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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weltmeister spricht Klartext Warnung an die Bayern-Bosse – und an Tuchel
Vor dem Ligagipfel zwischen Bayern und Dortmund kam es in München zum großen Knall. t-online hat vor dem Topspiel mit Lothar Matthäus über die Gemengelage in München gesprochen.
In zwei Tagen ist es wieder so weit – und der FC Bayern empfängt Borussia Dortmund zum Topspiel in der Bundesliga (Anpfiff 18.30 Uhr, live bei Sky und im Liveticker von t-online). Doch während die Borussen als Tabellenführer ins Duell gehen, erlebte der Rekordmeister eine der turbulentesten Wochen der Saison. Vergangenen Freitag trennten sich die Münchner offiziell von Trainer Julian Nagelsmann – und installierten mit Thomas Tuchel ausgerechnet den früheren BVB-Coach.
t-online hat vor dem Gipfel mit Lothar Matthäus gesprochen, der wie gewohnt bei Sky als Experte auftreten wird. Der Rekordnationalspieler blickt im Interview aber auch auf die Länderspiele zurück und stellt eine brisante These zu Bayerns Ex-Trainer Julian Nagelsmann auf.
t-online: Herr Matthäus, in der Analyse der deutschen 2:3-Pleite gegen Belgien sprachen Sie bei RTL von einem Komplettversagen des DFB-Teams – zumindest in der Anfangsphase.
Lothar Matthäus: Meine Aussagen bezogen sich auf die ersten 30 Minuten. Da wollte ich auch nicht nur die Abwehr kritisieren. Auch im Mittelfeld hat die Mannschaft keinen Zugriff bekommen. Deswegen war es ein Gesamtversagen der Mannschaft. Danach hat es deutlich besser funktioniert, die Mannschaft hat die Fans mitgenommen und auch die Einwechslungen haben gepasst. Aber was die Anfangsphase angeht, war das wirklich das Schlechteste einer deutschen Elf, woran ich mich erinnern kann.
Haben diese beiden Tests gezeigt, dass Deutschland auf Spieler wie Ilkay Gündogan und Thomas Müller keinesfalls verzichten kann?
Nicht zwangsweise. Die Jungen haben ihre Sache ordentlich gemacht. Spieler wie Kevin Schade, der ja auch noch die Vorlage zum 2:3 gegeben hat, sind selbstbewusst und hungrig. Sie haben gezeigt, dass Hansi Flick mit dem ein oder anderen von dieser jungen Generation für 2024 planen kann.
Welche Neulinge haben Sie am meisten überzeugen können?
Marius Wolf hat es gegen Peru sehr gut gemacht, nicht nur aufgrund seiner Vorlage. Der bereits erwähnte Kevin Schade oder auch Felix Nmecha, der nach seiner Einwechslung extrem selbstbewusst aufgetreten ist. Das waren sehr gute Ansätze. Ich gehe davon aus, dass Hansi Flick sie nochmal einladen wird.
Hansi Flick steht nach dem frühen WM-Aus und vor der Heim-EM unter extremem Druck. Aktuell ist mit Julian Nagelsmann das wohl größte deutsche Trainertalent auf dem Markt. Trauen Sie ihm die Nationalmannschaft zu?
Hansi Flick steht nicht zur Debatte. Und Julian Nagelsmann hat doch gar kein Interesse, Nationaltrainer zu werden. Das kann ich mir nicht vorstellen. Er braucht die Spieler tagtäglich, möchte etwas entwickeln. Ich würde es ihm schon zutrauen, aber vom Alter her kommt mir da eher Jürgen Klopp in den Sinn, sollte er eines Tages in Liverpool aufhören.
Zwischen Nagelsmann und Real Madrid gab es vor Jahren mal Kontakt. Käme solch eine Aufgabe bei einem internationalen Topklub zu früh für ihn?
Madrid ist eine Topadresse und er ein wahnsinnig talentierter Trainer. Aber ob das zustande kommen kann? Was man im Nachhinein feststellen muss: Bayern München kam für ihn zu früh. Aber diese Erfahrung kann er bei seinen künftigen Stationen anwenden. Ob das in der Premier League, der spanischen La Liga oder noch mal woanders ist.
Nagelsmann galt als etwas eigenwilliger Charakter, als solcher gilt Thomas Tuchel auch. Ist da der große Knall beim FC Bayern nicht programmiert?
Das müssen Sie Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn fragen. Thomas Tuchel ist bereit zu diskutieren, zu kommunizieren. Aber am Ende wird er seinen Weg gehen, und das ist auch richtig und wichtig. Sonst verliert er die Mannschaft – und macht sich unglaubwürdig bei den Spielern. An der Stelle von Kahn und Salihamidzic würde ich Tuchel machen lassen und mir selbst verbieten, ihm bei aufstellungstechnischen Angelegenheiten reinzureden. Das ist einzig und allein die Entscheidung des Trainers.
