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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit Dolch getötet Lebenslange Haft für den Mörder von Hanna
Im Fall eines wegen Mordes angeklagten Mannes vor dem Kölner Landgericht ist das Urteil gefallen: Der 48-Jährige wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Für die Freundinnen der 22-Jährigen, die am 3. Juli 2020 in Leverkusen-Schlebusch mit über 30 Dolchstichen getötet wurde, war es ein Schlag ins Gesicht: Zwar verurteilte die 21. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts den 48-Jährigen, der die Tat begangen hat, wegen Mordes zu lebenslanger Haft, stellte jedoch keine besondere Schwere der Schuld fest. Schon die ersten Stiche, die das Opfer von vorne im Oberkörperbereich trafen, hätten die Vitalfunktionen zusammenbrechen lassen, wodurch das Opfer das Bewusstsein verloren habe. Aus diesem Grund sah die Kammer das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht erfüllt.
Die Strafe ist damit auf 15 Jahre begrenzt. "Die Strafe! Die Strafe", flüsterte die beste Freundin (22) der Toten fassungslos, als sie nach der Urteilsverkündung aus dem Gerichtssaal stolperte, und konnte lange nicht aufhören zu weinen. Auch andere äußerten sich kritisch: "In den letzten Momenten vor ihrem Tod muss sie schreckliche Schmerzen und Angst gehabt haben. Warum ist das nicht grausam?", fragen sie.
Erschreckende Brutalität
"Manches spricht für die besondere Schwere der Schuld", hatte der Vorsitzende Richter Dr. Jörg Michael Bern eingeräumt. Andererseits habe der Angeklagte sich aber, wenn auch auf Anraten eines Freundes hin, selbst gestellt. Auch die eigenen biographischen Belastungen des Mannes, der in sehr jungen Jahren als Sanitäter an der Front im Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea tätig war, sprach der Richter in diesem Zusammenhang an.
In einer einstündigen Urteilsbegründung ließ Bern Revue passieren, mit welcher Rücksichtslosigkeit der Verurteilte vorging, als er im vergangenen Sommer der jungen Frau auflauerte, die seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte: "Die Brutalität ist erschreckend. Man sieht einen unbedingten Vernichtungswillen. Sie wurde regelrecht hingerichtet. Man kann hier von einem Overkill sprechen." Ein Schnitt, der dem Gutachten zufolge zu den späteren gehört und die Kehle des Opfers bis hin zur Halswirbelsäule durchtrennte, drücke eine besondere Verachtung gegenüber dem Opfer aus.
Argumentation der Verteidigung unglaubwürdig
Die Verteidigerin des Mannes, Monika Troll, hatte bis zuletzt versucht, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Tat als Totschlag zu bewerten sei. Audio-Aufzeichnungen belegen, dass der Täter schon Wochen vorher gedroht hatte, die junge Frau umzubringen. Am Tattag verschaffte er sich Zugang zum Treppenhaus ihres Wohnhauses und lauerte ihr mit einem Dolch auf, von dem er zugab, dass er ihn beim Betreten des Hauses versteckt gehalten habe. Ungeachtet dessen argumentierte die Strafverteidigerin: Eigentlich habe ihr Mandant die junge Frau nur erschrecken wollen, sei dann aber aufgrund ihres Schreiens selbst in Panik geraten und habe daher zugestochen.
Die Richter fanden das unglaubwürdig. Genauso ordneten sie die Beteuerungen des Mannes ein, dass er die Abfuhr durch die junge Frau nicht ertragen habe, da sie seine große Liebe gewesen sei: "Zwei andere Beziehungen, die er in diesem Zeitraum ebenfalls anbahnte, sprechen dafür, dass es ihn nicht so sehr erschüttert haben kann", sagte Bern. "Sie war eine ganz junge Frau und aus seiner Sicht geeignet, ihm noch viele Kinder zu gebären."
Angeklagter zeigte keine Reue
Der Angeklagte nahm die gesamte Rede des Vorsitzenden ohne erkennbare Reaktion zur Kenntnis, hielt das Gesicht dem Tisch zugewandt und verbarg sich weitgehend hinter einer Atemschutzmaske und dem Schirm seines Käppis. Im Verfahren hatte er zwar eingeräumt, mit dem Dolch auf sein Opfer losgegangen zu sein, jedoch keinerlei Reue gezeigt. So war er zum Beispiel laut und ausfallend geworden, als eine Zeugin geschildert hatte, wie Hanna unter der anhaltenden Bedrohung durch den Täter gelitten und sich schließlich kaum noch aus dem Haus getraut habe: "Das ist Lüge! Du lügst! Ihr alle lügt!", hatte der Angeklagte mehrmals gerufen, während die Zeugin sich nur die Ohren zuhielt und sagte: "Du solltest einfach nur still sein."
Hanna war, das zeigten mehrere Zeugenaussagen im Verfahren, wegen ihrer unkomplizierten Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit sehr beliebt. Zur Urteilsverkündung waren mehr Besucher gekommen, als Plätze im Saal zur Verfügung standen. Eigentlich hatten die Freundinnen und Freunde vorgehabt, zum Gedenken an das junge Opfer vor dem Gericht eine Kerze aufzustellen und eine kleine Zeremonie für sie abzuhalten. Mit Blick auf die Corona-Regelungen verzichteten sie darauf – kamen aber, um zumindest ein kleines Statement zu setzen, in T-Shirts, auf die Hannas Foto gedruckt war.
- Beobachtung vor Ort