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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Obdachlos in Köln Wie ein Verein im Corona-Winter Leben rettet
Kaum Aufwärmmöglichkeit und keine Toiletten – Obdachlose haben es in der Coronazeit noch schwerer. Ohne die Unterstützung von Vereinen wie Heimatlos in Köln wäre ein Überleben kaum möglich.
Wiener Platz an einem Samstagnachmittag. Die letzten Marktstände werden abgebaut, eisiger Wind fegt über den Platz, den in normalen Zeiten täglich 70.000 Menschen queren. Am Rand sitzen Männer und Frauen im Schutz der Unterführung zur U-Bahn und vertreiben sich die Zeit. Einige wenige haben sich mit ihren Hunden auf den Treppen am Rand des Platzes niedergelassen. Dieter Schröder ist einer von ihnen. Für ihn ist der Wiener Platz wie eine Heimat. Hier trifft er Freunde und Bekannte. Schröder hat keine Wohnung, nur eine Übernachtungsmöglichkeit für die nächsten Wochen wegen der Kälte. Das Leben auf der Straße ist hart. "Und jetzt durch die Pandemieregeln ist es noch härter geworden", sagt er und meint damit auch die ständigen Kontrollen des Ordnungsamtes, die "Vertreibungstaktik" der Stadt, wie er es nennt, und die fehlenden Toiletten, weil die Gastronomiebetriebe geschlossen haben.
Ein Höhepunkt in dieser schweren Zeit sind die Besuche von Linda Rennings von HiK und ihren Helfern. Zweimal die Woche bringen sie warmes Essen in To-Go-Behältern vorbei und kümmern sich um gesundheitliche und Behördenbelange. "Es fehlt den Menschen an allem. Sie erhalten noch nicht einmal Informationen, welche Regeln gerade aufgestellt wurden. Behörden sind nur online oder telefonisch erreichbar, aber die Menschen hier auf der Straße haben weder Handy noch Internetzugang. Sie sind auf uns angewiesen", erzählt Rennings, die selbst einmal auf der Straße lebte.
An diesem Tag verteilen Rennings und ihre Helfer nicht nur Essen und Masken, sie haben auch hunderte von Geschenkpaketen dabei, gefüllt mit Lebensmitteln, warmen Socken und Hygieneartikeln, wie Feuchttücher. Denn Händewaschen können die Menschen auf der Straße auch nicht.
Seit 15 Jahren in der Obdachlosenhilfe aktiv
Jenny Weßling ist an diesem Tag dabei, um zu helfen. In Pesch, einem kleinen Ort im Norden Kölns, betreibt sie einen Blumenladen. Seit 15 Jahren kümmert sie sich um Obdachlose in Köln. "Es kann jeden erwischen, plötzlich ohne Wohnung dazustehen. Ich finde, es ist das mindeste, den Menschen auf diese Weise zu helfen", sagt sie über ihr Engagement, das für sie selbstverständlich ist. 50 Geschenkpakete hat sie mitgebracht, gepackt und gespendet von ihren Kunden.
Eine junge Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte, hilft an diesem Tag spontan aus. "Ich habe nur ein Paket abgeben wollen und mich dazu entschlossen, heute mitzumachen, weil es eine gute Sache ist. Es ist schön zu sehen, mit welch kleinen Dingen, man eine Freude bereiten kann."
Bevor es an die Verteilung geht, ruft Rennings zur Teambesprechung. Denn alles muss seine Ordnung haben. Abstände müssen eingehalten werden, es darf kein Gedränge entstehen und jeder Gast und Helfer muss einen Mund-Nasen-Schutz tragen, die Helfer zusätzlich auch Einmalhandschuhe.
Dann geht es auch schon los. Eine Schlange bildet sich an den Autos, die verschiedene Stationen bilden. An der einen erhalten die Männer ihre Geschenkpakete, an der anderen die Frauen, an der nächsten gibt es warme Suppe und Kaffee, eine weitere hält Schokonikoläuse bereit.
Durch HiK eine Wohnung gefunden
Die 60-jährige Birgit ist dankbar für solche Aktionen. Seit dem 27. Februar lebt sie auf der Straße. Ihr Partner ist verstorben und sie konnte die Wohnung nicht mehr halten. Für die Nächte hat sie einen Schlafplatz in einer Einrichtung für Frauen, aber tagsüber muss sie in der Kälte ausharren. Auch Mona ist an diesem Tag mit ihren beiden Hunden Dusty und Rudi gekommen. Während sie sich bei einem warmen Kaffee aufwärmt, knabbern ihre Hunde Leckerlies, die Rennings ihnen gegeben hat. Mona hatte das Glück durch HiK eine Wohnung zu finden. "Ich bin Linda so dankbar dafür. Sie tut mehr als nur Essen zu verteilen", sagt Mona lächelnd.
Rennings liegen vor allem obdachlose Frauen am Herzen. "Es sind mehr geworden in den letzten Jahren", sagt sie. Ein Grund sei zum Beispiel die steigende Altersarmut. Rennings versucht mit Behörden in Kontakt zu treten und bei der Stadt mehr Hilfen einzufordern. Das beginnt mit Dixieklos auf öffentlichen Plätzen und mehr Verständnis für die Wohnungslosenszene. "Corona verschärft die Situation extrem. Das Ordnungsamt vertreibt die Menschen hier vom Wienerplatz und wenn sie rauchen und keine Maske tragen, verteilen sie Bußgelder, die nicht bezahlt werden können. Andere Städte sind da weiter mit ihren Hilfen."
- Gespräch mit Linda Rennings von HiK
- Besuch der Verteilaktion auf dem Wienerplatz