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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die große Veedel-Serie Rodenkirchen – das Kölsche Dorf mit eigenem Sandstrand
Ob Ausflugsziel oder Heimat fürs Leben, linksrheinisch oder Schäl Sick: Kölns Veedel sind so verschieden wie seine Bewohner. In unserer Veedel-Serie begeben wir uns auf Erkundungstour durch die schönste Stadt am Rhein.
Rodenkirchen hat Flair, das steht fest. Ganz besonders schön ist es hier allerdings im Sommer. Wer jemals entlang der "Rodenkirchener Riviera" spazieren konnte, weiß: Man muss als Kölner nicht zwingend die Stadt verlassen, um Urlaubsgefühle zu entwickeln.
Hier gibt es Villen in Rheinlage, Sandstrände, eine Minigolfanlage, Campingplätze, die Möglichkeit, mit den Füßen mal eben ins Wasser zu gehen. Neben Motorbooten und Jetskis gibt es zahlreiche weitere Wassersportmöglichkeiten.
Köln-Rodenkirchen: Naherholung nicht nur für Wassersportler
Durch die Lage am Rhein bildet Rodenkirchen eine Hochburg des Rudersports innerhalb der Kölner Bucht. Zahlreiche Bootshäuser, sowohl an Land als auch zu Wasser, prägen das Bild.
Zu Hause sind hier der Kölner Ruderverein von 1877, die Kölner Rudergesellschaft 1891 und der Kölner Club für Wassersport, deren Vereinsniederlassungen entlang des Rheinufers in Richtung Marienburg zu finden sind.
Im Kanusport sind zum Beispiel der Rhein-Kanu-Club Köln 1923 und der Kanu-Club Grün-Gelb Köln aktiv. Die Straßen laden zum Radfahren ein, viele Familien mit Kindern genießen die kostenlose Erholungsmöglichkeit. Abschließend bietet es sich an, in einem der zahlreichen Restaurants rund um Alt St. Maternus einzukehren.
Für Einwohner ist Rodenkirchen noch immer ihr "Dorf"
Doch wie lebt es sich in diesem Viertel? Mehr als 17.000 Menschen, die hier auf knapp acht Quadratkilometer wohnen, könnten dies beantworten. Einer von ihnen wird bei Insidern "Mr. Rodenkirchen" genannt.
Dieter Maretzky, Jahrgang 1947, hat sich 45 Jahre im Vorstand der Bürgervereinigung Rodenkirchen engagiert. Ursprünglich in Nürnberg geboren, zog er 1968 nach Köln, um dort zu studieren. Auch heute ist Maretzky immer noch bestens darüber informiert, was in seinem Veedel läuft.
Eine Antwort auf die Frage, was Rodenkirchen zu einem besonderen Viertel macht, fällt ihm leicht. "Die Rodenkirchener sprechen immer noch von ihrem 'Dorf', Köln ist die etwas aufgezwungene Stadt seit 1975", steigt der "Vater der Rodenkirchener Blumenbeete" ins Thema ein.
Außerhalb – aber gut ausgestattet
Man fühle sich wohl, "nicht nur wegen der vielen Grünanlagen wie dem Forstbotanischen Garten und dem Friedenswald, sondern auch wegen des Rheinufers mit der Riviera, den Bootshäusern und den vielen Möglichkeiten, Sport auszuüben", sagt Maretzky.
Es gebe ein sehr gutes medizinisches Angebot vor Ort, ebenso eine gute Infrastruktur zur Nahversorgung, auch eine wachsende Vielfalt an Schulen und Kitas. "Deren Angebot wird wohl immer noch zu knapp sein", schränkt Maretzky allerdings ein.
Das Schulthema hat er intensiv miterlebt, als Vater dreier Kinder war er auch im Umfeld der Gesamtschule Rodenkirchen aktiv.
Das Engagement der Bürger prägt das Veedel
Auch Kultur kommt im Veedel nicht zu kurz: "Wichtig für die Bevölkerung sind Vereine und Institutionen, zum Beispiel die Stadtteilbibliothek, der Literamus, das Kunstzentrum Wachsfabrik", so Maretzky.
