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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Mache das, bis ich in der Kiste liege" Kölner Schatzsucher gräbt in ganz Europa – das findet er
Vor drei Jahren macht Carsten Konze sein ausgefallenes Hobby zum Beruf: Der Kölner ist professioneller Schatzsucher und immer wieder selbst überrascht, was er findet. Doch eine Sache treibt ihn zur Weißglut.
Ein Waldstück, irgendwo in Europa. Aus dem laubbedeckten Erdboden guckt kaum sichtbar ein rundes Etwas hervor. Carsten Konze wird nervös. "Jetzt sag‘ nicht, das ist ein Stahlhelm", ruft er aufgeregt in die Kamera. Ein kurzer Check mit seiner kleinen Metallsonde, dann greift er mit beiden Händen in die Erde – und zieht tatsächlich einen Stahlhelm aus dem Zweiten Weltkrieg heraus. "Nein! Nein! Ich fasse es einfach nicht", schreit er sein Glück hinaus an die YouTube-Zuschauer.
Später wird sich herausstellen, dass es sich um ein Exemplar der deutschen Wehrmacht aus dem Jahr 1940 handelt. Besonders wertvoll ist der Helm nicht. Aber Konze geht es nicht nur ums Geld. Ein solches Teil hat er vorher noch nie gefunden. Die pure Lust aufs Sondieren, Graben, Freilegen, Entdecken treibt ihn an.
Alles begann mit einem Familienausflug
Treffen in seinem Kölner Büro. In einer Vitrine hat der 47-Jährige einige seiner beeindruckendsten Fundstücke ausgestellt, darunter antike Münzen, Speerteile und ein eisernes Utensil zum Reinigen der Ohren. Penibel hat er jedes Fundstück mit einem gelben Notizzettel versehen, darauf eine Zahlen- und Buchstabenfolge.
"Schatzsuchen ist wie ein Überraschungsei – Spannung, Spiel und Kinderschokolade", erklärt Konze lächelnd. Das Adrenalin sei unvergleichlich, sagt er. "Wenn du deine erste Silbermünze oder deinen ersten Goldschatz findest: Das ist wie ein Sechser im Lotto. Du rastest aus." Seit knapp zwölf Jahren hat er sich der besonderen Leidenschaft verschrieben.
Alles fing mit einer spontanen Idee an. Konzes heutige Ex-Frau fragte immer wieder, was er sich zum 35. Geburtstag wünsche. Doch er hatte keine Ahnung. Eines Tages machten er und seine Familie einen Ausflug. Dabei fuhren sie an einem Mann mit Metalldetektor vorbei. "Ich sagte zu meiner Frau: 'Bevor du mich jetzt weiter nervst – das möchte ich probieren.'" Konze testete seinen neuen Detektor ein erstes Mal in der freien Natur und wusste sofort: "Das ist es."
Gold piept hoch, Eisen niedrig
Vor drei Jahren wagte der Kölner den großen Schritt und machte sein Hobby zum Beruf. Als "German Treasure Hunter" ist Konze in ganz Europa unterwegs. Seinen Schatzsucher-Abenteuern folgen 165.000 Menschen auf YouTube und über 23.000 auf Instagram.
Mittlerweile ist der 47-Jährige mit dem ganz großen Besteck unterwegs: einem hochwertigen Metalldetektor, einer Sonde im Stift-Format (dem sogenannten "Pinpointer"), einem Bodenradar, der bis zu zwölf Meter tief in den Boden schallt und Geheimgänge erfassen kann – und schließlich noch mit Geräten für besonders große Gegenstände in bis zu sechs Metern Tiefe. Damit lassen sich zum Beispiel abgestürzte Flugzeuge oder eingesackte Panzer finden. "Ich schätze, dass ich Technik im Wert von etwa 25.000 Euro besitze", sagt Konze.