In ihrer Sky-Kolumne sprachen Sie davon, dass das Münchner "Mia san mia" teilweise mit Füßen getreten wurde und Hoeneß mit der Arbeit von Kahn und Salihamidzic unzufrieden sein könnte.
Uli Hoeneß ist Ehrenpräsident, hat diesen Verein über 40 Jahre aufgebaut. Natürlich ist er noch präsent. Ich kenne viele Leute, die beim FC Bayern arbeiten: Diese Herzlichkeit und Wärme, dieses Miteinander und Familiäre, das gerade Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge gepflegt haben, das lässt der Klub aktuell vermissen. Dass sich die komplette Führungsriege, auch in öffentlichen Interviews, geschlossen hinter den Trainer stellt, und dieser dann kurze Zeit später rausgeschmissen wird, das hat mich schon sehr irritiert.
Erwarten Sie auch Konsequenzen für die Bosse Kahn und Salihamidzic?
Es wird, wie immer bei Bayern, stark darauf ankommen, ob sie erfolgreich sind. Ich bin überzeugt, dass es nach der Trennung von Nagelsmann gut laufen wird. Und was man auch sagen muss: Einige Dinge, die Unruhe in den Verein gebracht haben, hat sich der Trainer selbst zuzuschreiben gehabt. Manuel Neuer wird nicht der traurigste Mensch gewesen sein, als er von Nagelsmanns Entlassung gehört hat.
Jetzt ist also Tuchel da. Inwiefern kann er die Bayern noch mal auf ein anderes Level heben? Bei Chelsea hat er 2021 gezeigt, dass er kurzfristig Erfolg garantieren kann.
Und er hat gezeigt, dass er mit absoluten Topspielern umgehen und sie zum Erfolg führen kann. Deswegen kommt er mit 15 bis 20 Stars in einer Mannschaft, wie es in München der Fall ist, vielleicht besser zurecht als Julian Nagelsmann, der davor mit Hoffenheim und Leipzig zwei Ausbildungsvereine trainiert hat. Tuchel hat jetzt für zweieinhalb Jahre unterschrieben und ich glaube, dass er in München langfristigen Erfolg hat. Man sieht auch, wo Chelsea steht, jetzt wo Tuchel weg ist.
Sie tippen auf einen Sieg mit zwei Toren Unterschied für den FC Bayern. Für den BVB gab es in München in den vergangenen Jahren oft herbe Klatschen. Sehen Sie das Terzic-Team dieses Jahr besser gewappnet?
Bayern München hat in meinen Augen den besseren Kader und kann mit der Drucksituation umgehen. Sie haben ein Heimspiel und kennen solche Konstellationen aus dem Effeff, das kitzelt die Spieler. Bei Borussia Dortmund spricht die Leistung im Jahr 2023 für einen Erfolg, weil sie zuletzt nicht nur spielerisch überzeugt haben, sondern auch kämpferisch starke Leistungen gezeigt haben.
Ist es ein Vorteil für Dortmund, als Tabellenführer in dieses Duell zu gehen?
Freilich ist das ein Vorteil. Jetzt ist der BVB der Gejagte und die Münchner in der Verfolgerrolle. Aber ich glaube, dass der FC Bayern bereit ist.
Einer der wichtigsten Spieler beim BVB ist der erst 19-jährige Jude Bellingham. Wo sehen Sie seine Zukunft?
Es wird sehr schwer für Dortmund, ihn zu halten. Er hat trotz seines jungen Alters schon ein sehr großes Standing beim BVB. Ich glaube nicht, dass er zum FC Bayern geht. Wenn er den nächsten Schritt macht, dann wäre die Premier League sein erstes Ziel, weil die Münchner auf Bellinghams Position nicht unbedingt den größten Bedarf haben.
Sie selbst werden am Samstag wieder wie gewohnt mit Moderator Sebastian Hellmann das Topspiel bei Sky begleiten. Was hat sich für Sie geändert, seit Julia Simic und Tabea Kemme, die sich abwechseln, als Expertinnen mit dabei sind?
Am Samstag wird wieder Julia mit dabei sein und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit beiden und die Kompetenz, die sie mitbringen. Ich bin ein Teamplayer und wir sind zu dritt ein genauso gutes Team wie Sebastian Hellmann und ich es davor jahrelang zu zweit waren.
Anmerkung: Das Topspiel Bayern München gegen Borussia Dortmund läuft am Samstag um 18.30 Uhr auf Sky Sport Bundesliga 1 und Sky Sport Top Event. Die Übertragung startet bereits um 17.30 Uhr, Sebastian Hellmann moderiert, Wolff Fuss wird die Partie kommentieren.
- Telefoninterview mit Lothar Matthäus