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Corona-Krise in Köln: Verein: "Die Not war riesengroß"


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Kölner Verein über die Corona-Krise: "Die Not war riesengroß"

  • Tim Ende
InterviewVon Tim Ende

Aktualisiert am 12.10.2020Lesedauer: 4 Min.
Ehrenamtliche der Interkulturellen Zentren stehen in einer Gruppe zusammen.Vergrößern des Bildes
Ehrenamtliche der Interkulturellen Zentren stehen in einer Gruppe zusammen. (Quelle: privat)
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Die Corona-Krise hat auch das Vereinsleben in Deutschland getroffen, denn Angebote konnten nur noch eingeschränkt angeboten werden. Der Deutsch-Türkische-Verein Köln spricht mit t-online über diese Zeit.

Die Corona-Krise hat das öffentliche Leben im Frühjahr dieses Jahres zum Erliegen gebracht. Das hatte auch fatale Auswirkungen auf die Arbeit in ehrenamtlichen Vereinen, wie dem Deutsch-Türkischen-Verein Köln e.V. Gemeinsam mit anderen Initiativen der Interkulturellen Zentren, zu denen der DTVK gehört, wird dieser nun für seine Arbeit in der Krise und auch davor mit dem Kölner Ehrenamtspreis ausgezeichnet. Im Interview mit t-online spricht der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Vereins, Franz Legewie (70), über diese schwierige Zeit.

t-online: Was sind die Hauptaufgaben des Vereins?

Franz Legewie: Wir haben beim DTVK ein Leitbild, nach dem wir uns richten. Deutsch-Türkischer-Verein Köln e.V. heißt: Demokratie, Teilhabe, Vielfalt in Köln. Das beschreibt auch unsere Aufgaben in der heutigen Zeit. Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe und lösen nicht für die Menschen Lebensfragen, sondern helfen ihnen dabei, selbst aktiv zu werden. Das machen wir auf demokratischer Augenhöhe, indem wir gesellschaftliche Teilhabe fördern. Vielfalt bedeutet bei uns, dass wir heute nicht mehr nur für Türken zuständig sind, auch wenn der Verein ursprünglich als Teil der deutsch-türkischen Kulturverständigung gegründet worden ist. Heute leisten wir zum Beispiel viel Arbeit mit Geflüchteten.

Was macht gute Integrationsarbeit für Sie aus?

Zunächst muss ich sagen, dass der Begriff Integrationsarbeit nicht das trifft, was wir machen. Denn er bedeutet, dass fremde Menschen aus anderen Kulturen zu uns kommen und sich dann an uns anpassen sollen. In meiner Schule, in der ich 30 Jahre Schulleiter war, habe ich teilweise Kinder aus der vierten Generation einer Familie mit nicht deutschem Namen eingeschult. Diese Menschen sind schon längst Deutsche, nicht nur nach dem Gesetz. Wir sprechen also nicht von Integrationsarbeit, sondern von der ausdrücklichen Bejahung von Interkulturalität, die wir fördern möchten. Wir wollen die Potentiale nutzen und nicht vermeintliche Defizite beseitigen.

Mit welchen Problemen werden die Menschen, mit denen sie in Köln arbeiten, dort konfrontiert?

Momentan begleiten wir viele Flüchtlinge, mit denen wir seit 2015 verstärkt zu tun haben. Wir haben ein gut funktionierendes Netzwerk an Ehrenamtlichen. Diese engagieren sich oft vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biographie als Zugewanderte bei der Betreuung der Familien. Sie kommen etwa zu uns in Fragen der Schulbildung oder weil sie Unterstützung bei der Wohnungssuche brauchen. Für die Ratsuchenden bieten wir auch Deutsch- und Integrationskurse an.

Auf welche Erfolge können Sie als Verein zurückblicken?

