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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozessbeginn in Köln Ehemann akzeptiert Trennung nicht – 41 Stiche ins Gesicht
Ein Industriemechaniker soll seine Ehefrau brutal niedergestochen haben, weil er ihren Trennungswunsch nicht respektierte. Seit Montag steht er vor Gericht. Die Anklage: Mordversuch.
Vor dem Kölner Landgericht begann der Prozess gegen einen 41-Jährigen aus Köln. Er soll versucht haben, seine Ehefrau, mit der er eine Tochter hat, mit 41 Stichen ins Gesicht zu töten.
Leise hört man ein Schluchzen aus dem Lautsprecher, als im Gerichtssaal 13 des Kölner Landgerichtes Fotos an die Wand projiziert werden, die an einen Horrorfilm denken lassen: Sie zeigen das Gesicht einer jungen Frau, auf deren Haut sich zahlreiche kreisrunde Stichverletzungen abzeichnen. Aus ihnen läuft Blut, das Gesicht ist fast vollständig davon bedeckt.
Das Weinen, das die Vorlage der Bilder begleitet, stammt von der Frau, die auf den Bildern zu sehen ist. Am 17. Mai 2021 soll sie Opfer eines brutalen Überfalls durch ihren Ehemann geworden sein. Die beiden lebten bereits damals getrennt, inzwischen sitzt er in Untersuchungshaft. Die Scheidung der beiden steht noch aus, berichtet die 30-Jährige, die derzeit studiert, um Elektroingenieurin zu werden. Als Zeugin und Nebenklägerin sagt sie vor der 5. Großen Strafkammer aus. Eine persönliche Begegnung mit ihrem Ehemann kommt für sie jedoch nicht infrage, die Vernehmung findet daher per Video statt.
Prozess in Köln: "Entweder, du akzeptierst mein Verhalten, oder ich töte dich"
"Ich erwartete ihn hinter jeder Ecke und passte unterwegs immer auf. Schon in der Ehe hat er gesagt: Entweder, du akzeptierst mein Verhalten, oder ich töte dich", so die Frau. Am fraglichen Tag sei sie aber durch einen Anruf abgelenkt gewesen, als sie von der Kita kam, in die sie gerade ihre kleine Tochter gebracht hatte.
"Er sprach mich an und sagte: 'Stopp, ich möchte mit dir reden!' Dabei hat er an meine Schulter gefasst. Ich habe aber sofort gesehen, dass er eine Metallstange in der Hand hatte", so die Zeugin. Sofort habe sie in Richtung einer belebten Straße davonlaufen wollen. Er habe sie aber gepackt, mit einer Hand gewürgt, mit der anderen das Metallstück vor ihr Gesicht gehalten. Schließlich sei sie zu Boden gegangen. Er habe ihr die Luft abgedrückt und sie mit Stichen attackiert. Die genauen Abläufe könne sie nicht mehr schildern: "Es ist lange her. Ich hatte das Gefühl: Ich kämpfe um mein Leben! Ich habe keine genaue Erinnerung", antwortet sie auf die Fragen des Vorsitzenden Richters.
Im Grundsatz bestreitet der Angeklagte, ein 41-jähriger Industriemechaniker, die Tat nicht. Entscheidend für die Einordnung wird aber sein, ob das Gericht seiner Darstellung folgt, nach welcher die Tat sich spontan ergab, nachdem die Frau ihn provoziert hatte, oder ob die Kammer den Angaben der Zeugin Glauben schenkt, auf denen die Anklage der Staatsanwaltschaft ruht. Die geht von einem versuchten Mord aus und sieht beim Angeklagten niedrige Beweggründe: Er habe die Trennungsabsichten seiner Ehefrau nicht akzeptieren wollen.
Streit um Tunesien-Reise während Pandemie
2014 habe das Paar geheiratet, 2015 sei die Frau von Tunesien nach Deutschland gekommen und schwanger geworden. Sie habe aber zunächst über eine Abtreibung nachgedacht, um ihr Studium realisieren zu können: Das geht aus einer Erklärung des Angeklagten hervor, die dieser über seinen Verteidiger abgeben ließ. Der Angeklagte habe daher das Gefühl gehabt, dass die Frau ihn nur geheiratet habe, um in Deutschland studieren zu können.
Im Jahr 2020 sei der Angeklagte in Tunesien gewesen, um seiner Mutter zu helfen. Innerhalb dieser Zeit sei die ebenfalls dort lebende Großmutter seiner Ehefrau gestorben, woraufhin die Frau mit der gemeinsamen Tochter zur Beerdigung reisen wollte. Das habe der Angeklagte aufgrund der Pandemie aber abgelehnt. "Der soll sehen, was er davon hat, dass er mir verbietet, zur Beerdigung meiner Großmutter zu fahren", soll daraufhin die junge Ehefrau zu ihrer Schwägerin gesagt haben. Als der Angeklagte schließlich aus Tunesien nach Köln zurückkehrte, habe er die Wohnung verlassen vorgefunden, heißt es in der Erklärung.
Richter: Anzahl an Stichen ist enorm
"Ich habe mich mit dieser dritten Scheidung abgefunden“, lässt der Angeklagte über seinen Anwalt verkünden: "Es ging mir nur um meine Tochter, die ich sehen wollte." Am mutmaßlichen Tattag sei er seiner Frau zufällig begegnet und habe nach der Tochter gefragt, die er zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr gesehen habe.
"Du wirst sie sehen, wenn ich es dir erlaube", soll die Antwort gewesen sein. Daraufhin habe er seine Frau zunächst zweimal mit der Faust geschlagen. Als sie ihm dann gedroht habe: "Du wirst deine Tochter nie wieder sehen", sei er ausgerastet und habe mit einem Schlüsselbund zugestochen. Tötungsabsichten bestreitet er jedoch und argumentiert, dass er in dem Fall auf anderes Werkzeug zurückgegriffen hätte: "In meinem Auto hatte ich sogar ein Beil dabei." Auch das wird von den Prozessbeteiligten per Fotodokumentation im Verhandlungssaal in Augenschein genommen. "Ja, das hatte er, glaube ich, immer dabei", bestätigt die Ehefrau.
Der Vorsitzende Richter Peter Koerfers macht keinen Hehl daraus, dass die Intensität der mutmaßlichen Tat auch für seine Kammer nicht alltäglich ist: "Das Gesicht, das hat 40 Treffer abbekommen! 40, das ist schon eine enorme Zahl!" Ob der Gegenstand, mit dem sie die Stiche ins Gesicht erlitt, ein Schlüssel, ein Kugelschreiber oder ein Schraubenzieher war, kann die Zeugin nicht sagen.
Umso eindrücklicher ist ihr jedoch der Angriff in Erinnerung: "Mein weißes Hemd war rot, trotzdem hat er immer weiter gemacht." Das Verfahren wird fortgesetzt. Das Urteil ist nach derzeitigem Stand für den 16. Februar anberaumt.
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