Flugzeuge oder Panzer sind natürlich die Ausnahme. Meistens spürt Konze Münzen oder kleinere Gegenstände auf. Seine Detektoren können die Metalle in der Erde unterscheiden und ihnen verschiedene Töne zuordnen. "Eisen hat einen tiefen Ton. Ein Kronkorken, der leicht angerostet ist, kommt mit einem Mischton rein. Das knackt hin und wieder, da weiß ich, dass ich gar nicht graben brauche", erklärt der Schatzsucher. "Und dann wird es interessant. Im mittleren Bereich habe ich Bronze, Kupfermünzen und Blei, im oberen Bereich ist Gold und Silber."
Panzerfäuste und eine goldene Fibel
Konze ist in ganz Europa unterwegs – Deutschland, Österreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Polen und Tschechien. "Ich hatte dieses Jahr auch noch eine Anfrage aus Schottland", erzählt er. "In den Highlands wäre das gewesen, eigentlich ein Traum. Die Anfrage musste aber ich leider ablehnen, weil ich keine Zeit hatte. Ich kann mir im Moment keine ganze Woche freinehmen."
Einsätze im Ausland dauern meist mehrere Tage. Konze recherchiert im Vorhinein genau, wo sich Schätze befinden könnten. Am Anfang eignete er sich Wissen über die Praxis an: Einfach rausfahren, finden, mitnehmen, bei Google recherchieren. Inzwischen hat er sich auch Literatur besorgt. In seinen Regalen stehen Bücher über das Mittelalter und die Römerzeit.
In knapp zwölf Jahren hat Konze so manch Spektakuläres gefunden. "Der größte Fund im eigentlichen Sinn waren 13 Panzerfäuste, elf S-Minen und eine Granate, die ich in Stommeln gefunden habe", erzählt er. "Der emotionalste Fund war die goldene Fibel – ein römisches Artefakt aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, mit dem irgendein reicher Römer sich seinen Umhang zugemacht hat." Stolz zeigt er außerdem seine erste gefundene Goldmünze, die sei mittlerweile mehrere Tausend Euro wert.
Wie ein Schatzsucher Geld verdient
Konzes Beruf ist zeitaufwendig und kostenintensiv. Im Mai habe er allein 1.300 Euro Reisekosten gehabt, sagt er. Auch der Kameramann, der die Videos für YouTube und Instagram filmt, müsse bezahlt werden, das Büro, die Krankenversicherung. Einen Großteil der Einnahmen generiert der 47-Jährige über geschaltete Werbung und Produktplatzierungen in seinen YouTube-Videos sowie Kooperationen. Außerdem hat er einen Hauptsponsor.
Eine weitere Säule ist die Auftragsarbeit. Kunden kontaktieren Konze, damit er für sie Stücke mit emotionalem Wert wiederfindet. Oft macht der Kölner das kostenlos, wenn er die Suche dafür filmen darf. Aber es gibt auch krassere Anfragen: wenn er Aktienpakete, Tresore oder Depots mit Goldmünzen aufspüren soll. "Da heißt es dann: Der Gentleman genießt und schweigt", sagt Konze und lächelt. In der Regel bekommt der Profi-Schatzsucher bei solchen Suchen zehn Prozent des gefundenen Wertes.
An eine besonders skurrile Suchanfrage erinnert sich Konze gerne zurück. "Eine Dame hatte eine sehr innige Beziehung zu ihren Kanarienvögeln und hat sie, wenn sie gestorben sind, in kleinen Metallkassetten in ihrem Garten vergraben", erzählt er. "Es waren insgesamt acht. Als sie aus ihrem Haus auszog, hat sie sieben Kanarienvögel ausgegraben. Ich sollte den letzten finden." Und das schaffte er. "Als wir die letzte Metallbox aus der Erde geholt haben, gab es ein einziges Geschluchze und Tränen. Ihr den Vogel wiedergeben zu können und die Freude in ihren Augen zu sehen, ist die größte Belohnung für mich."
