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Kölner Kripo-Chef Becker: "Die wissen nicht, was sie tun"


Interview
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Kölner Kripo-Chef
"Die Stadt ist sicherer geworden"

InterviewVon Carlotta Cornelius

25.12.2021Lesedauer: 5 Min.
Stephan Becker, Chef der Kriminalpolizei Köln: "Unterm Strich kann man sagen: Die Stadt ist sicherer geworden."Vergrößern des Bildes
Stephan Becker, Chef der Kriminalpolizei Köln: "Unterm Strich kann man sagen: Die Stadt ist sicherer geworden." (Quelle: Thomas Banneyer/t-online)

Von der einstmaligen "Stadt der Diebe" ist 2021 in Köln nicht viel übrig geblieben. Im Gespräch mit t-online erklärt Stephan Becker, Chef der Kripo, wie es um die Kriminalität in der Domstadt bestellt ist.

Messerangriffe, Corona, Karneval: Die Kripo-Köln blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Für Stephan Becker, Chef der Kölner Kriminalpolizei, fällt die Bilanz durchaus positiv aus. Im Gespräch mit t-online erklärt er, was sich 2021 in der Domstadt gebessert hat – und welche Probleme die Polizei im kommenden Jahr noch in Atem halten werden.

t-online: Herr Becker, erst Mitte November erschütterte der Fall einer ermordeten Mutter und ihres 4-jährigen Kindes die Bevölkerung. Rückblickend auf das Jahr betrachtet: Ist unsere Stadt sicher?

Stephan Becker: Vielleicht versuchen wir es zunächst mit ein paar Zahlen: 2015, im Jahr der Silvesternacht, hatten wir in Köln etwa 169.000 Straftaten. Die Aufklärungsquote lag bei 43,3 Prozent. Jetzt, Ende 2021, werden wir bei etwa 120.000 Straftaten landen, mit einer Aufklärungsquote von wahrscheinlich über 50 Prozent. Die Kriminalität hat sich also binnen sechs Jahren um ein Drittel verringert und wir haben eine deutlich höhere Aufklärungsquote. Unterm Strich kann man also schon sagen: Die Stadt ist sicherer geworden.

Woran liegt das?

Wir haben nach der Silvesternacht 2015 die Strategie der Behörden geändert und ein Präsenz-Konzept entwickelt, bei dem wir auf deutlich aktivere Schutzpolizei und Zivilkräfte auf der Straße setzen. Heute ist die Polizei viel präsenter, kümmert sich intensiver um kritische Bereiche wie den Neumarkt oder den Ebertplatz. Polizisten sprechen Leute an und sind Ansprechpartner. Zum anderen haben wir bei der Kriminalpolizei in der Organisation einiges geändert und unsere Prozesse überprüft. Da sind wir deutlich effizienter geworden.

Nennen Sie mir ein Beispiel.

Wir haben Mitte 2020 ein eigenes Kommissariat eingerichtet, das sich ausschließlich mit der Bekämpfung von Kinderpornografie beschäftigt. Früher wurde das vom Kommissariat 12 bearbeitet, das sich mit allen Sexualstraftaten beschäftigt. Jetzt läuft das wesentlich professioneller. Wenn man sich nur mit einem Phänomen beschäftigt, dann ist man in dem Bereich natürlich richtig fit und richtig gut. Und das führt dann auch zu besseren Ergebnissen.

In welchem Bereich verzeichnen Sie derzeit die größten Erfolge?

Bei Wohnungseinbrüchen verzeichnen wir die niedrigsten Zahlen seit 1980. Auch Taschendiebstähle sind deutlich zurückgegangen. Köln galt mal als Hauptstadt der Taschendiebe. Das ist heute lange nicht mehr so! Unter anderem dadurch, dass wir ein eigenes Kommissariat von Kripo Köln und Bundespolizei haben, das sich ausschließlich damit beschäftigt. Die Kollegen dort arbeiten sowohl als Zivilfahnder als auch als Ermittler. Vor allem im Innenstadtbereich sind viele Profi-Taschendiebe unterwegs und die Kollegen kennen natürlich ihre Pappenheimer.

Sie erwähnten eben die Wohnungseinbrüche. Was kann ich als Bürger tun, um mich davor zu schützen?

