80-Jährige wohnt mitten im Schimmel "So kann man hier nicht leben"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In der Wohnung von Lidia Gräning, 80, macht sich der Schimmel überall breit. Grund dafür ist ein Wasserschaden, der vom Vermieter nicht behoben wird.
Wenn sich Lidia Gräning in ihrer Wohnung umsieht, wirkt sie bestürzt. Die Schränke musste die 80-Jährige von den Wänden wegrücken, auf dem Boden liegen Handtücher, Wasser tropft aus der Decke in Schüsseln und Eimer. Dazu der Geruch. Schwarzschimmel. Wo die Feuchtigkeit durch die Wände tritt, zeichnen sich an der Tapete massive Flecken ab. "Es ist frustrierend", sagt Gräning. "Jeden Morgen entdecke ich neue Flecken, neue Schäden."
Die 80-Jährige lebt seit 55 Jahren in der Wohnung in der Bocklemünder Börnestraße. Das Haus wurde 1968 fertiggestellt, sie und ihr Mann Robert gehörten damals zu den ersten Mietern. Gränings Mann verstarb Ende vergangenen Jahres, viel Zeit zum Trauern aber blieb ihr nicht.
Tochter: "Es ist bis heute nichts passiert"
Im Dezember kam es in der Wohnung über ihrer zu einem Wasserschaden, der nicht behoben wurde. Stattdessen lief das Wasser durch das Gemäuer des Hauses in die Wohnung der 80-Jährigen, in die Wohnung darunter und in den Keller. In dem stehen die Pfützen, jeder Gang in den Keller sorgt für nasse Füße.
Tochter Stefanie und Sohn Guido sind in der Wohnung aufgewachsen. Sie ärgern sich vor allem über die Untätigkeit des Vermieters. Das Haus gehört zum Bestand des Immobilienkonzerns LEG. Im Januar wandte sich Stefanie Gräning zum ersten Mal an den Vermieter, damit der Schaden behoben wird. Geschehen sei dann lange gar nichts. So konnte sich das Wasser ausbreiten. "Es passierte bis heute nicht viel", erklärt die Tochter, "außer, dass unsere Mutter weiter wartet und das Wasser seinen Weg nun seit vier Monaten findet."
"Wir machen uns Sorgen um unsere Mutter"
Aufgrund der gesundheitlichen Gefahren, die von dem Schwarzschimmel ausgehen, sorgt sich Stefanie Gräning um ihre Mutter. Zumal sich diese nach dem Tod ihres Mannes noch immer in der Trauerphase befinde. Ihre Wohnung, so sagt sie, sei für ihre Mutter auch eine Art Schutzraum. Allerdings muss die 80-Jährige zweimal am Tag Wasser schöpfen und die Feuchtigkeit aufwischen.
Auf dem Balkon steht ein Wäschereck, an dem zahlreiche Handtücher zum Trocknen hängen. "Zum Glück muss mein Mann das nicht mehr erleben", sagt die Seniorin, die am liebsten in ihrer Wohnung bleiben würde. Dass das nicht geht, habe sie lange nicht wahrhaben wollen. Inzwischen ist aber auch die Heizung im Bad ausgefallen, manche Steckdosen kann die 80-Jährige ebenfalls nicht mehr benutzen. Sie muss also raus.
Aber wohin? Kurz nach Beginn der t-online-Recherchen hat die LEG der 80-Jährigen eine Ersatzwohnung angeboten. In der Nähe des Schokoladenmuseums. "Aber das ist keine wirkliche Alternative", sagt Stefanie Gräning. "Dort hat meine Mutter keine Infrastruktur, keine sozialen Kontakte. Und auch der Friedhof ist hier im Kölner Westen:"
LEG: "Möchten uns in aller Form entschuldigen"
Wie Lidia und Stefanie Gräning erzählen, sei die Wohnung der 80-Jährigen nicht die einzige, die von Feuchtigkeit und "Verrottung" betroffen ist. Auch andere Wohnungen in ihrem Haus und in den Nachbarhäusern seien in einem schlechten Zustand. "Bei einem Nachbarn kommt Wasser aus der Wand, wenn man einen Nagel zieht", berichtet Stefanie Gräning. Aber wie kann es sein, dass die Mieter mit diesen Zuständen allein gelassen werden?
Auf Anfrage von t-online entschuldigte sich die LEG zunächst "in aller Form dafür", dass es "durch die vorhandenen Schäden zu Unannehmlichkeiten für die besagte Mieterin gekommen ist." Allerdings versichere das Unternehmen, dass es ab Eingang der ersten Schadensmeldung im Januar umgehend tätig geworden sei und seitdem in einem kontinuierlichen Kontakt mit der Mieterin stünde. "Wir bemühen uns gerade mit Hochdruck um eine Ersatzunterkunft, damit wir in der Zwischenzeit die Schäden vollumfänglich reparieren können und unsere Mieterin bis dahin eine gute Übergangswohnung hat."
"So kann man hier nicht leben"
Der Kontakt zwischen Familie Gräning und der LEG besteht durchaus, doch steht augenscheinlich auch der Vermieter vor einem Problem: Der Ursprung des Wasserschadens liegt im dritten Stock. Die Mieterin der Schadenswohnung lebe derzeit im Hotel. Der Zugang zu der Wohnung sei der LEG verwehrt worden, das Durchführen von Arbeiten nicht möglich gewesen. Als Handwerker dann doch einmal in die Wohnung gelassen wurden, stellten sie laut Stefanie Gräning das Wasser ab. Danach sei der Stillstand in den Fall zurückkehrt.
Und so wird Lidia Gräning, die in Kürze 81 Jahre alt wird, auch morgen ihre Wohnung wieder nach neuen Flecken absuchen, die Schalen und Eimer ausleeren und die Handtücher auswringen müssen. Sie guckt aus dem Fenster, erinnert sich an bessere Zeiten. "Ich habe hier immer gerne gewohnt", sagt die Frau, die in ihrer Wohnung zwei Kinder großgezogen und ihren Mann betrauert hat. "Aber so kann man hier nicht mehr leben."
- Reporter vor Ort
- Anfrage bei der LEG