Wann man Funde behalten darf und wann nicht
Nicht zuletzt gibt es auch mal einen Finderlohn, wenn Konze größere Schatzfunde entdeckt und diese an Museen oder Ähnliches abtritt. Das hängt von verschiedenen Parametern ab. Und da sind wir beim Thema Bürokratie. Ein Thema, das Konze zur Weißglut bringt.
Wer suchen will, braucht die Genehmigung der Denkmalbehörde oder des Landesamts für Denkmalpflege des jeweiligen Bundeslandes. Die zu erhalten, kann mühselig sein. In Schleswig-Holstein müsse man verschiedene Kurse absolvieren, die allerdings bis zu fünf Jahre Wartezeit hätten, berichtet Konze. "Und Hessen verlangt, dass du ein Jahr ohne Sonde über die Felder läufst und nach Keramik suchst, bevor du deine Genehmigung bekommst. Sinn? Keine Ahnung. Man will einfach nur Barrieren schaffen."
Gemeldet werden muss grundsätzlich jeder historische Fund. Was man behalten darf, ist in jedem deutschen Bundesland unterschiedlich geregelt. In NRW beispielsweise geht alles, was aus einer Zeit nach dem Spätmittelalter stammt, in den Besitz des Schatzsuchers über. In Bayern muss man dagegen alles dem Freistaat abtreten. So treibe man Schatzsucher in die Illegalität, meint Konze. Denn wer wolle schon seinen Fund melden, wenn dieser ihm abgenommen werde und in irgendeinem Depot lande, wo er einstaube? Auf Privatgrundstücken gilt übrigens noch eine weitere Regel, dort hat der Eigentümer das Recht auf die Hälfte.
Als positives Gegenbeispiel nennt Konze die Niederlande. Der Staat hat für Schatzsucher eine App schreiben lassen, in die man bequem seine Funde eintragen kann. Ein Archäologe kann sich diese Funde anschauen und je nach Seltenheit den Staat kontaktieren. Wenn dieser das Fundstück haben möchte, muss er es dem Finder abkaufen. Solch ein digitales System fordert Konze auch für Deutschland, macht sich aber wenig Hoffnungen.
Wie man als Amateur Schätze findet
Wer sich vom Bürokratiedschungel Deutschlands nicht abschrecken lassen und die Schatzsuche auch mal probieren möchte, braucht 400 bis 500 Euro Startkapital. "Damit bekommt man einen guten Metalldetektor, ein kleines Handgerät und eine Schaufel", sagt der Profi. Aber Vorsicht: "Man braucht unfassbar viel Geduld. Du findest, wenn du suchen gehst, zu 80 Prozent Schrott. Mal eben rausgehen und in zwei Stunden zehn Silbermünzen in der Tasche haben, das ist es nicht."
Wer hartnäckig bleibt, wird bald die ersten Funde haben. Manchmal können die ganz schön gefährlich sein. Gerade rund um Großstädte wie Köln werden immer wieder Bomben und Granaten gefunden, weil diese Städte im Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern ins Visier genommen wurden. Konzes Rat: "Einfach im Boden lassen, Erde wieder drauf, markieren, ein GPS-Foto machen und die Polizei rufen. Die wiederum rufen den Kampfmittelräumdienst und dann kommt es weg."
Carsten Konze hat noch einen großen Wunsch. "Die große Kiste mit Gold fehlt mir noch. Eine, die du aufmachst und es kommen 3.000 Goldmünzen raus." Das passiere sehr selten, aber komme tatsächlich vor. Der 47-Jährige braucht nicht lange, um zu überlegen, was ihn antreibt. "Auch wenn man nach elf Jahren meinen könnte, ich habe schon alles gefunden: Jede Woche passiert irgendetwas Neues. Es kommen neue Fälle rein, neue Kuriositäten. Ich werde es so lange machen, bis ich in der Kiste liege."
- Gespräch mit Carsten Konze