Die Wohlfühlatmosphäre des Veedels werde auch stark durch das bürgerschaftliche Engagement der Menschen hier geprägt. Maretzky, der 2017 mit dem Ehrenamtspreis der Stadt und der Verdienstmedaille der Bundesrepublik ausgezeichnet wurde, nennt die Kleiderkammer, die Kölner Tafel, die in Rodenkirchen ihren Sitz hat, die Freiwillige Feuerwehr, Finkens Garten sowie die Diakonie Michaelshoven und betont, dass die Liste noch länger sei.
Infrastruktur nicht dem Zuzug angepasst
Die Mitte der siebziger Jahre vorgenommene Eingemeindung ist bei vielen alteingesessenen Anwohnern noch immer nicht so ganz ad acta gelegt. "Im Karneval werden wir immer wieder daran erinnert: Wir haben ein eigenes Festkomitee, ein eigenes Dreigestirn und Karnevalszüge in allen Dörfern", schildert Maretzky eine weitere Besonderheit.
Und kommt schnell zurück zur Gegenwart: Das Veedel wachse, auch heute noch. "Alle Neubürger sind uns hier willkommen, ob aus der Ukraine oder aus anderen Regionen. Aber dadurch nimmt der Individualverkehr zu, und Rodenkirchen benötigt über die Industriestraße ein Entlastungsangebot durch Verbesserungen des Verkehrsflusses", weiß er aus unzähligen Diskussionen und eigenen Erfahrungen.
"Rodenkirchen fehlt eine schnelle Stadtbahn, die Bonn über Rodenkirchen mit Köln verbindet. Dazu noch die fehlende Bahnverbindung auf die andere Rheinseite, über die endlich konstruktiv diskutiert wird", so Maretzky.
Glaub nichts, was unter dem Lüchbaum gesagt wird
"Positiv zu nennen sind der Hochwasserschutz und die vielen Grünverbindungen", zählt er Punkte auf, die die Anwohner beschäftigen. Ein wunder Punkt sei aber das Hallenbad. Dieses wurde zwar von den Bürgern mit viel Einsatz "gerettet", "aber es wird nur als Schul- und Vereinsbad genutzt", kritisiert Maretzky.
Man könnte noch lange weiter mit ihm philosophieren – oder sich mit ihm zu seinem Lieblingsplatz gesellen: Es ist der kleine Platz am Leinpfad mit dem Lüchbaum, unter dem man niemandem glauben sollte, was dort erzählt wird.
Und ja, hier ist es herrlich: Der Blick auf den Rhein, die Hängebrücke, die Bootshäuser und das Treiben am, auf und im Rhein sowie die Ansicht Kölns dahinter – all das ist unverwechselbar.
Rodenkirchen hat Geschichte – und Promi-Vergangenheit
Man erzählt sich hier übrigens, dass Romy Schneider einen guten Teil ihrer Kindheit in Rodenkirchen verbracht haben soll. Das ganze Veedel ist ein sehr geschichtsträchtiges Veedel.
Römische Funde zeugen von einer frühen Besiedlung. Erstmals wurde das Veedel 989 in einer Schenkungsurkunde erwähnt: Erzbischof Evergerus übergab das Gut "Rodenkirchhof" an das Stift Sankt Martin.
Auch bei einem Eis auf dem Maternusplatz ist die Geschichte des Ortes gegenwärtig. So war der Platz in den 1950er Jahren eine Wiese, dann ein Parkfläche, inzwischen ist der Platz ein belebter und beliebter Treffpunkt.
Rodenkirchen und alt? Von wegen!
Oft heißt es, in Rodenkirchen würden vor allem ältere Menschen leben – doch ein Blick auf die statistischen Angaben der Stadt zeigt: Die Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen ist hier am stärksten vertreten.
Es gibt schon Dinge, die noch besser werden müssen. Zum Beispiel zog die Kammeroper nach fünf Jahren weiter, die Jugendkunstschule musste ebenso weichen wie die Erziehungsberatungsstelle, auch ein eigenes Theater fehlt.
Der Neubau des Bezirksrathauses und die schwierige Frage der Brückensanierung sind Großbaustellen. Doch in Anbetracht des herrlichen Ambientes geraten diese Themen schnell in den Hintergrund – bei diesem Ausblick auf den Rhein kann man sich schwerlich ernsthaft aufregen.
- Eigene Besuche, eigene Erfahrungen, Gespräch mit Dieter Maretzky