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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Einblick in Fastenmonat Ramadan-Tagebuch: "Nach drei Tagen wird es leicht"
Während des muslimischen Fastenmonats Ramadan berichten wir in loser Reihenfolge davon, wie gläubige Musliminnen und Muslime in Köln diese Zeit erleben.
Einen Monat Verzicht: Bis zum 12. Mai fasten gläubige Muslime – aus Verbundenheit zu ihrem Propheten, und um Körper und Seele zu reinigen. Wir haben Fastende gebeten, uns an ihrem Ramadan teilhaben zu lassen. Zum Auftakt erzählt die Kölner Lehramtsstudentin Anisha Khan (19).
Teil eins: "Es ist nur während der ersten drei Tage schwer" (Anisha Khan)
Es ist mein drittes Jahr, in dem ich im Ramadan durchgehend faste. Ich bin nun 19. Als ich 12 oder 13 war, habe ich während dieser Zeit aber auch schon meinen Konsum reduziert und mich mehr mit dem Koran auseinandergesetzt. Mit 16 habe ich entschieden, den Monat Ramadan hindurch komplett zu fasten.
Ich habe damals gemerkt: Ich möchte jetzt einen Schritt weiter gehen, um die Beziehung zu Gott zu intensivieren. Erwartet hat es niemand von mir, aber ich wollte es aus Liebe zu Gott tun. Mein älterer Bruder war damals 18 Jahre alt und sagte: Dann machen wir das gemeinsam. Unser jüngerer Bruder fastet jetzt auch. Er hat mit fünf oder zehn Tagen angefangen, dann zwei oder drei Wochen.
Fasten bedeutet zum einen: Ich verzichte von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang komplett auf Nahrung, trinke also auch nichts. Aber es geht auch um Enthaltsamkeit und darum, auf materielle Genüsse zu verzichten. Ich fokussiere mich in dieser Zeit ganz auf den Glauben, auf das Gebet, auf meine Beziehung zu Gott und stelle das Weltliche zurück. Dingen wie Social Media widme ich weniger Zeit.
Wir brechen Kontakte aber nicht vollkommen ab, sondern suchen in diesen Wochen ganz bewusst die Begegnung mit anderen Mitmenschen. Während der Schulzeit habe ich mich im Ramadan auch mit Freundinnen getroffen, aber das geht ja jetzt wegen Corona nicht.
In der Schule habe ich manchmal gehört: "Du tust mir leid, denn du darfst jetzt nichts essen." Aber das ist eigentlich nur während der ersten drei Tage schwer. Danach hat sich der Körper umgestellt. Was viele nichtmuslimische Mitschüler nicht verstehen konnten: Ich freue mich auf diesen Monat, es ist eine schöne Zeit! Man kommt der Familie näher, man schätzt alles mehr wert. Man geht mit dem Gefühl aus dem Ramadan, dass alles mehr Freude bereitet. Es ist eine Zeit, in der man den Alltag verändert.
Jetzt, wo man wegen Corona viel aufeinandersitzt, zankt man normalerweise auch etwas mehr. Aber schon der erste Tag war viel harmonischer als die Tage davor. Man gratuliert sich, wir wünschen einander einen gesegneten Ramadan mit guten Erfahrungen. Wir lesen, beten, konzentrieren uns auf den Dienst für Gott. Außerdem studiere ich natürlich weiter. Ich möchte Lehrerin für Mathe und Geschichte werden.
Wenn wir abends das Fasten brechen, kommen wir in der Familie alle zusammen. Zuerst gibt es dann Datteln und Wasser, denn mit Datteln hat der Heilige Prophet immer sein Fasten gebrochen. Anschließend gibt es ein gemeinsames Essen, bei dem wir sehr darauf achten, dass es nicht nur einer alleine vorbereitet, sondern alle mithelfen.
Wir bereiten etwas Leckeres zu, das jeder mag. Wir verteilen das Essen dann auch in der Nachbarschaft. Außerdem spenden wir während des Ramadan und beten auch für andere. Wichtig sind nämlich nicht nur die Pflichten gegenüber Gott, sondern auch die Pflichten gegenüber den Mitmenschen.
- Gesprächsprotokoll: Johanna Tüntsch