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Prozess in Köln: "Du siehst die Tränen" – wegen Corona weiter in Haft


Prozess in Köln
"Du siehst die Tränen": Corona-Verdacht verlängert Haft


Aktualisiert am 22.01.2021Lesedauer: 3 Min.
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Herber Rückschlag: Wegen eines Corona-Verdachtsfalles unter den Wachtmeistern am Kölner Amtsgericht mussten die Mandanten von Lena Retschkemann (li.) und Sabrina Buelli zurück auf ihre Zellen.Vergrößern des Bildes
Herber Rückschlag: Wegen eines Corona-Verdachtsfalles unter den Wachtmeistern am Kölner Amtsgericht mussten die Mandanten von Lena Retschkemann (li.) und Sabrina Buelli zurück auf ihre Zellen. (Quelle: Johanna Tüntsch)

Vor dem Kölner Amtsgericht erwarteten zwei Angeklagte ein Urteil. Doch dazu kam es nicht – wegen eines Corona-Verdachtfalls. Eine emotionale Extrembelastung für alle Beteiligten, wie t-online-Autorin Johanna Tüntsch berichtet.

Niemand steht gerne vor Gericht. Wenn man aber seit Monaten in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht spricht, in Untersuchungshaft sitzt, fiebert man dem Prozesstag entgegen. Immerhin wird er eine Entscheidung mit sich bringen, so oder so. Zwei Männer aus der Ukraine, denen ein versuchter Diebstahl auf dem Gelände des Autobauers Ford vorgeworfen wird, mussten jedoch am Donnerstag unverrichteter Dinge auf ihre Zellen zurück.

Staatsanwältin, Dolmetscherin und die Verteidigerinnen hatten bereits ihre Plätze bezogen und erwarteten jeden Moment, dass Wachtmeister die Tür an der rechten Kopfseite des Saales öffnen würden, um die Angeklagten an ihre Plätze zu führen. Stattdessen öffnete sich die linke Tür, hindurch trat Richter Karl-Heinz Seidel und verkündete: "Wir müssen vertagen." Auf die erstaunte Nachfrage, wie das gemeint sei, erklärte er knapp: "Es steht kein Wachtmeister zur Verfügung, der die Angeklagten vorführen könnte."

Was war geschehen? "Am Amtsgericht werden regelmäßig Schnelltests unter den Mitarbeitenden durchgeführt", erklärte Pressesprecher Maurits Steinebach auf Nachfrage von t-online: "Bei einer Person war dieser Schnelltest positiv. Daher mussten, entsprechend der Richtlinien des Robert Koch-Institutes, acht weitere Personen nach Hause gehen." Um das Risiko einer Infektionskette so gering wie möglich zu halten, habe man unverzüglich reagiert – und so schnell keinen Ersatz für die Wachtmeisterei beschaffen können.

"Dieses Gesicht, in dem alles zusammenbricht"

Ein üblicher Vorgang in Pandemiezeiten; ein wenig nervig vielleicht für Anwälte und Gericht, aber nicht dramatisch. Und doch zeigt er, wie die Pandemie immer wieder neue Formen extremer emotionaler Belastungen schafft. Die Verteidigerinnen hatten sich erbeten, wenigstens kurz mit ihren Mandanten sprechen zu können, um die Nachricht selbst zu überbringen.

"Du hast nur einen kleinen Moment, um zu sagen: Es hat sich etwas geändert, der Termin wurde verschoben – und du siehst in dieses Gesicht, siehst, wie darin alles zusammenbricht und Tränen in den Augen stehen. Dann geht die Tür schon wieder zu. Ich kann mir nur zusammenreimen, wie sich mein Mandant jetzt fühlt", schildert Anwältin Lena Retschkemann. Mit Blick auf die Pandemie findet sie die Entscheidung richtig, dennoch aber bedauerlich.

Corona-Beschränkungen: Inhaftierter Vater kennt sein Baby nicht

Besonders bitter ist die menschliche Seite dieser Geschichte für den Mandanten ihrer Kanzleipartnerin Sabrina Buelli. Der 33-jährige Akademiker wurde während der Zeit seiner Untersuchungshaft Vater, hat aber sein Kind noch nie gesehen. "Im letzten Gespräch erschien mir mein Mandant fast depressiv. Er sagte nur: 'Ganz schwer, ganz schrecklich. Wie soll ich mich fühlen außer: ganz furchtbar. Wie es meiner Frau geht, darüber möchte ich gar nicht nachdenken'", zitiert die Verteidigerin.

Wäre der Mann in Köln inhaftiert, hätte er zumindest per Skype mit seiner jungen Familie sprechen können, denn in der Kölner Justizvollzugsanstalt wurden seit Beginn der Pandemie einige Skype-Plätze eingerichtet, um die derzeitigen Einschränkungen der Besuchsmöglichkeiten ein wenig zu kompensieren.

Doch nach dem Grundsatz der Tätertrennung mussten beide Männer in verschiedene Gefängnisse. So kam der 33-Jährige nach Aachen, wo Skype-Telefonate nicht möglich sind. An einen Besuch seiner Frau war, zum einen wegen des Kindes, zum anderen wegen geltender Reisebeschränkungen, auch nicht zu denken. Die große Hoffnung beider Männer dürfte gewesen sein, zumindest auf Bewährung freizukommen und zu ihren Familien zurück zu dürfen. Nun stehen sie erst einmal für eine weitere Zeitspanne vor der großen Ungewissheit.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen und Gespräche vor Ort
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