Nordrhein-Westfalen 650 Polizisten bei Razzia gegen Türsteher-Szene im Einsatz
Mitten im Partyleben am Samstagabend ist in vielen NRW-Städten die Polizei aufgetaucht: Die Razzia galt der Türsteher-Szene. Fahnder vermuten Verbindung zur Clankriminalität.
Mit einer Razzia mitten im Partyleben mehrerer nordrhein-westfälischer Städte hat die Polizei am Samstagabend nach Verbindungen zwischen kriminellen Familienclans und der Türsteher-Szene gesucht. 650 Polizisten seien bei Aktionen in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Duisburg und Gelsenkirchen im Einsatz gewesen, sagte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Es gehe darum, Informationen über ein noch relativ unbekanntes Feld der Clankriminalität zu bekommen. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) war bei der Razzia vor Ort.
DJ nach Eintreffen der Beamten: "Der Kommissar geht um"
Als die Beamten und der Minister in Düsseldorf eine Party-Location betraten, legte der DJ die passende Musik von Falco auf: "Drah di ned um, der Kommissar geht um." Zwei Türsteher an einem Objekt suchten beim Anblick der Einsatzkräfte schnell das Weite. Die Beamten fanden bei der Aktion landesweit Waffen und Drogen, es gab mehrere Festnahmen.
"Wir haben den Verdacht, dass sich in dieser Türsteher-Szene eine neue Struktur entwickelt", sagte Reul. "Das waren früher Bandidos und Rocker. Jetzt haben wir Hinweise, dass die Clans sich stärker da breit machen." Es gehe vermutlich um Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung – aber auch andere lukrative Geschäftsmodelle seien in diesem Umfeld denkbar, sagte der Minister. Bislang fehle es den Fahndern aber an präzisen Informationen, wo genau Sicherheitsunternehmen mit Clanbezug aktiv seien.
Polizei: "Clans suchen immer neue Tätigkeitsfelder"
"Kriminelle Clans suchen sich immer neue Tätigkeitsfelder", sagte auch der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange. "Mit unserem Einsatz haben wir einen ersten Schritt gemacht. Wir werden die Türsteher-Branche weiterhin im Auge behalten."
Clankrinimalität
Als Clankriminalität bezeichnen die Behörden Straftaten, die sich aus ethnisch abgeschotteten Subkulturen heraus entwickeln. Meist stammen die Täter in Nordrhein-Westfalen aus türkisch-arabischstämmigen Großfamilien, zuletzt spielten der Polizei zufolge aber auch syrische Clans eine immer größere Rolle. Laut Landeskriminalamt gibt es bei jedem fünften Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität Bezüge zu Familienclans. Als eine Hochburg gilt Essen. Allerdings ist der Begriff Clankriminalität umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.
Ruhrgebiet zeigte bereits Verbindungen zu Clanfamilien
Zuletzt sei vor allem bei Ermittlungen im Ruhrgebiet klar geworden, dass es immer wieder Bezüge zwischen bekannten Clanfamilien und Firmen des Sicherheits- und Bewachungsgewerbes gebe. Oft existiere ein Geflecht aus Subunternehmen, Briefkastenfirmen und wechselnden Gesellschaftern. Ermittler vermuten, dass solche Konstruktionen in der Türsteher-Szene kriminellen Clans dazu dienen, Vorschriften zu umgehen und Steuern zu hinterziehen. Letztlich gehe es um Verdienstmöglichkeiten "in größerem Umfang", sagte der Sprecher.
Die Hinweise hätten sich aus der Arbeit der Sicherheitskonferenz (Siko) Ruhr ergeben. Landespolizei, Ruhrgebietskommunen, Zollbehörde und Bundespolizei arbeiten dort seit vier Jahren gemeinsam an der Bekämpfung der Clankriminalität im Ruhrgebiet. Bislang fehle es den Fahndern aber an präzisen Informationen, wo genau Sicherheitsunternehmen mit Clanbezug aktiv seien. Bei der Razzia sei es deshalb vor allem darum gegangen, Licht in diese Strukturen zu bringen.
EM im Juni könnte Clans eine Chance bieten
Insbesondere vor der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland, die Mitte Juni beginnt, könne es für Clans attraktiv sein, das Sicherheitsgewerbe zu unterwandern. "Dann spielt die ganze Organisationskraft von solchen Sicherheitsdiensten eine noch stärkere Rolle", sagte Reul.
- Nachrichtenagentur dpa