Der Verein hat sich vor 50 Jahren als Zusammenkunft von heute sogenannten 'Gutmenschen' aus der Türkei und Deutschland gegründet, die sich kulturell austauschen wollten und dann Konzerte und gemeinsame Essen organisiert haben. Dort waren viele Lehrer dabei, denen die Bildung der Zugewanderten sehr am Herzen lag. Unser größter Erfolg liegt dadurch eindeutig in der Bildungsarbeit. Aber solche, die auf Selbstorganisation und Teilhabe gründet. Die Leute kennen sich untereinander. Dadurch sind wir ein niederschwelliges Angebot, das auf der Ebene von Beziehungen funktioniert.

Vor welche Herausforderungen hat die Corona-Krise den Verein gestellt?

Die erste Zeit des Lockdowns war wie eine Schockstarre für uns. Die Ehrenamtler konnten nicht mehr kommen. Denn wir arbeiten eigentlich analog und mit Präsenz. Wir haben zwar versucht, auf digitalem Wege den Ausfall an Kursen etwas zu kompensieren, aber das war schwierig. Seit Anfang August haben wir wieder geöffnet. Zuerst nur draußen im Hof oder mit Angeboten, die draußen stattfinden können, wie etwa Spaziergänge. Inzwischen läuft der Kursbetrieb zwar wieder. Dennoch müssen wir zusätzliche Räume anmieten, um die Corona-Schutzmaßnahmen umsetzen zu können. Die Krise hat uns kalt erwischt.

Leiden Menschen mit Migrationshintergrund besonders unter der Corona-Krise?

Die Not war riesengroß. Unsere Menschen leben oft in beengten Verhältnissen. Die Kinder konnten nicht in die Schule gehen, Freizeit- und Begegnungseinrichtungen wie wir waren geschlossen. Sie haben unter dem Abbruch der sozialen Beziehungen enorm gelitten. Viele sind abgetaucht, man konnte sie nicht erreichen. Corona hat das soziale Leben aller Menschen, natürlich auch der Zugewanderten, aber ganz besonders der eher armen Familien enorm reduziert. Mancher Kontakt muss neu aufgebaut werden, neue Bildungslücken sind entstanden. Viel Arbeit für uns.

Was motiviert Sie, ehrenamtlich zu arbeiten?

Ich bin davon überzeugt, dass unsere Demokratie vor allem vom zivilgesellschaftlichen Engagement, das über Parlamente und Parteien hinausgeht, lebt. Wir haben in unserer Gesellschaft das Glück, dass wir solch engagierte Vereine wie unseren haben. Sehen sie sich nur die Interkulturellen Zentren in Köln an. Natürlich, auch Politiker oder Journalisten füllen die Demokratie mit Leben. Aber so nah an den Menschen wie die zivilgesellschaftlichen Initiativen ist niemand. Sie sind das Salz in der Suppe der Demokratie.

Was haben Sie aus Ihrer Arbeit besonders positiv in Erinnerung?

Die Lebensgeschichten einzelner Menschen, die aus Zuwandererfamilien kommen. Ein Beispiel: In unserem Aufsichtsrat arbeitet ein junger Mann mit, der als Schüler bei uns seine Hausaufgaben gemacht hat. Er hat seine ganze Schulzeit bei uns Unterstützung bekommen, sich zunehmend selbst in der Vereinsarbeit engagiert. Schließlich hat er bei Bayer Chemikant gelernt und nebenberuflich Chemie studiert. Nach verschiedenen Stationen im Betrieb war er in leitender Position, auch im Ausland, tätig. Er meinte neulich, dass er das alles ohne den Verein, und damit meine er die Menschen, nicht geschafft hätte.

Wünschen Sie sich mehr Unterstützung für Ehrenamtler?

Ich beobachte oft ehrenamtliches Engagement, das sich versteht als 'Ich bin der Helfer und tue etwas für die Armen', also das karitative Ehrenamt. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Ehrenamt gäbe, dass sich wie wir als Helfer zur Selbsthilfe versteht und Defizite behebt, indem die Potenziale des Einzelnen gefördert werden und er damit auf seinem Weg unterstützt wird. Denn zu oft wird Ehrenamt mit wohlwollenden Spenden einseitig gedeutet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Disclaimer: Das Nachrichtenportal t-online.de ist ein Angebot der Ströer Content Group, in deren Zusammenarbeit die Aktion entstanden ist.

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Franz Legewie
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