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Warum die AfD in Köln-Chorweiler so stark ist


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Spurensuche in Köln-Chorweiler
Hoher Ausländeranteil, starke AfD – woran liegt's?


Aktualisiert am 18.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Hochhäuser in KölnVergrößern des Bildes
Hochhäuser in Köln-Chorweiler. (Archivbild) (Quelle: Henning Kaiser/dpa)
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Köln-Chorweiler: ein Stadtteil mit hohem Ausländeranteil, in dem ausgerechnet die AfD punktet. Woran liegt das? t-online hat Experten gefragt.

Fragt man Streetworker Roman Friedrich, der selbst russische Wurzeln hat, gibt es mehrere Faktoren, die die Menschen zur AfD treiben könnten. Da ist zum einen die Herkunft: "Viele der Menschen hier haben Erfahrungen mit totalitären Systemen gemacht. Sie hegen großes Misstrauen gegenüber dem Staat", sagt Friedrich.

In der Konsequenz würden sie dann auch der Politik kein Vertrauen schenken. Immer wieder würden die großen Parteien den vielen Minderheiten hier Versprechungen machen, die sie dann nicht einhalten. Der Stadtteil gerät sozusagen nach der Wahl in Vergessenheit.

Köln: CDU und SPD haben kein Profil mehr

Zudem hört der Streetworker immer wieder, dass die großen Parteien SPD und CDU nicht mehr für das stehen, weswegen man sie früher gewählt hat. "Die SPD ist nicht mehr arbeitnehmerfreundlich, die CDU nicht mehr konservativ", erklärt er.

Früher seien die Russlanddeutschen eher CDU-nah gewesen, weil ihnen christliche Werte und innere Sicherheit wichtig gewesen seien. Mit der stärker nach links orientierten Haltung der Unionsparteien ging diese Parteibindung verloren. Aus Protest und Mangel an Alternativen wählten einige dann die AfD.

Es gibt Wichtigeres, als zur Wahl zu gehen

Durch die geringe Wahlbeteiligung von nur rund 22 Prozent schafft es die Partei hier entsprechend auf 15 Prozent der Zweitstimmen. Ohnehin gebe es Wichtigeres für die Menschen, als zur Wahl zu gehen, meint Friedrich.

Wie bekomme ich den nächsten Job, wie bezahle ich mein Mittagessen oder wie sorge ich für eine gute Ausbildung meiner Kinder? Das seien die praktischen Fragen, mit denen sich die Menschen hier eher beschäftigten. Sie glauben nicht, dass ihnen die Politik bei der Beantwortung dieser Fragen hilft. "Hier in Chorweiler zählt die Tat und nicht das Wort", sagt Friedrich.

Experte: "In solchen Vierteln dominiert Hoffnungslosigkeit"

Das bestätigt auch Emre Arslan von der IU Internationalen Hochschule Bad Honnef. Er forscht zu Rassismus, Rechtsextremismus und sozialer Ungleichheit und ist Mitglied der Forschungsgruppe für Prävention und Deradikalisierung. "Es gibt eine gewisse Hoffnungslosigkeit in solchen Stadtvierteln", sagt Arslan.

"Die Parteien sind alle gleich und machen sowieso alles unter sich aus, glauben hier viele." Das führe zu der extrem geringen Wahlbeteiligung in ärmeren Vierteln – während sie in reicheren Vierteln wie Hahnwald und Klettenberg bei über 70 Prozent liegt.

Der niedrige Bildungsstand der Wähler könnte aber ebenfalls eine Rolle spielen, glaubt Wissenschaftler Felix Hagemeister von der TU München. Er forscht seit Längerem zur AfD. Auch in Frankreich konnten Wissenschaftler eine solche Tendenz in Stadtteilen mit hohem Migrantenanteil feststellen, sagt er.

Hier gebe es eine Affinität zum extrem rechten Rassemblement National, der früher Front National hieß. Hier gehe es aber vor allem um Migranten mit geringerer Bildung und nicht per se darum, nicht französische Wurzeln zu haben.

Ukraine-Krieg: Russlanddeutsche werden diskriminiert

Im Fall von Chorweiler kann man noch einen weiteren Faktor einbeziehen. Hier leben laut Roman Friedrich 12.000 Russlanddeutsche. Sie seien frustriert darüber, dass ihnen seit dem Krieg in der Ukraine plötzlich Diskriminierung entgegengeschlagen ist, selbst wenn sie sich von Putins Politik distanzieren.

"Ihre Hotelbuchungen werden storniert, Städtepartnerschaften werden gekündigt und Tschaikowski-Konzerte abgesagt", berichtet er. Das passiere sogar bestintegrierten Russlanddeutschen, sagt er. Seit dem Ukraine-Krieg gebe es in Deutschland eine latente Diskriminierung und russlandfeindliche Vorfälle.

Viele sehen Russlanddeutsche nicht als vollständige Deutsche

Emre Arslan weist auf die besondere Migrationsgeschichte der Russlanddeutschen hin: "Die russischen Spätaussiedler sehen sich selbst als Deutsche und sie durften ja gerade wegen ihres 'Deutschtums' nach Deutschland migrieren. Vielfach sieht man sie hier aber nicht als vollständige Deutsche."

Er vermutet daher, dass sie sich von anderen Migranten abgrenzen wollen und dies durch die Wahl der migrationskritischen AfD bekräftigen. Die AfD würde ihnen als Deutsche die Anerkennung schenken, die sie sich wünschen, glaubt er. Wissenschaftlich belegen könne er das aber nicht.

Durch ihre Migrationsbewegung aus den ehemals deutschen Ostgebieten nach Deutschland seien viele ihrer Ressourcen weggefallen. Sie würden hier schlechtere Jobs bekommen und ihre Abschlüsse seien nicht anerkannt worden. Das alles habe die Spätaussiedler ihr soziales und kulturelles Kapital gekostet, so der Sozialforscher Emre Arslan.

Gute Integration könnte Wahl der AfD verhindern

Bei vielen gut integrierten Russlanddeutschen sieht das jedoch anders aus. Der Wissenschaftler Jonas Elis von der Uni Duisburg-Essen hat in seinen Analysen zum Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund festgestellt, dass diese Gruppe eher nicht die AfD wählt.

Ob die russlandfreundliche Haltung der Alternative für Deutschland und ihre Ablehnung von Waffenlieferung einen Einfluss auf die Wahl hatte, können die Experten nicht mit Bestimmtheit sagen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Roman Friedrich
  • Gespräch mit Jonas Elis
  • Gespräch mit Emre Arslan
  • Webseite der Stadt Köln
  • Eigene Recherchen
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