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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Rangnick-Absage Warum Tuchel trotzdem nicht Bayern-Trainer bleibt
Nach der Absage von Ralf Rangnick gehen dem FC Bayern langsam die Trainer-Kandidaten aus. Ein Verbleib von Thomas Tuchel kommt wohl trotzdem nicht infrage.
Drei Kandidaten, drei Absagen: Die Trainersuche des FC Bayern München droht zur ewigen Angelegenheit zu werden. Nach Leverkusen-Coach Xabi Alonso und Bundestrainer Julian Nagelsmann hat jetzt auch Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick den Bayern eine Absage erteilt.
Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund, die mit der Trainerfrage betraut sind, müssen also weitersuchen. Mögliche Kandidaten für eine Nachfolge des scheidenden Trainers Thomas Tuchel gibt es aber kaum noch. Warum also nicht doch Tuchel behalten? Immerhin führte er die Bayern trotz aller Widrigkeiten bis ins Champions-League-Halbfinale, hat nach einem 2:2 im Hinspiel gegen Real Madrid immer noch die Chance auf den Finaleinzug und den Titel.
Ein Verbleib Tuchels wäre darüber hinaus bei vielen Fans auch nicht unbeliebt. Schon als erste Berichte über eine Verpflichtung von Ralf Rangnick die Runde machten, wurde eine Petition gestartet, die eine Weiterbeschäftigung Tuchels forderte. Bislang sammelte die Petition über 18.500 Unterschriften (Stand: 2.5.2024). Dennoch erscheint ein solches Szenario aus folgenden Gründen unwahrscheinlich:
1. Alle Beteiligten stehen zur Trennung
Trotz der sportlich starken Leistungen in der Champions League und der Absage der anderen Kandidaten stehen sowohl die Bayern-Chefetage als auch Thomas Tuchel zu der Trennung im Sommer. Bereits nach der Absage von Julian Nagelsmann hatte Tuchel betont: "Ich habe eine Vereinbarung mit dem Verein, die ist kommuniziert und die steht." Selbst nach dem Start der Petition für seinen Verbleib blockte Tuchel das Thema ab.
Auch Sportvorstand Eberl, der zum Beschluss-Zeitpunkt der Trennung noch nicht im Verein war, betonte: "Die Entscheidung ist vorher gefällt worden. Ich glaube, sie haben sie auch gemeinschaftlich gefällt. Deswegen brauchen wir darüber nicht diskutieren."
2. Der Hoeneß-Streit hat Tuchel endgültig vergrault
Tuchels Situation beim FC Bayern war von Beginn an nicht einfach. So bekam er bereits im vergangenen Sommer Transferwünsche wie die "Holding Six" nicht erfüllt. In der Folge hatte er mit vielen Verletzungssorgen in dem zu dünn besetzten Kader zu kämpfen, musste phasenweise auf Nachwuchstalente wie Aleksandar Pavlović setzen, der anschließend durchstartete.
Dennoch machte Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß Tuchel kürzlich schwere Vorwürfe und behauptete, der Trainer entwickle junge Talente nicht weiter, verlange stattdessen neue Spieler einzukaufen. Tuchel reagierte pikiert ("absolut haltlos"), bezeichnete die Aussagen als "so weit an der Realität vorbei" und gab zu Protokoll, sich in seiner Trainerehre verletzt zu fühlen.
Der Streit zwischen Hoeneß und dem Trainer dominierte die Schlagzeilen tagelang – und das ausgerechnet vor dem wichtigen Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid. Sollte Tuchel insgeheim doch noch mit einem Bayern-Verbleib geliebäugelt haben, dürfte ihm Hoeneß endgültig jegliche Lust genommen haben.
3. Thomas Tuchel hat attraktive andere Optionen
Der Posten als Trainer beim FCB galt vor seiner Ankunft in München zwar immer als Tuchels Traumjob. Dennoch hat es der 50-Jährige nach all den Vorkommnissen in seiner Zeit an der Säbener Straße wohl nicht nötig, an dem Bayern-Job zu kleben.
Tuchel hat mit Chelsea die Champions League gewonnen und für Paris Saint-Germain die bis heute einzige Teilnahme an einem CL-Finale erreicht. An Angeboten vonseiten internationaler Topadressen wird es ihm auch nach der relativ erfolglosen Bayern-Zeit nicht mangeln.
Speziell in England genießt Tuchel hohe Anerkennung. Schon kurz nach der Bekanntgabe seines Abschieds aus München wurde über Interesse von Manchester United und Ex-Klub Chelsea spekuliert. Auch Tuchel fühlt sich in England wohl. Das dortige Modell vom "Manager", der nicht nur Trainer ist, sondern auch wesentlichen Einfluss auf Transfers hat, liegt ihm und ist genau das, was er bei Bayern vermisst hat.
Nicht umsonst erklärte er im Interview mit dem US-Sender ESPN: "Ich glaube, dass wir in Deutschland sehr kritisch miteinander umgehen – besonders mit Spielern und Trainern, nicht nur mit mir." Und weiter: "Ich habe mehr Wertschätzung in England gespürt, ja. Das ist ein Fakt." Einer von vielen Fakten, die gegen einen Verbleib beim FC Bayern sprechen.
- bild.de: "Rolle rückwärts? So antwortet Eberl auf die Tuchel-Frage"
- sport.sky.de: "Tuchel reagiert auf Online-Petition & witzelt bei Rangnick-Frage"
- sport1.de: "Tuchel überrascht mit England-Aussage"