Kiepenheuer & Witsch Verlag kassiert Shitstorm – und stampft beliebte Rubrik ein
Immer mal wieder machte sich der renommierte Verlag öffentlich lustig über unbekannte Autoren – bis jetzt.
Bret Easton Ellis, Christian Kracht, Frank Schätzing und Benjamin von Stuckrad-Barre unter Vertrag, 30 Millionen Euro Jahresumsatz: Kiepenheuer & Witsch gehört zu den wichtigsten Verlagen Deutschlands. Wer hier publiziert, darf sich zumindest ein bisschen elitär fühlen.
Wer allerdings nicht zur illustren Autorenriege zählt und voller Hoffnung ein Manuskript einschickt, musste bis zu diesem Wochenende damit rechnen, beißenden Spott statt literarischem Ruhm zu ernten.
Denn unter dem Schlagwort "Unverlangt eingesandt" veröffentlichte der Verlag aus Köln hin und wieder Anschreiben von Autoren, um sie dem Hohn des Publikums auszuliefern. KiWi machte damit Zehntausende Klicks bei TikTok und Facebook und erzielte eine selten hohe Reichweite.
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Vorwurf an KiWi: Nach unten treten
"Hochverehrte Damen, sehr geehrte Herren", begann der letzte Brief, den der Verlag vor einigen Tagen seinen Zuschauern vorführte, "hiermit unterbreite ich Ihnen einen Text in Romanform. (...) Da ich wie gewohnt aus dem letzten Loch pfeife, ist mit meinem Angebot der Wunsch nach einem Vorschuss verbunden. Ich benötige 10.000 Euro. Ich schreibe zunächst fünf Verlage an. Der erste Verlag, der mein Angebot annimmt, erhält den Vertrag und verweist die übrigen Verlage auf den Friedhof."
Auf den Social-Media-Accounts von KiWi liest jemand den Brief vor, dazu gibt es einen Gruseleffekt beim Wort "Friedhof" und einen Totenkopfsmiley im Begleittext.
Diese hämische Zurschaustellung fanden viele ziemlich lustig, andere aber gar nicht. Die "taz" kommentierte bissig: "Nun ist Humor natürlich immer so eine Sache. Hierzulande funktioniert er augenscheinlich am besten, wenn nach unten getreten wird."
Kölner in der Kritik: "Ihr beschädigt das Ansehen eures Verlages"
Und bei Facebook schrieb der Blogger "Sorgenboy", der mit 30.000 Followern einige mehr als Kiepenheuer & Witsch hat: "Da sind Autor*innen, die ihr Glück versuchen, die all ihren Mut zusammennehmen und euch ihr Manuskript zuschicken. Man macht sich beim Schreiben ja auch ein bisschen nackt, wisst ihr ja. Und was macht ihr? Ihr lacht die Leute, die euch voller Hoffnung ihre Ideen schicken, aus."
In der Folge hinterließen Dutzende User ihre Meinung unter dem Verlags-Beitrag, für KiWi-Verhältnisse kann man schon fast von einer Flut an empörten Kommentaren sprechen. Der Tenor: "Nicht cool." "Überheblich, arrogant und peinlich." "Ihr beschädigt gerade das Ansehen eures Verlages ganz erheblich."
Kiepenheuer & Witsch beerdigt Rubrik
Am Samstag reagierte Kiepenheuer & Witsch schließlich – und gab klein bei. Zwar behauptete der Verlag, man habe sich gar nicht über den Briefschreiber erheben wollen, sondern das Friedhofs-Bild vielmehr "originell und selbstbewusst" gefunden und deswegen wiedergegeben. Zugleich aber räumten die Kölner ein: Man hätte wohl zumindest ahnen müssen, dass der eigene Beitrag auch als hochmütig empfunden werden könnte.
Wie naheliegend diese Interpretation angesichts der Tatsache ist, dass sich der Verlag in der Rubrik "Unverlangt eingesandt" bereits über ganz einfache Schreibfehler in Briefen amüsierte, schrieb KiWi nicht. Dafür aber immerhin: "Wir haben nicht gründlich genug nachgedacht. (...) Wir haben unsere Rolle nicht reflektiert. (...) Wir hätten es nicht posten sollen."
Und apropos Friedhof: Die gesamte Rubrik "Unverlangt eingesandt" werde nun begraben. "Gut so", findet ein User. "Aber vielleicht sollte man früher nachdenken."
- facebook.de: "Unverlangt eingesandt" vom 22. März 2023 und Reaktionen
- taz.de: "Lustiger Literaturbetrieb"
- facebook.com: Post von "Sorgenboy" vom 24. März 2023
- de.statista.com: Ranking der zwanzig größten Belletristik- und Sachbuchverlage in Deutschland nach Umsatz im Jahr 2021