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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Muslime aus Köln Ramadan-Tagebuch: "Manchmal bin ich im Gebet den Tränen nah"
Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan berichten wir in loser Reihenfolge davon, wie gläubige Musliminnen und Muslime in Köln diese Zeit erleben.
Einen Monat Verzicht: Bis zum 12. Mai fasten gläubige Muslime – aus Verbundenheit zu Gott, und um Körper und Seele zu reinigen. Wir haben Fastende aus Köln gebeten, uns an ihrem Ramadan teilhaben zu lassen. In Teil zwei erzählt die freiberufliche Illustratorin Aamna Azhar-Khan (27).
Teil zwei: "Gefühl, dass ich alles richtig machen will" (Aamna Azhar-Khan)
Der Ramadan hat eine besondere Dynamik. Ich freue mich immer schon vorher darauf, Gott während dieser Zeit auf eine ganz bestimmte Weise näher zu kommen und mich mehr den guten Dingen zu widmen. Eine große Rolle spielt für uns im Ramadan zum Beispiel die Hilfsbereitschaft, sei es gegenüber Verwandten oder generell allen hilfsbedürftigen Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres Glaubens. Dieses Gefühl, dass ich alles richtig machen will, wird im Laufe des Ramadans immer stärker!
Seit einigen Jahren führe ich einen Ramadan-Kalender. Das hat mir sehr dabei geholfen, meinen Tag zu strukturieren. Durch die Erfahrung und Reflektion weiß ich, worauf ich achten möchte und wie ich meine Zeit am besten einteile, um regelmäßig zu beten und Gutes zu tun. Für jeden Tag sind fünf Pflichtgebete vorgesehen, zusätzlich kann man weitere freiwillige Gebete sprechen. Auch diese Gebete finden im Kalender Platz. Außerdem gibt es Platz, um Gefühle und Empfindungen des Tages zu reflektieren.
In Amerika sind Ramadan-Kalender sehr beliebt – ähnlich wie Bullet Journals, also Kalender, die man selbst gestaltet. Momentan arbeite ich an einem Ramadan-Kalender, den ich dann auch für andere drucken lassen möchte. Ich bin nämlich freiberufliche Illustratorin. Für den Kalender zeichne ich sehr farbenfrohe Motive, wie Zitronen und Rosen, aber auch Datteln, eine Mondsichel und ein Galaxie-Muster. Insgesamt werden es 30 Bilder, da der Ramadan 30 Tage lang ist.
Unser Fastenmonat ist übrigens unterteilt in dreimal zehn Tage, die verschieden benannt sind: die Tage der Gnade, die Tage der Vergebung und die Tage der Erlösung vor dem Feuer. Wir glauben, dass es in den letzten zehn Tagen unter den Nächten mit ungeradem Datum eine gibt, in der Allah der Menschheit am nächsten ist, in der er seine Segnungen auf die Menschen sendet und Fehler vergeben kann.
Mein Mann und ich leben bei meinen Schwiegereltern und mit seinen beiden Schwestern zusammen. Wir beginnen den Tag vor Sonnenaufgang mit einer gemeinsamen kleinen Mahlzeit, dann beten wir, danach folgt einer Rezitation aus dem Heiligen Koran, die jede und jeder von uns einmal übernimmt.
Gut finde ich, dass wir den Koran neben dem arabischen Text auch dessen Übersetzung in unserer eigenen Sprache, also auf Urdu oder auf Deutsch, lesen können. In diesen beiden Sprachen beten wir auch oft, denn wir alle sind entweder hier geboren oder aufgewachsen und sprechen auch untereinander oft Deutsch. In der eigenen Sprache fühlt man sich Gott näher.
Es bedeutet mir viel, den Ramadan in der Familie gemeinsam zu erleben. Zum Beispiel freue ich mich über die kindlich-süßen Äußerungen, die meine 10-jährige Schwägerin manchmal macht, wenn sie sagt: "Allah hat meine Gebete erhört, wir haben etwas Leckeres zu essen!"
Auch ich empfinde während des Ramadans meine Dankbarkeit gegenüber Gott besonders intensiv und bin manchmal im Gebet den Tränen nah, wenn ich darüber nachdenke, was ich alles bekommen habe und wie gut es uns geht. Wir leben sehr religiös, aber auch sehr modern: Wir reisen, schauen uns Serien an, lachen gemeinsam und laden gerne Freunde ein.
In Teil eins der Reihe berichtete die 19-jährige Lehramtsstudentin Anisha Khan: "Nach drei Tagen wird es leicht"
- Gesprächsprotokoll: Johanna Tüntsch