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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leerstand in der Innenstadt Wie ist Nürnbergs Einzelhandel noch zu retten?
Leerstand in den Läden: Corona hat dem Nürnberger Einzelhandel schwer zugesetzt. Wie die Einkaufsmeile noch zu retten ist – und wann der Schandfleck "City Point" endlich weicht.
Wer an sonnigen Ferientagen durch die Nürnberger Innenstadt schlendert, wird wohl nicht beklagen, dass zu wenig los sei. Die Breite Gasse lockt noch immer viele Konsumgetriebene. Leere herrscht eher an den Seiten, in den Geschäften. Mehr und mehr Einzelhändler schließen. 21 Geschäfte stehen derzeit in den Haupteinkaufsachsen Nürnbergs leer, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung auf Nachfrage.
Große, bunte Lettern an den Hausfassaden zeugen mancherorts von den großen Ketten, die es hier einst gab. Längst haben sie aufgehört zu leuchten. Weiße Plakate an einigen Schaufenstern versuchen den Blick auf das verstaubte Innere zu verdecken. Woanders kündigen grelle Schilder und noch sattere Rabatte den Ausverkauf in den Fenstern an. Manch eine Kette ist pleitegegangen, andere haben sich aus Nürnberg zurückgezogen.
Nach Corona: Neues Konzept für den "City Point" in Nürnberg
Mittendrin steht der "City Point": einst stolzer Konsumkomplex, der 1999 erbaut auf sechs Etagen die Breite Gasse überragte. Einladend ist hier nichts mehr. Keine Läden mehr, nur noch Schutt und Staub. Rot-weiß flatternde Bänder versperren den Weg ins Innere – falls das tatsächlich noch jemand in Erwägung ziehen würde. Baureferent Daniel Ulrich sprach schon 2018 von einem Fremdkörper, der sich nicht in die Innenstadt einfüge. 2019 sollte der "City Point" deshalb abgerissen und als "Altstadt Karree" wiederaufgebaut und 2022 neu eröffnet werden.
Nach Corona ist von diesen Plänen wenig übrig. Das Konzept wurde überarbeitet: Statt eines Hotels in den Obergeschossen soll es nun Wohnungen und Büros geben. Der Abriss ist laut Wirtschaftsreferent Michael Fraas nun für das erste Halbjahr 2023 vorgesehen.
Im Herbst 2021 sind hier die letzten Lichter ausgegangen. Nur noch vier, fünf Läden hielten in den vergangenen Jahren die Stellung in dem sonst leeren Hochhaus.
Bijou Brigitte trotzt dem Trend in der Nürnberger Innenstadt
Darunter war auch ein kleiner Standort der Schmuckkette Bijou Brigitte. Nach der Schließung im Herbst erfolgte nun die Neueröffnung eines fast doppelt so großen Ladens. Damit setzt sich der Schmuckladen gegen den Trend in der Breiten Gasse durch. Vielmehr noch: Das Unternehmen expandiert und hat nun zwei Filialen direkt gegenüber. In der Breiten Gasse ist Bijou Brigitte bereits seit Jahrzehnten ansässig – auf Höhe ebenjenes "City Points", der nun vor sich hinstaubt. "Die Baustelle ist kein schöner Anblick", erklärt Bereichsleiterin Nicole Schmidt auf Nachfrage.
Sie stellt fest, dass die Breite Gasse längst nicht mehr so belebt wie früher sei. Wieso hier so viele Läden leer stehen? "Corona." Viele Einzelhändler hätten die Pandemie nicht überstanden. In der benachbarten Karolinenstraße dagegen sei die Kundenfrequenz deutlich höher.
Darüber, wie viele Läden wegen Corona letztendlich schließen mussten, könne der städtische Wirtschaftsreferent keine "verlässliche Aussage" treffen, erklärt Michael Fraas auf Nachfrage von t-online. In den beiden Corona-Jahren wurden laut Gewerbeanzeigenstatistik in ganz Nürnberg rund 8750 Gewerbe angemeldet, abgemeldet wurden dagegen etwa 7150.
Hinzukommt laut Nicole Schmidt: "Alles wird teurer." Da überlege sich der Kunde zweimal, ob er die Kette wirklich brauche. Dennoch laufe das Geschäft nach der Pandemie nun wieder gut an, so Schmidt. Der Umsatz pendle sich wieder auf Vor-Corona-Niveau ein. "Die Leute haben wieder Bock, das merken wir." Außerdem stünden wieder vermehrt Feste und Hochzeiten an, seit jeher Treiber der Schmuckindustrie. Die Textilindustrie habe es da gerade noch schwerer, erklärt sie.
Hohe Fluktuation in den Nürnberger Geschäften
Wie hat die Stadt den Einzelhandel in dieser schwierigen Zeit unterstützt? "Als Sofortmaßnahmen gab es die üblichen Maßnahmen wie zum Beispiel die Stundung der Gewerbesteuervorauszahlungen oder die Reduzierung der Sondernutzungsgebühren", antwortet Fraas.
Auch der Wirtschaftsreferent beobachtet eine hohe Fluktuation in der Innenstadt: "Geschäfte werden aufgegeben, die Ladenlokale aber zumeist auch wieder nachvermietet." Seit Corona jedoch dauere Letzteres länger. Außerdem ändere sich der Nutzungsmix. In den Geschäften würde nicht mehr nur Einzelhandel nachfolgen, sondern auch Gastronomie, IT- oder Versicherungsdienstleister. In der Innenstadt werde eben nicht mehr nur eingekauft, sondern gegessen, gelebt, gearbeitet und gewohnt. "Das macht die Innenstadt lebendig."
Handelsstandort Nürnberg: Urbane Qualität und hohe Aufenthaltsqualität
Um solchen, Fraas völlig unverständlichen Unternehmensentscheidungen vorzubeugen, hat die Stadt ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept Altstadt (INSEK) ins Leben gerufen. Darin hat die Stadtverwaltung ihre Zukunftsstrategie für den "Handelsstandort Nürnberg 2030" festgehalten, die nicht nur auf Einzelhandel, sondern Multifunktionalität setze. Also eine Mischung aus Handel, Gastronomie, Kultur, Tourismus, Wohnen und Grün. Das Leitprinzip laute "Alle Macht geht vom Besucher aus".
Das soll zu urbaner Qualität und einer hohen Aufenthaltsqualität führen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, gibt es seit Sommer 2020 die Nürnberger "City Werkstatt" – eine gemeinsame Initiative der Stadt mit der IHK sowie Akteuren aus Handel und Gastronomie. Sie soll die Altstadt beleben und weiterentwickeln.
So ist etwa das Pilotprojekt "Summer Street" in der Adlerstraße entstanden: Wo eigentlich Autos parken, wurde mehr Platz für Außengastronomie geschaffen. Außerdem wurde eine digitale Plattform für Leerstands- und Ansiedlungsmanagement entwickelt. Ausprobieren heißt laut Fraas die Devise. "Wenn es klappt, ist gut. Und wenn nicht, fragen wir uns: Was können wir daraus lernen?" Die "City Werkstatt" werde mit Fördermitteln von EU, Bund und Land unterstützt.
Zuletzt wurde die Fußgängerzone erweitert, die Luitpoldstraße begrünt und der Obstmarkt bald neugestaltet. All diese Maßnahmen sollen die Innenstadt Fraas zufolge attraktiver machen.
- Recherche vor Ort
- Nachfrage bei Dr. Michael Fraas
- Gespräch mit Nicole Schmidt