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Köln-Ehrenfeld: Wie ein Kiosk zum Zufluchtsort für einen Obdachlosen wurde


Anwohner sorgten für Obdachlosen
Wie ein Kiosk zum Zufluchtsort wurde


02.02.2025 - 11:00 UhrLesedauer: 4 Min.
Der Kiosk an der Subbelrather Straße: Eine Gedenkplakette erinnert an den verstorbenen Roberto.Vergrößern des Bildes
Der Kiosk an der Subbelrather Straße: Eine Gedenkplakette erinnert an den verstorbenen Roberto. (Quelle: Martin Henning)
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In Ehrenfeld war Roberto bekannt wie ein bunter Hund. Für den obdachlosen Mann entwickelte sich ein Kiosk zum Lebensmittelpunkt. Doch seine größte Schwäche wurde ihm schließlich zum Verhängnis.

Wer am Kiosk Subbelrather-Eck in Ehrenfeld vorbeispaziert, kann den kleinen grauen Stromkasten direkt daneben leicht übersehen. Drei Kerzen und ein eingerahmtes Bild stehen auf dem Kasten. Dazu eine Pflanze, bereits verblichen von den winterlichen Temperaturen und der fehlenden Sonne. An der Wand klebt das Foto eines dunkelhaarigen Mannes mit blauer Jacke, der ernst in die Kamera blickt. Er könnte 50 sein, vielleicht auch älter. Seine Augen verraten: Er hat einiges durchmachen müssen.

Unter dem Bild steht ein kurzer Text: "Ich bin unendlich traurig, dass du nicht mehr bei uns bist, aber du wirst immer in meinem Herzen weiterleben …" Der improvisierte Altar – Erinnerung an einen Menschen, der viel zu früh sterben musste.

Der Beginn einer besonderen Freundschaft

Der Mann auf dem Foto heißt Roberto. Fünf Jahre lang lebte er hier in einem kleinen Zelt, direkt neben dem Kiosk. Der obdachlose Mann war in ganz Ehrenfeld bekannt und beliebt. Mit einem Mann entwickelte sich eine besondere Freundschaft: Kiosk-Besitzer Mohammad Resalati, den alle im Viertel nur "Denis" nennen.

Auch an diesem grauen Januar-Tag steht Denis hinter der Theke und bedient seine Kundschaft. Er erinnert sich an die erste Begegnung mit Roberto: "Ich habe ihn vor zehn Jahren in Bocklemünd kennengelernt", erzählt er. Die beiden kamen schnell ins Gespräch, verstanden sich gut. Regelmäßig schaute der obdachlose Mann in Ehrenfeld vorbei, um Pfandflaschen abzugeben. Eines Nachts vor fünf Jahren kam Roberto erneut in den Kiosk – mit einer Bitte. "Denis, ich habe keinen Platz. Ich brauche einen Ort zum Schlafen." Also habe er ihm am nächsten Tag ein Zelt vor dem Kiosk fertig gemacht.

Spendabel trotz Armut

Inhaber Mohammad Resalati spürte, dass er eine Verantwortung für den obdachlosen Mann hatte. Jeden Tag verbrachten die beiden mehrere Stunden gemeinsam im Kiosk – und das, obwohl der aus der Slowakei stammende Roberto kein Deutsch sprach.

"Jeden Winter durfte er, bis ich um 12 Uhr nachts zugemacht habe, in meinem Kiosk sitzen", erzählt Resalati. "Wenn es kalt war, habe ich ihm zwei oder drei Wärmflaschen für das Zelt gegeben. Auch Tee und Kaffee hat er immer bekommen." Roberto habe jede Person freundlich gegrüßt – und geteilt, obwohl er selbst so wenig besaß. "Eines Tages kam ein Kind in meinen Kiosk und wollte sich eine Süßigkeit kaufen, hatte aber nicht genug Geld. Roberto hat ihm sofort einen Euro gegeben", erinnert sich Resalati.

Ein Leben rund um den Kiosk

Anwohnerin Julia denkt an ihre ersten Begegnungen mit Roberto zurück. "Er war von heute auf morgen da, mitten in der Corona-Zeit", erzählt sie. "Meiner Wahrnehmung nach gab es nie einen Moment, in dem man dachte: 'Der gehört hier nicht hin.'"

Nach und nach hätten die Nachbarn Roberto unterstützt – erst zaghaft, dann aber immer mehr. "Wir haben ihm unser Pfand gebracht, das er direkt beim Kiosk eintauschen konnte", sagt Julia. Auch ein paar Jacken und Schuhe habe sie ihm gespendet. "Er war direkt Teil der Nachbarschaft."

Anwohner Tommi hatte viel mit Roberto zu tun. "Sein Leben in Köln hat sich fast ausschließlich im Kiosk und an dessen Ecke abgespielt. Er hat auf nicht einmal zwei Quadratmeter gewohnt, in einem Mikrokosmos ohne Privatsphäre", erzählt Tommi. "Trotzdem hat er die Ecke zu seinem Zuhause gemacht und belebt", ergänzt er. "Roberto war auf seine Weise sehr charmant und lustig. Unseren Hund hat er schon immer von Weitem mit seinem einnehmenden, lauten Lachen begrüßt."

Alkohol wird Roberto zum Verhängnis

Doch der bei allen beliebte Mann hatte auch eine verhängnisvolle Schwäche: den Alkohol. Vor zwei Jahren wurde Roberto erstmals ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte diagnostizierten eine zur Hälfte kaputte Leber. "In dieser Zeit kam ein Mitarbeiter der Diakonie in meinen Kiosk", erzählt Denis Resalati. "Er sagte: 'In zwei Wochen ist dieser Mann tot.' Ich wollte helfen, damit Roberto weiterleben kann."

Doch der Gesundheitszustand des obdachlosen Mannes verschlimmerte sich weiter. Eines Morgens im vergangenen Oktober wollte Denis Resalati seinen Kiosk öffnen, als ihm eine Blutlache neben Robertos Zelt auffiel. Er machte sich große Sorgen, von seinem obdachlosen Freund fehlte allerdings jede Spur.

"Eine Stunde später kam er wieder und ich fragte, was los sei. Er wollte nur einen Tee haben", erinnert sich Resalati. Als Roberto den Tee trank, habe er wieder Blut gespuckt, erzählt der Kiosk-Inhaber. "Ich habe sofort einen Krankenwagen gerufen, der ihn mitgenommen hat." Die Diagnose: multiples Organversagen nach einer Lungenentzündung. Nach zwei Monaten im Koma starb Roberto.

"Wir sind alle Menschen und müssen helfen"

Erst nach dessen Tod sei ihm klar geworden, wie beliebt er im Viertel gewesen sei, sagt Anwohner Tommi. "Die nun leere Ecke am Kiosk war voll mit Blumen und Kerzen und noch immer halten viele Menschen dort an, um eine Weile an ihn zu denken." Ihm fehle Roberto sehr. "Auf der anderen Seite bleibt die Freude über die Leute, die sich so toll um ihn gekümmert haben. Allen voran Denis", sagt Tommi.

Auch Kiosk-Inhaber Denis Resalati blickt mit guten Gefühlen auf die besondere Freundschaft zurück. Er betont: "Wir sind Kölner. Wir sind alle Menschen und müssen helfen, wenn jemand Unterstützung benötigt." Auch heute mache er noch jede Woche eine Kerze für Roberto an, verrät Resalati. Damit sein Freund, dessen Leben viel zu früh zu Ende ging, nicht vergessen wird.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Gespräch mit Kiosk-Besitzer Denis Resalati
  • Gespräch mit Anwohnern

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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