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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Konvertierte Muslimin "Auf das Kopftuch reagierte meine Familie erst nicht so tolerant"
Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan geben Kölner Musliminnen und Muslime Einblicke, wie sie diese Zeit erleben. Diesmal: Die 20-jährige Aaliya Eler, die früher Christin war.
Aaliya Eler wuchs als evangelisches Kind mit dem Namen Lydia auf. Im vergangenen Dezember konvertierte die 20-Jährige zum Islam, erhielt auf ihre Bitte hin einen muslimischen Vornamen. Nun erzählt sie von ihren Erfahrungen mit dem Ramadan – 2020 noch auf Probe, jetzt mit klarem Bekenntnis.
"Es ist mein erster richtiger Ramadan, denn ich bin erst im vergangenen Dezember zum Islam konvertiert. Vorher war ich evangelisch-christlich, bin aber auch mit vielen Muslimen aufgewachsen und war schon immer neugierig auf ihren Glauben. Mein Stiefvater war auch Moslem, wenn auch nicht praktizierend. Ihm habe ich viele Fragen über den Islam gestellt.
Familie reagierte nicht tolerant auf Kopftuch
Prägend war für mich die Freundschaft, die ich am Berufskolleg mit einer Muslimin schloss. Sie nahm mich mit zu Veranstaltungen ihrer Gemeinde, die etwas völlig Neues für mich waren. Ich traf dort auf so viele gebildete, selbstbestimmte Frauen, und es lag etwas Spirituelles in der Luft, das mich einfach angezogen hat. Wenn ich Fragen hatte, bekam ich immer Antworten, die mich schließlich mehr überzeugt haben als der evangelische Religionsunterricht.
Mein Weg in die Gemeinde war eine Reise, bei der es manchmal auch Hürden gab. Zum Beispiel habe ich mit dem Kopftuch experimentiert, und meine Familie reagierte erst einmal nicht so tolerant. Mit der Zeit legte sich das aber, denn ich bin jetzt mehr als früher für meine Familie da. Interessanterweise unterstützte mich gerade eine nicht-gläubige Freundin. Sie hat gesagt: "Das passt zu dir."
Fasten bei neun Stunden Arbeit – eine Herausforderung
Im vergangenen Jahr war ich noch keine erklärte Muslimin, aber schon sehr überzeugt. Auch da habe ich den Ramadan mitgemacht, denn ich wollte wissen, wie es sich anfühlt und dem Erleben dieser Zeit auf den Grund gehen. Damals war ich in der Abiturphase. Arabisch konnte ich noch nicht, ich habe jetzt erst angefangen, es zu lernen. Auch die Pflichtgebete konnte ich noch nicht sprechen. Also habe ich den Koran auf Deutsch gelesen und zu den Zeiten der Pflichtgebete meine eigenen, stillen Gebete formuliert.
Ich wollte wissen: Wie geht der Weg für mich weiter? Ich hätte es gar nicht so gedacht, aber es war eine wunderschöne Zeit; ein Monat, in dem sich mein Glaube noch viel stärker entwickelt hat. Ich komme ohnehin gut klar, wenn ich einmal längere Zeit auf Essen und Trinken verzichten muss, daher war das keine Schwierigkeit für mich.
Derzeit arbeite ich im Versandhandel bei Amazon. Jeden Tag bin ich neun Stunden lang bei der Arbeit: Da ist das Fasten schon eine andere Herausforderung. Ich mache körperliche Arbeit, das ist während des Ramadan nicht immer einfach, aber ich empfinde es als machbar, denn es kommt auch darauf an, mit welcher Intention man fastet.
Wenn man das Fasten mit Hingabe und Aufrichtigkeit angeht, so fällt es einem leichter und man sieht es nicht als Last. Ich kann sogar den Tag über die Pflichtgebete einhalten, denn mein Arbeitgeber ist extrem tolerant. Es gibt dort sogar Kabinen, in denen man beten kann.
Keine Fertiggerichte
Da ich allein lebe, bin ich manchmal zum Fastenbrechen bei einer Freundin eingeladen, aber oft auch allein. In den anderen Monaten mache ich mir abends einfach etwas zu essen, das schnell geht; auch schon mal ein Fertiggericht. Im Ramadan würde ich das nicht tun. Ich versuche, etwas Gesundes zuzubereiten, auf das ich mich freue – Salat, Obst, Reis und Gemüse zum Beispiel.
Mir gibt der Ramadan Kraft. Es ist die Zeit der Wertschätzung und Dankbarkeit, eine Zeit der inneren Einkehr. Er stärkt meine Bindung zu Gott und die Erfahrung, dass etwas möglich ist, das man vielleicht für unmöglich gehalten hat."
- Gesprächsprotokoll: Johanna Tüntsch