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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wegen Personalmangels Flughäfen droht im Sommer das totale Chaos
Zum Ferienstart im Sommer sieht die Prognose an Flughäfen in NRW düster aus. Der Grund: Personalmangel. Seit Wochen kursieren Bilder von überfüllten Terminals – und die Feriensaison hat noch nicht einmal begonnen.
Während das 9-Euro-Ticket Reiselustigen im ÖPNV die Urlaubszeit versüßt, steht der Ferienbeginn am Köln-Bonner Flughafen unter einem düsteren Stern. Seit Wochen kursieren Bilder von riesigen Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen. Teilweise reichen diese bis in die Eingangshalle des Flughafens hinein.
"Am Flughafen Köln/Bonn bräuchten wir mindestens 100 Sicherheitskräfte mehr, um den Betrieb aufrechtzuerhalten", schlägt Özay Tarim, Sprecher der Gewerkschaft Verdi in NRW, kurz vor der Ferienzeit Alarm.
Auch am Flughafen Düsseldorf sorgt die angespannte Personallage an den Sicherheitskontrollen für erhebliche Probleme: Hier fehlen laut einem Flughafensprecher bis zu 140 Kontrollkräfte pro Schicht. Schon an Pfingsten könnte es daher wieder zu chaotischen Zuständen kommen, fürchtet Verdi.
Flughafen Köln/Bonn: Pandemie schuld an Personalmangel?
Neben unattraktiven Arbeitsbedingungen und einer geringen Zahl an neu ausgebildeten Fachkräften, habe auch die Corona-Pandemie das Personalproblem verstärkt, so Tarim. Aufgrund des geringen Fahrgastaufkommens sei nicht nur kein neues Sicherheitspersonal mehr eingestellt worden: Der von der zuständigen Bundespolizei beauftragte Sicherheitsdienstleister Securitas habe sogar 200 Stellen streichen wollen. Derzeit sind in Köln 580 Mitarbeiter für die Fluggastkontrollen zuständig.
"Noch im Sommer 2021 gingen alle Experten davon aus, dass sich der Flugverkehr bzw. die Luftfahrtindustrie erst im Jahre 2025 wieder erholen wird", sagt Jens Flören, Sprecher der Bundespolizei NRW. "Demnach war der gegenwärtig sehr schnelle und starke Anstieg im Passagieraufkommen nicht vorhersehbar."
Bundespolizei will "Peakzeiten" vermeiden
Verdi-Sprecher Tarim sieht das anders, der Personalengpass sei bereits seit Langem ein Problem. "An den Flughäfen hangeln wir uns von einer Ferienzeit in die nächste, ohne die Probleme im Kern zu lösen", sagt Tarim. "Wir müssen weg von gewinnorientierten Sicherheitsdienstleistern, hin zu Kontrollen durch die öffentliche Hand." In Bayern etwa sei dies bereits gängige Praxis.
In Köln versucht man sich derweil in Schadensbegrenzung. "Gemeinsam mit allen Akteuren am Flughafen bemühen wir uns, nach Möglichkeiten von Prozessoptimierungen zu suchen – bis hin zu einer etwaigen Entzerrung des Flugplans, um die "Peakzeiten" von vorneherein zu vermeiden", sagt Flören.
Laut Tarim sei zudem im Gespräch, einen zweiten Sicherheitsdienstleister zur Unterstützung der Mitarbeiter zu gewinnen. Angesichts der prekären Lage am Arbeitsmarkt sei das allerdings unwahrscheinlich.
Derzeit nur ein Terminal geöffnet
Allein mit dem Personalmangel sind die langen Schlangen am Flughafen jedoch nicht zu erklären. "Während der Pandemie beschränkte der Flughafen die Kontrollen wegen des geringen Fahrgastaufkommens auf ein Terminal", berichtet Tarim. Das sei bis heute so, die Situation gleiche einem "Flaschenhals", in dem sich die Passagiere stauen.
"Für die Fluggäste wäre eine Entzerrung auf zwei Terminals entspannter, das Personalproblem löst sich dadurch allerdings nicht", sagt er. Eine Unterstützung des Sicherheitspersonals durch Hilfskräfte der Bundespolizei an einzelnen Kontrollstationen lehnt er ab.
"Das Kontrollpersonal wechselt alle 20 Minuten die Aufgabenbereiche, um über einen längeren Zeitraum konzentriert bleiben zu können", erklärt Tarim. Würde die Bundespolizei einzelne Stationen fix übernehmen, führe das zu einer Arbeitsverdichtung für das ausgebildete Fachpersonal.
Bundespolizei NRW: Sicherheit hat Vorrang
Bereits jetzt führe die Dauerbelastung des Sicherheitspersonals zu einem hohen Krankenstand, sagt Tarim. Das bestätigt auch die Bundespolizei: "Der am Flughafen Köln/Bonn eingesetzte Sicherheitsdienstleister Securitas hat uns versichert, dass er grundsätzlich über das erforderliche Personal verfügt, gleichwohl eine hohe Krankenquote seiner Mitarbeitenden verzeichnet", sagt Flören. Laut Verdi liege diese derzeit bei 20 Prozent, ergänzt Tarim.
Die Bundespolizei beobachte die Situation kritisch, sei ständig mit der Fachaufsicht vor Ort. "Wartezeiten sind für die betreffenden Reisenden bedauerlich, aber die Sicherheit des Luftverkehrs muss und wird stets höchste Priorität haben", versichert Flören. Die Bundespolizei werde in diesem Kontext – auch in der bevorstehenden Ferienzeit – keine Abstriche machen.
- Gespräch mit Özay Tarim via Telefon
- Anfrage bei der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin