Branche in Notlage Nürnberger Volksfest nach Corona zurück – letzte Rettung für Schausteller
Die Vorfreude ist groß bei Nürnbergs bekanntestem Schausteller Lorenz Kalb, nach zwei Jahren des Berufsverbots kann es mit dem bevorstehenden Frühlingsfest endlich wieder losgehen. Für die Branche ist es die letzte Rettung.
Das Volksfest ist nach der Corona-Pause endlich wieder zurück. Ab dem 16. April, traditionell am Tag nach Karfreitag, wird am Volksfestplatz am Dutzendteich in Nürnberg wieder zwei Wochen lang zu Bayerns zweitgrößtem Fest geladen. Lorenz Kalb ist gerade auf dem Weg zum Volksfestplatz in Nürnberg – endlich wieder! Erleichterung und Aufregung sind ihm deutlich anzumerken. Die Vorbereitungen für das bevorstehende Frühlingsfest können endlich wieder anlaufen.
Am Morgen ging es mit seinen Schausteller-Wagen erst mal zum TÜV, erzählt er. Um seinen Wohnwagen fit für die kommende Saison zu machen, trifft sich Kalb am Dutzendteich mit seinen fünf Mitarbeitern, die das Gefährt weitergehend prüfen. Funktioniert der Wasseranschluss, ist die Spülmaschine noch in Ordnung? Eigentlich normale Routinearbeiten nach der Winterpause. Doch nach der deutlich längeren Auszeit sind sie nun mit vielen Emotionen verbunden. So freut sich Kalb, der auch Vorsitzender des Süddeutschen Schaustellerverbands ist, dass er alle seine Mitarbeiter trotz der Notlage behalten konnte.
Christkindlesmarkt-Absage war "brutaler Nackenschlag"
Seit dem 20. März sind Volksfeste und Jahrmärkte in Bayern wieder erlaubt. Die Corona-Pandemie hat der Branche jedoch schwer zugesetzt. "Es ist nicht mehr 5 vor 12, sondern 10 nach!", verdeutlicht Kalb. Die Rücklagen seien aufgebraucht, die Altersvorsorge nicht mehr sicher. "Wir sind ja nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial aus dem Leben gerissen worden."
Vor allem die Kleinbetriebe, die etwa mit ihrem Kinderkarussell zu kleinen Festen aufs Land fahren, haben demnach gelitten. Durch das Berufsverbot hatten sie laut Kalb zwei Jahre lang keinerlei Einnahmequelle.
Wenn er an die Absage des Christkindlesmarkts von 2021 denkt, wird Kalb noch immer sauer. Die Buden waren aufgebaut, die Lager aufgefüllt, das Personal bereit – doch eine Woche vor der Eröffnung erteilte der Freistaat wegen steigender Corona-Zahlen den bayerischen Weihnachtsmärkten eine Absage. "Das war ein brutaler Nackenschlag." Niemand könne sich vorstellen, was das für die Schausteller bedeutet habe. "Ich hatte weinende und zusammenbrechende Menschen im Arm." Bis heute könne er die Entscheidung nicht nachvollziehen.
Nürnberger Schausteller kritisiert Umgang mit Corona-Hilfen
Die bayerische Regierung hatte kurz darauf Sonderhilfen versprochen, die Schausteller und Marktkaufleute mit einem fiktiven Unternehmerlohn von bis zu 1.500 Euro monatlich über einen Zeitraum von fünf Monaten unterstützen sollen. Davon jedoch sei bei den Betroffenen lange nur wenig angekommen, erklärt Kalb. Die Regelungen seien so kompliziert gewesen, "dafür musste man studiert haben".
Nach zahlreichen Hilferufen und vielen Gesprächen mit den Verantwortlichen, an denen auch Kalb beteiligt war, hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger Erleichterung versprochen. Die Hilfen werden außerdem auf zehn Monate ausgeweitet. Die Sonderhilfen werden zusätzlich zur Überbrückungshilfe des Bundes gewährt, heißt es in einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums.
Wie sehr rechne er damit, dass das Frühlingsfest doch noch kurzerhand abgesagt werden muss? "Warum?", fragt Kalb empört zurück. Das Fest sei an der frischen Luft, die Hygienemaßnahmen würden eingehalten. Ihn ärgere, dass Volksfeste oft mit Saufgelagen und Hotspots wie Ischgl und Ballermann gleichgesetzt würden. Das Nürnberger Volksfest sei ein Familienfest, bei dem jedes Alter, alle Schichten und Nationalitäten aufeinandertreffen.
Planungsunsicherheit als "Damoklesschwert" – Lob für Nürnberg
Als wichtiges Signal wertet Kalb den Besuch des Ministerpräsidenten auf dem Würzburger Volksfest am Samstag, Bayerns erstes Volksfest nach der Corona-Pause. Auch für den Nürnberger Anstich hat Markus Söder seine Teilnahme zugesagt. Bis zuletzt habe die Planungsunsicherheit wie ein "Damoklesschwert" über der Branche gehangen. Andererseits erklärt Kalb, dass er durch die Stadt Nürnberg "tolle Unterstützung" erhalten habe. Etwa durch das "Nürnbärland", das Schaustellern ausnahmsweise ermöglichte, auf dem Hauptmarkt auszustellen.
Die Auswirkungen der Pandemie haben freilich auch das Volksfest getroffen. Von den einst fünf großen gastronomischen Traditionsbetrieben, sind nur noch zwei übriggeblieben. Drei konnten laut Kalb ihren Betrieb nicht mehr hochfahren. Immerhin hätten sie "hervorragenden Ersatz" gefunden: Zum Beispiel mit der doppelstöckigen Holzhütte mit Balkon mit Platz für 800 Besucher von "Roeschke und Roeschke", die unter anderem den Nürnberger Opernball veranstalten.
Auch auf den Krieg in der Ukraine wird reagiert. So wird etwa auf den Festzug verzichtet und das Böllerschießen. In Charity-Aktionen wird außerdem Geld für die Opfer in der Partnerstadt Charkiw gesammelt.
Aus langjähriger Familienerfahrung weiß Kalb: "Wir waren schon immer auch in schwierigen Zeiten das kleine Glück, das zu den Leuten kam." Heutzutage scheint das wieder wichtiger denn je. Nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Schausteller selbst.
- Telefonat mit Lorenz Kalb vom Süddeutschen Schaustellerverband
- Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft: Pressemitteilung vom 22. März 2022