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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Besondere Maßnahmen Wie die Caritas mit neuen Wegen den Pflegenotstand bekämpft
In Köln fehlen Tausende Fachkräfte in der Senioren-Pflege. Der Caritasverband geht in der Domstadt daher immer öfter flexible und neue Wege in der täglichen Pflegearbeit.
Ingrid Weißkopf (79), Karl-Heinz Kunkel (83) und Erdogan Aysert (78) haben es sich in der Wohnküche der Senioren-Hausgemeinschaft Neptunplatz in Köln gemütlich gemacht. Es ist Nachmittag – eigentlich die Zeit, in der gespielt und TV-Serien oder Filme geguckt werden. "Nicht schon wieder ein Liebesfilm. Heute bleibt die Kiste aus", lacht Frau Weißkopf in die Runde. Dass sie an Demenz leidet, wie ihre übrigen neun Mitbewohner auch, merkt man ihr nicht an, wenn die gebürtige Potsdamerin erst mal loslegt und erzählt.
Die Pfleger und Mitarbeiter im Altenzentrum Kardinal-Frings-Haus in Köln-Ehrenfeld kennen und schätzen die klaren Momente von Frau Weißkopf. Dennoch könne es plötzlich passieren, dass sie nicht mehr genau weiß, wo sie ist. "Es ist manchmal schwer zu begreifen. Demente Menschen, die wie Frau Weißkopf noch am Alltag teilnehmen können, wissen oft nicht mehr, wie alt sie sind, aber sie kennen meist noch ihr Geburtsdatum", erläutert Kirsten Marek von der Fachdienstleitung im Kardinal-Frings-Haus.
Aber auch wenn diese Momente manchmal etwas bedrückend seien, so gehe es in den Hausgemeinschaften doch meist heiter zu. "Wir haben oft viel Spaß hier", so Marek weiter. Und Pflegefachkraft Halima Dipa kann das bestätigen: "Auch wegen der guten Atmosphäre macht mir die Arbeit hier viel Freude."
Die Zahlen sind besorgniserregend
Was den Fachdienstleiterinnen des Altenzentrums an der Bartholomäus-Schink-Straße 6a und den Mitarbeitern jedoch viel mehr Sorgen bereitet, sind die aktuellen Zahlen und Vorhersagen über den Pflegefachkräftemangel, der sich laut Aussage von Studien in den kommenden Jahren durch die Überalterung der Gesellschaft natürlich auch in Köln noch verstärken wird. Die Bertelsmann-Stiftung hat laut einer Mitteilung der Caritas Zahlen für Köln veröffentlicht, wonach im Stadtgebiet aktuell bis zu 1.800 Fachkräfte in der ambulanten und stationären Pflege fehlen. Die Stadt Köln spricht von rund 1.100 fehlenden Pflegefachkräften.
Der Caritasverband in Köln setzt daher mehr und mehr auf Team-Lösungen: Die ausgebildeten Pflegefachkräfte sollen in diesen Teams jeweils von einer Pflegehilfskraft, einer Präsenzkraft und einem sozialen Betreuer unterstützt werden. "Die Pflegekräfte werden durch die Mitarbeit der Präsenzkräfte sehr entlastet – dazu gehören die pflegefernen Tätigkeiten wie Betten machen oder das Reagieren auf den Personenruf", so Martina Dietrich, ebenfalls Mitglied der Fachdienstleitung des Kardinal-Frings-Hauses.
Der Begriff "Präsenz" ist dabei Programm: Diese Mitarbeiter bereiten das angelieferte Essen vor, machen zusammen mit den Mitgliedern der Hausgemeinschaften den Nachtisch, spielen mit den Bewohnern und stehen für sie jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung. In der Hausgemeinschaft Neptunplatz übernimmt das die 54-jährige Karin Otten.
Keine Entwarnung trotz neuer Konzepte in der Senioren-Pflege
"Mit den Präsenzkräften in den Teams gibt es Freiräume für die Fachkräfte für die intensive Pflege von den besonders Bedürftigen in der Hausgemeinschaft", so Dietrich weiter. Ohne diese Hilfen wäre eine gute Pflege und Unterstützung der Bewohner nicht möglich. Die Arbeitsdichte in beiden Arbeitsbereichen ist durch hohe Anforderungen an die Dokumentation und gesetzlichen Vorgaben enorm angestiegen. Das habe in der Vergangenheit nicht selten zur Erschöpfung bei den Pflegefachkräften geführt.
Dennoch könne trotz dieser vielversprechenden neuen Ansätze keine Entwarnung gegeben werden. "Die Belastung ist nach wie vor hoch", ergänzt Marek. Da im Schnitt die Menschen immer älter werden, würden auch immer mehr Bewohner zu Intensiv-Pflegefällen, die entweder im Rollstuhl säßen oder gar nicht mehr aus ihren Zimmern herauskönnten. Die Zunahme der so genannten Hochbetagten in den kommenden 20 Jahren liege, laut Aussage der Caritas, nach Schätzungen für Köln bei 20.000 bis 25.000 Menschen. In diesem Alter, so heißt es in der Mitteilung weiter, sei eine Selbstversorgung oder Unterstützung ohne professionelle Hilfe immer unwahrscheinlicher.
Daher unternimmt der Caritasverband in Köln neben einer anerkannt guten Ausbildung für Pflegefachkräfte einiges mehr, um zumindest die Fachkräfte, die schon da sind, langfristig zu binden und neues Personal zu gewinnen. "Wir haben im Caritasverband für die Stadt Köln seit Anfang des Jahres ein Geschenk- und Prämien-System eingeführt. Jeden zweiten Mittwoch bekommen die Mitarbeiter abwechselnd Obst, Snacks, Getränke oder Wellness-Angebote", so Martina Dietrich.
Prämien für Mitarbeiterempfehlungen
Dazu gäbe es bis zum 25. Berufsjahr zu mehreren Zeitabschnitten Geschenke. Wenn ein Mitarbeiter neues Personal vermittelt, bekommt er eine 400-Euro-Prämie – und nochmal 400 Euro, wenn die Anwärter nach sechsmonatiger Probe übernommen werden.
Kirsten Marek und Martina Dietrich betonen noch einmal, dass sie die Arbeit bis heute gerne machen – gerade die Betreuung von den Bewohnern mit Demenz hat viele schöne Momente. Aber letztlich werde der Fachkräftemangel im Altenpflegebereich wohl nur gelöst, wenn auch die Bezahlung und die nötige Anerkennung in der Gesellschaft stimme, mahnen beide an. Jetzt freuen sich aber alle erst einmal auf den Karneval. Denn auch im Kardinal-Frings-Haus feiern Mitarbeiter und Bewohner traditionell gemeinsam – dieses Mal unter dem Motto "Ehrenfeld ist unser Revier ... und das feiern wir".
- Besuch einer Hausgemeinschaft im Altenzentrum Kardinal-Frings-Haus
- Gespräche mit den Fachdienstleiterinnen Kirsten Marek und Martina Dietrich Pressemitteilungen des Caritasverbandes für die Stadt Köln