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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Flutkatastrophe im Ahrtal Wie ein Fuchs bei der Suche nach den letzten Vermissten hilft
Noch immer sind nach der Flutkatastrophe im Ahrtal nicht alle Vermissten gefunden worden. Die letzte Hoffnung ihrer Angehörigen könnte ein Fuchs sein. Spürhunden hat er einiges voraus.
Wenn Marko Weber zurückblickt, hätte er vor einigen Monaten wohl nicht gedacht, dass er einmal mit Drohnen über Wälder fliegt und mit einem Fuchs durch Geröll und Holz geht, auf der Suche nach vermissten Menschen. Und doch hat der Unternehmer, der mit seiner Familie eine kleine Wildtierhilfe im Hunsrück betreibt, in den letzten Wochen genau das gemacht.
Zuletzt ging er immer wieder an den Rändern der Ahr durch das Mündungsgebiet zum Rhein. Immer mit an der Leine: "Shadow", ein ein Jahr alter Silberfuchs. Seit seiner Geburt lebt das Tier, dessen Mutter aus einer Pelztierfarm in Polen stammt, bei Weber. Mit der Flasche hat er den kleinen Fuchs großgezogen. Im Ahrtal ist "Shadow" auf der Suche nach den letzten Vermissten der Flutkatastrophe vom Juli.
Vermisstensuche im Ahrtal: "Shadow" ist der bessere Spürhund
"Füchse können 250 Mal besser riechen als Hunde", erklärt Marko Weber. Außerdem seien sie Aasfresser. Wenn "Shadow" etwas aufspürt, fängt er an zu graben. "Dann ist er mir gegenüber auch nicht mehr so freundlich."
Spürhunden gegenüber habe der Fuchs auch weitere Vorteile: Da es für ihn sich wie ganz normale Futtersuche anfühle, brauche er weniger Pausen: "Drei Stunden am Stück sind kein Problem", sagt Weber. Zudem mache sich sein feines Näschen bemerkbar: Wenn er an einer Stelle anschlägt, dann liegt dort auch etwas begraben.
Seit vier Jahren päppelt Marko Weber mit seiner "Wildtierhilfe an der Loreley" verletzte und verwaiste Wildtiere auf, neben Füchsen vor allem Wildkatzen. Nach der Flut im Ahrtal bot er an, für das Veterinäramt bei der Suche nach Tierkadavern zu helfen, um die Ausbreitung von Seuchen einzudämmen.
Zwölf Tage nach der Katastrophe flog Weber erstmals mit einer Drohne über das Gebiet, nachts, mit einer Infrarotkamera ausgestattet. "Die Tierrettung Südbaden hat dann tagsüber die Bergung gemacht", erzählt Weber. Bereits nach wenigen Tagen stieß er dann in der Ahrschleife nicht bloß auf Tiere – sondern auch auf drei menschliche Leichen.
Traurige Gewissheit nach mehreren Monaten
Im Ahrtal machte die Arbeit von Weber schließlich die Runde – und eine Privatperson sprach ihn an und fragte ihn nach Unterstützung beim Finden ihrer Mutter. Die Frau galt seit vielen Wochen als vermisst, die offizielle Suche sei eingestellt worden. Weber sagte zu. Mit seiner Drohne fand er zunächst nur den ebenfalls vermissten Hund, der die Flut nicht überlebt hatte.
Bei der Drohnensuche stieß Weber auf Einschränkungen: Über einem Naturschutzgebiet durfte er aufgrund der dort lebenden Tiere nur mit einer Mindesthöhe von 50 Metern fliegen. Zu hoch, um tatsächlich etwas sehen zu können, sagt er.
Dann kam "Shadow" ins Spiel: "Ich habe erst mit den Angehörigen gesprochen", erzählt Weber. Die hätten dann das Okay gegeben, mit dem Fuchs nach der Mutter und anderen Vermissten zu suchen.
Im Ahrtal fand der Fuchs bislang jedoch lediglich Tierkadaver. Die Frau, die "Shadow" ursprünglich suchen sollte, ist mittlerweile gefunden: Ihre Leiche war bereits vor einigen Wochen in Rotterdam entdeckt worden, wohin sie offenbar im Rhein getrieben war. Erst eine DNA-Analyse hatte jedoch die traurige Gewissheit gebracht, dass es sich um sie handelte.
Nach Flutkatastrophe im Ahrtal: Noch zwei Vermisste
Der Fuchs von Marko Weber hat mittlerweile einige Fans gewonnen – auf Facebook etwa teilt die Wildtierhilfe Videos von der Suche. Mit dem Konterfei von "Shadow" gibt es seit Neuestem zudem T-Shirts und Tassen in einem kleinen Shop – doch den Erlös möchte Weber nicht für seine ehrenamtliche Arbeit. Stattdessen soll dieser zu 100 Prozent an bedürftige Kinder im Ahrtal gehen. Möglichst noch vor Weihnachten will er ihnen eine Freude bereiten, erzählt er.
Mindestens 134 Menschen waren bei der Flut im Ahrtal ums Leben gekommen, aktuell werden noch zwei vermisst. Vier Gebiete gebe es hier noch mit angeschwemmtem Treibgut, die noch nicht untersucht worden seien, erklärt Weber. Sie alle befinden sich im Naturschutzgebiet im Mündungsbereich der Ahr in den Rhein. Nach derzeitigem Stand sollen sie auch nicht geräumt werden, denn dafür müsste ein Bagger eingesetzt werden.
Sollten die Behörden die Räumung doch noch anordnen, dann würde auch "Shadow" dort wieder zum Einsatz kommen, sagt Weber – und die Suche nach den Vermissten könnte vielleicht endgültig beendet werden.
- Gespräch mit Marko Weber