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Containern in Nürnberg: Jesuit kämpft weiter gegen Lebensmittelverschwendung


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Jesuitenpater löst Debatte aus
Containern gegen das Verschwenden: "Ich will in den Knast!"

Von Peter Budig

03.06.2022Lesedauer: 4 Min.
Jörg Alt im Juni vor dem Gericht in Nürnberg (Archivbild): Er kämpft seit Jahren gegen Lebensmittelverschwendung.Vergrößern des Bildes
Jörg Alt vor dem Gericht in Nürnberg: Er kämpft gegen Lebensmittelverschwendung. (Quelle: Peter Budig)
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Der Jesuit Jörg Alt geriet mit seinem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung bundesweit in die Schlagzeilen. Trotz aller guten Absichten beim Containern – an dem streitbaren Mann scheiden sich die Geister. Wer ist dieser Nürnberger, der die Politik herausfordert und Gerichte zum Handeln zwingen will?

"Ich will in den Knast. Ich verlange Gleichberechtigung und Gerechtigkeit, zum Beispiel gegenüber anderen, die Gleiches getan haben." Die ungewöhnliche Forderung des Dr. Jörg Alt aus Nürnberg ist nicht neu. Vor einem halben Jahr bereits hat er damit eine bundesweite Debatte über Lebensmittelverschwendung angestoßen. Wer ist diese Person?

Pressewirksam übergibt er weitere Beweise an die Staatsanwaltschaft Nürnberg: Im Umschlag, den er am Donnerstag symbolträchtig exakt 100 Sekunden vor 12 Uhr in den Briefkasten am Nürnberger Justizgebäude wirft, sind Fotos, die ihn beim "Containern" zeigen. Wie er etwa verschlossene Behälter mit vermeintlich abgelaufenen Lebensmitteln aufbricht, um sie "in nicht geringem Umfang" zu entnehmen.

Der Jesuit Jörg Alt ist in Nürnberg als katholischer Hochschulseelsorger tätig. Seinen Rechtsfall nennt er "ein hochnotpeinliches Verfahren". Im Dezember 2021 hatte er in Begleitung von Journalisten zweimal Nahrung aus zwei Supermarkt-Containern entnommen. Er hatte außerdem absichtlich, "um den Straftatbestand des schweren Diebstahls zu erfüllen, eine verschlossene Tür mit einem Werkzeug geöffnet." Anschließend rief er selbst die Polizei – nachdem Supermarkt-Mitarbeiter dies nicht getan hatten – und bestand darauf, dass seine Tat angezeigt wird.

Ein Gerichtsverfahren gegen Alt wurde im Mai 2022 eingestellt. Darum hat er nun weitere Beweise hinterlegt – "um Gerechtigkeit herzustellen", und wohl auch, um erneut Öffentlichkeit für seine Sache zu erreichen. Er will, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird und fordert eine Verurteilung heraus.

12 Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich weggeworfen

Sein Ziel: eine Gesetzesänderung, die es verbietet, Lebensmittel zu vernichten – wie zum Beispiel in Frankreich. Deutschlandweit werden jährlich zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, sagt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Sogar 18 Millionen Tonnen sind es laut einer Studie der Umweltschutzorganisation WWF. Weitere Zahlen differenzieren: 550.000 Tonnen stammten demnach aus dem Handel. Auf private Haushalte entfallen demnach 6,7 Millionen Tonnen.

Als rechtlichen Grund geben die Händler das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auf vielen Artikeln an. Bis zum Erreichen des MHD haftet der Hersteller für die Ware, danach der "Inverkehrbringer", also der Händler – auch dann, wenn er die Lebensmittel verschenkt. "In Deutschland werden weggeworfene Lebensmittel als herrenloses Eigentum deklariert, nur damit Menschen, die darauf angewiesen wären, sie sich nicht kostenlos nehmen können", protestiert dagegen Alt.

Und er verweist auf EU-Nachbarländer: In Frankreich wurde die Gesetzeslage 2016 geändert: Hier müssen Händler unverkaufte Nahrungsmittel spenden, verarbeiten, als Tierfutter verwenden oder kompostieren. Italien und Finnland folgten mit ähnlichen Gesetzesänderungen.

Wer ist dieser Mann, der die Politik herausfordert, Gerichte zum Handeln zwingen will? Mit 19 Jahren trat der Saarländer direkt nach dem Abitur in den Jesuitenorden ein. Er hat Philosophie und Theologie studiert sowie seine Doktorarbeit in Soziologie geschrieben. Seine Dissertationsschrift "Leben in der Schattenwelt" trägt den Titel "Illegale Einwanderung und illegaler Aufenthalt von Migranten", und er hat sich auch praktisch mit der Situation sogenannter "Illegaler Migranten" und dem Leben in der Illegalität beschäftigt. Dr. Alt war am Aufbau einer Kampagne "Steuer gegen Armut – Finanztransaktionssteuer" beteiligt.

Nürnberger Jesuiten-WG: "Wir beten ein bis zwei Stunden am Tag"

Seine Themen sind die Armut in der Welt, die er für hausgemacht hält und vor allem seit einigen Jahren der Klimawandel. Er hat etliche Bücher zu diesen Themen verfasst. In Nürnberg wohnt er in einer Jesuiten-WG.

Jesuiten leben "sozialistisch", das heißt, alle Einkünfte erhält der Orden, das einzelne Mitglied bekommt Zimmer, Nahrung, Kleidung, Bildung, Arbeitsmaterial und ein Taschengeld von etwa 300 Euro. Zum Alltag gehören nicht nur Arbeit und Zusammenleben, sondern auch intensive spirituelle Einkehr: "Wir beten ein bis zwei Stunden am Tag", so Alt.

"Ziviler Ungehorsam, Gesetze brechen, das tue ich nicht aus Spaß"

Das Kernthema hinter seinen "Widerstandsaktionen" ist der Klimawandel, laut Alt "wissenschaftlich erwiesen von Menschen gemacht". "Containern" sei nur eine Widerstandsmaßnahme zivilen Ungehorsams, die auf Lebensmittelverschwendung, Überproduktion und den Hunger in der Welt hinweist, "der sich im Zuge des Klimawandels bald weiter verschärfen wird." Mit "Naturgesetzen kann man nicht verhandeln" zitiert er eine Überzeugung der "Fridays for Future"-Bewegung. "Ziviler Ungehorsam, Gesetze brechen, das tue ich nicht aus Spaß. Das sollte man nur tun, wenn es um etwas wirklich Wichtiges geht" erläutert er seine Ethik hinter den Aktionen.

Sein nächstes Ziel ist, dass die Bundesregierung ein "Essen-retten-Gesetz" verabschiedet. Diese ignoriere seit Langem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das den Gesetzgeber aufgefordert hat, "Rechtssicherheit zu schaffen", so Alt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 eine Klage zweier Studentinnen aus Olching abgewiesen, die fürs Containern mit einer Geldstrafe und Sozialstunden bestraft wurden und gleichzeitig den Gesetzgeber angemahnt "eine politische Entscheidung zu treffen." Es sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns verbindlich festzulegen.

Das Gericht könne diese Entscheidung nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die "zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung" gefunden hat, hieß es in der einer Mitteilung des Gerichts. Jörg Alt hat unterdessen weitere Aktionen für den Sommer angekündigt.

Verwendete Quellen
  • Presseclub Nürnberg: Videostream mit Dr. Jörg Alt
  • Bundesverfassungsgericht: Presseerklärung vom 5.8.2020 "Erfolglose Verfassungsbeschwerde bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen Containern"
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