Gestern hatten wir wieder so einen Fall: Hahnwald, Fenster auf Kipp, abends – das ist für die Täter ein gefundenes Fressen. Ein gekipptes Fenster ist für die wie eine offene Tür. Die waren ruckzuck drin, ruckzuck wieder raus, Schaden über 100.000 Euro und die Bewohner waren sogar noch zu Hause. Deshalb empfehle ich jedem unsere Beratungsstelle, wo erklärt wird, wie man ein Haus sichert. Die Leute glauben immer, so etwas kostet ein Vermögen, das stimmt aber gar nicht.

Vom Guten zum Schlechten: Welches Kriminalitätsphänomen drängt in Köln derzeit am meisten?

Im Betrugsbereich explodieren die Zahlen im Moment, vor allem die Betrugsdelikte im Netz. Das ist auch eine Folge von Corona, weil viele Leute nicht mehr in den Läden einkaufen. Dann geraten sie online an einen Fake Shop, zahlen Vorkasse, kriegen keine Ware und das Geld ist weg. Wir haben aber auch den umgekehrten Fall: Täter, die unter falschem Namen hochwertige Waren bestellen und dann vor der Haustür die Lieferung abpassen. Es gibt also nicht nur betrogene Kunden, es gibt auch betrogene Unternehmen.

Die Stadt war zuletzt insbesondere wegen der vielen Messerattacken in den Schlagzeilen …

Das ist für uns ein wichtiges Thema. 2018 haben wir in Köln und Leverkusen 692 Fälle mit Messern oder sonstigen Stichwaffen gehabt, 2020 waren es 645. Dieses Jahr kämen wir laut Hochrechnung auf etwa 100 weniger. Auch das hat etwas mit Corona zu tun. Wenn die Partyszene nicht aktiv ist, dann ist da auch keiner mit Messer unterwegs. Insbesondere in diesen Bereichen stellen wir häufiger fest, dass vor allem junge Menschen Messer mitführen.

Das Problem ist, die wissen nicht, was sie da tun. Zu sagen: Ich habe ein Messer mit, um mich zu verteidigen, ist Unsinn. Wenn alle kein Messer mithätten, würde auch weniger passieren. Das ist wie in Amerika mit den Schusswaffen. Wie die mit ihrem Messer agieren und was für ein Ergebnis das bringt, haben die Täter in so einem Tumult nicht in der Hand. Diese Unvernunft macht mir große Sorgen.

Könnten Waffenverbotszonen eine Lösung sein? Oder verlagert sich das Problem dadurch lediglich auf andere Bereiche?

Ich erhoffe mir davon schon einen Effekt, weil sie uns andere Interventions- und Kontrollmöglichkeiten bieten. Viele Messer, die mitgeführt werden, unterliegen zum Beispiel nicht dem Waffengesetz – anders in den Verbotszonen. Für lebensgefährliche Verletzungen reicht ein normales Küchenmesser unter Umständen aber schon aus. [Seit dem 21. Dezember bestehen Waffenverbotszonen an den Kölner Ringen und an der Zülpicher Straße, das Interview wurde vorab geführt, Anm. d. Red.]

Waffenverbotszonen sind ein finales Mittel. Was wurde bislang getan, um Delikten mit Stichwaffen vorzubeugen?

Präventiv müsste man sagen, das fängt bei der Erziehung im Elternhaus an. Wir von der Kölner Polizei machen in den Schulen Präventionsveranstaltungen zu allen möglichen Themen. Aber diese Klientel ist für uns wirklich schwer zu erreichen.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Welches Kriminalitätsphänomen nimmt auf Ihrer Agenda 2022 einen besonderen Platz ein?

In Köln haben wir mit den Bandidos und den Hells Angels ja ein besonderes Phänomen, die Rockerkriminalität. Da hatten wir bis 2019 ziemliche Probleme. Die Gruppen haben sich auf offener Straße bekriegt, das war teilweise wie im Wilden Westen. Das haben wir mit konzentrierten Aktionen ziemlich erfolgreich eingedämmt.

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Mittlerweile haben wir allerdings den Eindruck, dass es langsam wieder losgeht. Vor Kurzem haben wir deshalb mit 15 SEKs Wohnungsdurchsuchungen durchgeführt. Die müssen einfach merken, dass wir eine niedrige Einschreitschwelle haben, was Rocker angeht. Wenn man das laufen lässt, kriegt man das ganz schwer wieder zurückgedreht.

Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Stephan Becker
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