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Prozess in Köln: Oberstaatsanwalt selbst angeklagt


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Prozess in Köln
Oberstaatsanwalt sitzt selbst auf der Anklagebank


18.02.2022Lesedauer: 2 Min.
Ungewohnter Platz beim Prozess im Gerichtssaal: Ein pensionierter Oberstaatsanwalt (links) musste selbst als Angeklagter im Strafverfahren erscheinen.Vergrößern des Bildes
Ungewohnter Platz beim Prozess im Gerichtssaal: Ein pensionierter Oberstaatsanwalt (links) musste selbst als Angeklagter im Strafverfahren erscheinen. (Quelle: Johanna Tüntsch)

Weil er mehrere Verfahren zu Unrecht eingestellt haben soll, steht ein pensionierter Oberstaatsanwalt in Köln vor Gericht. Sein Verteidiger weist die Anschuldigungen zurück.

Es ist selten, dass ein Staatsanwalt im Strafprozess sowohl auf der Seite der Anklage als auch auf dem Platz des Angeklagten sitzt – doch vor dem Landgericht Köln ereignete sich am Donnerstag genau das.

Verhandelt wurde gegen einen 70-jährigen pensionierten Oberstaatsanwalt, dem Rechtsbeugung und Strafvereitelung vorgeworfen wird. Aus Neutralitätsgründen übernahm die Staatsanwaltschaft Aachen das Verfahren gegen den Kölner Juristen.

In den Jahren 2012 bis 2016 soll er in vier Wirtschaftsstrafverfahren Akten so manipuliert haben, dass Beschuldigte nicht ordnungsgemäß verfolgt werden konnten.

Köln: Es geht um vier Wirtschaftsverfahren

In einem Fall geht es um eine Reinigungsfirma, die scheinselbstständige rumänische Hilfskräfte ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt und deren Gehälter veruntreut haben soll.

Obgleich das Kölner Hauptzollamt in einem Bericht Verdachtsmomente und drei Beschuldigte ausdrücklich benannt haben soll, soll der zuständige Oberstaatsanwalt nur zwei dieser Personen verfolgt haben.

Im zweiten Fall soll der Angeklagte das Verfahren gegen einen Mann, der in betrügerische Investmentgeschäfte involviert war, unrechtmäßig eingestellt und die Einstellungsverfügung aus der Akte verschwinden lassen haben.

"Ungeheuerlich, absurd, lebensfremd"

Nach Einschätzung der Anwälte des 70-Jährigen, Jürgen Sauren und Philipp Stangier, mangelt es völlig an Beweisen für diese Anschuldigung. "Dass es seitens der Anklage der Staatsanwaltschaft Aachen für wahrscheinlicher erachtet wird, dass unser Mandant eine Verfügung aus einer Akte verschwinden lässt, als dass auch einer noch so zuverlässigen Geschäftsstelle ein simpler Zahlendreher oder Schreibfehler bei der Erfassung eines Verfahrens unterlaufen könnte, ist ungeheuerlich", so Strafverteidiger Sauren.

"Absurd und lebensfremd" sei auch der erste Vorwurf, zumal gegen einen anderen der drei Verdächtigen damals noch ermittelt worden sei und man damit habe rechnen müssen, dass eine gezielte, unrechtmäßige Einstellung in diesem Zusammenhang aufgefallen wäre.

Die weiteren Anklagepunkte betreffen einen Fall aus Solingen, in dem ein Ehepaar seine Firma verkaufte. Dabei soll beiden im Vertrag ein Wohnrecht für ein Haus auf dem Firmengelände zugesichert worden sein.

Verfahren zu Unrecht eingestellt?

Da ihnen das später nicht gewährt wurde, folgte ein Strafverfahren, das der Oberstaatsanwalt mit Blick auf zivilrechtliche Aspekte eingestellt haben soll – zu Unrecht, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft Aachen.

Hier hielt die Verteidigung ebenfalls dagegen und argumentierte angesichts der Details des Falles: Die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung sei vom Gesetzgeber "exakt für entsprechende Fälle gemacht worden".

Verteidiger kritisiert Leitung der Staatsanwaltschaft

Während die Einzelheiten des Prozesses juristisch spitzfindig klingen, offenbart sich dahinter eine schicksalhafte Wendung am Ende eines langen Berufslebens: "Dass er nach über 36-jähriger Tätigkeit im Ruhestand gezwungen wird, ein Strafverfahren aus der Beschuldigtenperspektive erleben zu müssen, hat ihm vor Augen geführt, wie voreingenommen sich Strafverfolgung gerieren kann", so Rechtsanwalt Sauren über seinen Mandanten.

Die Einblicke hinter die Kulissen der Staatsanwaltschaft Köln zeigen: Bestimmte Bereiche – zumindest im fraglichen Zeitraum – waren offenbar völlig überlastet: "Zeitweise lag die Belastung der gesamten Abteilung bei über 172 Prozent", gab der Verteidiger an und kritisierte: "Abhilfe – zum Beispiel durch personelle Aufstockung – wurde sehenden Auges nicht vorgenommen." Das Überlastungsproblem sei der Leitung der Behörde bekannt gewesen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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