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Prozess in Köln: Notruf nach Mordversuch: "Schnell, meine Mutter schreit unten"


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Anklage wegen Mordversuch
Notruf nach Messerstichen: "Schnell, meine Mutter schreit unten"


18.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Ein Anwalt sitzt mit gefalteten Händen im Gerichtssaal (Symbolbild): Am Kölner Landgericht wird aktuell der Fall eines 19-Jährigen verhandelt, der versucht haben soll, die Mutter einre Mitschülerin zu ermorden.Vergrößern des Bildes
Ein Anwalt sitzt mit gefalteten Händen im Gerichtssaal (Symbolbild): Am Kölner Landgericht wird aktuell der Fall eines 19-Jährigen verhandelt, der versucht haben soll, die Mutter einre Mitschülerin zu ermorden. (Quelle: biky/imago-images-bilder)
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Ein 19-Jähriger steht wegen versuchten Mordes an der Mutter einer Mitschülerin vor Gericht. Während Gutachten offenlegen, dass dem Angeklagten seine hohe Intelligenz und sein zerrüttetes Elternhaus zum Verhängnis wurden, zeigt eine Aufnahme des Notrufs das dramatische Durcheinander des Tattages.

Im Prozess gegen den 19-Jährigen aus Leverkusen, der in Köln wegen versuchten Mordes angeklagt ist, sagten am Mittwoch die Gutachter aus. Der lange Prozesstag verlangte dem Angeklagten, der Nebenklägerin und den Angehörigen, die im Zuschauerraum saßen, emotional einiges ab.

Differenziert äußerte sich Rechtsmedizinerin Inga Bützler zunächst zu den 36 Verletzungen, die das Opfer erlitten hatte. Bei der Frau handelt es sich um die Mutter einer früheren Mitschülerin des Täters.

Mordversuch in Leverkusen: "Ohne medizinische Maßnahmen wäre sie innerhalb von Minuten verstorben"

Sachlich sprach Bützler von "27 Hautdurchtrennungen", von hoher Stichenergie, einer kollabierenden Lunge, Organen im Brustkorb, die sich verschoben. Die Forensikerin machte klar: "Ohne umgehende medizinische Maßnahmen wäre sie innerhalb von Minuten verstorben."

Die Betroffene legte beim Zuhören gelegentlich eine Hand schützend vor das Gesicht und wischte sich mit Taschentüchern die Augen. Ihr Mann ließ keine Reaktion erkennen. Die Tochter der beiden zog sich, während die Gutachterin die lebensrettenden Schritte des Notarztes beschrieb, im warmen Gerichtssaal fröstelnd ihre dicke Winterjacke über.

Notruf im Gerichtssaal abgespielt: Schreie von Mutter und Tochter

"Jetzt ist der Moment gekommen, an dem die Nebenklägerin und ihre Tochter den Saal verlassen sollten", warnte etwas später die Vorsitzende. Die Aufzeichnung des Notrufes sollte als Beweismittel abgespielt werden. Trotz der richterlichen Empfehlung entschieden sich beide Frauen zum Bleiben.

Durch den Saal schrillte die jugendliche Mädchenstimme, die ihre Adresse durchgab und schrie: "Schnell, meine Mutter schreit unten. Ich glaube, es wurde eingebrochen." Auf die nüchterne Bitte der Beamten, dass zunächst weitere Angaben nötig seien, folgt ein erschütterndes Durcheinander von gellenden Mädchenschreien und einem fast animalisch anmutenden, panischen Brüllen ihrer lebensgefährlich verletzten Mutter. Dann bricht die Aufzeichnung ab.

Psychologe: Intelligenzquotient "weit über dem, was wir messen können"

"Der Angeklagte sagte mir, er sehe nahezu jeden Tag innerlich die Bilder der Tat vor sich und das belaste ihn sehr", berichtete Hanns Jürgen Kuhnert, der das psychologische Gutachten erstellt hatte. Der junge Mann habe einen Intelligenzquotienten, der weit über dem Durchschnitt liege, "weit über dem, was wir überhaupt messen können".

Seine Intelligenz sei aber nicht geformt und unterstützt worden. Er sei sensibel, empfindsam, chronisch gestresst, lebensunzufrieden, misstrauisch und bindungsgestört. Der Heranwachsende, dem Smalltalk nicht liege, habe ein narzisstisches Einzelgängertum entwickelt.

Unter anderem zeige er auch zwanghafte und depressive Züge. "Ich gehe davon aus, dass er von der Haft profitiert. Dort findet er äußerlich eine ausgeprägte Struktur, die ihm innerlich fehlt. Er ist sehr verkopft, aber bis jetzt nicht ins Leben gegangen. In einer Therapie müsste er in kleinen Schritten Vertrauen lernen", so Kuhnert.

Der psychologische Sachverständige sprach von einer "schwerwiegenden, komplexen Persönlichkeitsakzentuierung, nicht aber typischen Störung".

Mutter des Angeklagten soll gesagt haben, sie bereue seine Geburt

"Er ist wohl so geworden, weil er sich nie richtig verstanden gefühlt hat", zitierte die psychiatrische Gutachterin Konstanze Jankowski später Worte der Abiturientin, deren Mutter zum Tatopfer wurde. Die Psychiaterin referierte aus Gesprächen, die sie mit dem Angeklagten hatte, und gab damit Einblick in eine verstörende Kindheit.

"Als er klein war, soll seine Mutter zu ihm gesagt haben: Sie bereue, dass er geboren worden sei. Am liebsten würde sie ihn töten und im Blumenbeet begraben." Später soll der Junge erlebt haben, dass die Mutter die älteren Brüder schlug und trat, ihn hingegen bevorzugte.

Zusätzlich sollen Kränkungen durch andere Kinder hinzugekommen sein. In der Grundschule habe ihn ein älterer Schüler gezwungen, sich vor anderen nackt auszuziehen. "Urvertrauen konnte sich nicht entwickeln, Liebe hat gefehlt", so die Erkenntnis der Psychiaterin. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen geht sie von einer Persönlichkeitsstörung aus.

Anzeichen, die für die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung sprechen, sehe sie nicht, sprach sich aber für eine Sicherungsverwahrung aus.

Verurteilung nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht?

Der Termin für die Urteilsverkündung, ursprünglich für diesen Mittwoch anberaumt, steht noch nicht fest. In einer ergänzenden Stellungnahme sollen die Gutachter aus Psychologie und Psychiatrie sich am Montag dazu äußern, ob für den 19-Jährigen Sicherheitsverwahrung angeordnet werden muss.

Uneinigkeit herrscht unter den Fachleuten zur Frage, ob der Heranwachsende nach Jugendstrafrecht zu verurteilen ist. Diese Möglichkeit besteht für Heranwachsende – also bis zum Alter von 21 Jahren –, wenn sie in ihrer Entwicklung noch jugendtypische Merkmale aufweisen.

Verwendete Quellen
  • Anwesenheit in der Gerichtsverhandlung
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