen wieder aus. Im Fokus: Schiedsrichter Tobias Stieler. Der zeigte Freiburgs Petersen die Gelb-Rote Karte. Streich forderte wild gestikulierend eine Rücknahme, weil Petersen die Gelbe Karte kurz zuvor nicht mitbekommen habe. Streich entglitten die Gesichtszüge, er musste von seinen Assistenten zurückgehalten werden.
Der Streit hat eine Vorgeschichte: Beim 0:3 am 29. Oktober in Stuttgart hatte Stieler Abwehrspieler Caglar Söyüncü nach Videobeweis schon in der zwölften Minute wegen eines Handspiels vom Platz gestellt und nachher zugegeben, dass Gelb wohl gereicht hätte. Streich: "Ich dachte, es wäre erledigt. Aber es hat sich heute fortgesetzt."
Gehört Freiburg-Trainer Christian Streich für seinen Ausraster beim 0:2 beim FC Schalke gesperrt?
Ja, weil man die Liga vor ihm schützen muss
Christian Streich gibt sich gerne als bescheidener Weltverbesserer, der über den Tellerrand hinaus schaut und dem die rauen Gesetze des harten Fußball-Geschäfts nichts anhaben. Streich, das Gewissen der Liga, schrieb einst die "Welt". Das kann man sympathisch finden. Muss man aber nicht. Denn offensichtlich ist das vor allem eines: scheinheilig.
Am Spieltag zeigt Streich sein wahres Gesicht. Er beschimpfte Hoffenheimer als "Schweine", drohte Tuchel mit der Faust, legt sich regelmäßig mit Kollegen und Schiedsrichtern an und tobt an der Seitenlinie herum wie ein Irrer. Sein Ausraster am Samstag war nur ein neuer Tiefpunkt: Nicht nur, dass er im Unrecht war. Streich schien gar nicht mehr Herr seiner Sinne, als ihm die Gesichtszüge entglitten. Weggetreten. Noch schlimmer als einst Klopp.
Seine Reaktion? "Ich habe nicht überreagiert. Ich habe ein Schimpfwort benutzt." Aha. Dafür sollte Streich so lange wie möglich gesperrt werden – allein schon, um Schiedsrichter und Kollegen zu schützen.
Nein, weil eine Geldstrafe ausreicht
Um es klar zu sagen: Schimpfworte gehören auf keinen Fußballplatz dieser Welt – schon gar nicht von einem Vorbild, wie Christian Streich eines sein sollte. Nun eine wochenlange Sperre zu fordern, ist dennoch unangemessen. Seit Monaten wird über den unmenschlichen Druck im knallharten Fußball-Business diskutiert, und dann soll ein Trainer verbannt werden, weil er unter allerhöchster Anspannung mal Emotionen und Menschlichkeit zeigt?
Jürgen Klopp wurde (und wird) für seine authentische Art inklusive seiner Grimassen, denen die von Streich sehr nahe kamen, allerorts gefeiert. Auch Streich lässt sich nicht verbiegen – und schießt gelegentlich über das Ziel hinaus.
Dennoch tut er der mitunter aalglatten und weichgespülten Bundesliga gut. Typen wie ihn wünscht sich jeder Fußballfan; es gibt sie inzwischen schlicht zu wenig. Auch darum sollte man mal ein Auge zudrücken können.
Streich eine Geldstrafe für einen guten Zweck aufzubrummen, ist völlig ausreichend.
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