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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kölns neuer Stürmer Hoffnungsträger Selke: Auf diese Qualitäten setzen die Geißböcke
Davie Selke soll beim 1. FC Köln zu seinen Torjäger-Qualitäten zurückfinden. Statistiken belegen, dass Selke gut zu Baumgarts Spielidee passt.
Davie Selke verhielt sich an seinem ersten vollständigen Trainingstag als Spieler des 1. FC Köln professionell. Als Fans dem Neuzugang nach der Einheit am Geißbockheim ein Trikot mit der Nummer 27 hinhielten, unterschrieb der Mittelstürmer lieber nicht. Die Fans hatten den Namen "Modeste" überklebt und "Selke" darauf geschrieben.
Der Neu-Kölner wusste, dass dieses Bild die Diskussionen nur noch mehr befeuert hätte. Modeste hatte sich in den Sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet, sich beleidigt gezeigt, dass der Winter-Transfer "seine" Rückennummer 27 bekommen hatte. Modeste ließ seine Frau Maeva sprechen, die "fehlenden Respekt" monierte – ohne ins Detail zu gehen.
Ins Detail geht derweil Steffen Baumgart mit seinem neuen Zielspieler im Angriff. "Was Anlaufverhalten, Mentalität und Charakter angeht, ist er ein Spieler, der sehr gut zu uns passt", sagte der FC-Trainer, der am Donnerstag seinen 51. Geburtstag feiern wird. Und auch Selke sagte bereits: "Ich denke, dass ich mit meiner Spielweise gut zur Spielidee von Steffen Baumgart passe." Das gilt es nun im täglichen Training umzusetzen, um zum ersten Spieltag des Jahres am 21. Januar fit zu sein.
Darum passt das FC-Spiel zu Selke
In jedem Fall passt das Kölner Spiel besser zu Selke als das Spiel der Hertha in Berlin. Während die "Alte Dame" in dieser Saison bislang pro Spiel durchschnittlich 11,7 Flanken in den gegnerischen Strafraum brachte, ist der FC das Flanken-Team der Liga mit 22,46 Hereingaben von außen. Je mehr Flanken in den Strafraum, desto mehr Chancen für den Mittelstürmer – und genau dieser soll in den kommenden Monaten neben Steffen Tigges eben auch Davie Selke heißen.
Dann wäre da das zweite Argument pro Selke, das schon in der Vorsaison Anthony Modeste zugute kam. Das Kölner Angriffsspiel basiert auf hohem Pressing. Der PPDA-Wert, der die Pressing-Intensität misst, liegt auch in dieser Saison mit 8,66 wieder sehr hoch. Im Vergleich: Die Hertha ließ den Gegner im Schnitt zwölf Pässe spielen, ehe man attackierte. Der FC greift früher an mit dem Ziel, den Ball früher zu gewinnen, damit insbesondere die Stürmer einen kürzeren Weg in den Strafraum haben. Modeste profitierte 2021/22 außergewöhnlich von dieser Herangehensweise in Kombination mit den zahlreichen Flanken. Selke soll es ähnlich ergehen.
Darum passt Selke zum FC-Spiel
Doch auch Selke selbst kann mit seiner Spielweise dem FC helfen. Zwar konnte der Hüne (1,95 Meter) in dieser Saison noch nicht nachweisen, dass er über ein hohes Tempo verfügt (mit bislang gemessenen 32,2 km/h wäre er der langsamste aller Kölner Angreifer). Doch Selke ist läuferisch ein Arbeiter, enorm robust und giftig im Zweikampf. Das soll insbesondere für frühe Ballgewinne helfen, wenn der 27-Jährige als vorderster Anläufer Druck auf die gegnerischen Aufbauspieler macht.
Hinzu kommen jene Qualitäten, die Selke seit Jahren nicht mehr gezeigt hat, die laut Baumgart und den FC-Verantwortlichen aber noch in dem Stürmer schlummern und wieder geweckt werden müssen. Selke spielte seine beste Saison 2017/18 für die Hertha, als er zehn Tore und vier Vorlagen in 27 Bundesliga-Spielen erreichte. Die damaligen Statistiken zeigen, dass Selke in einer solchen Form eine ähnliche Hilfe wie Modeste in der vergangenen Saison werden könnte. Der direkte Vergleich Selke 17/18 und Modeste 21/22 zeigt:
Kann Selke wie Modeste profitieren?
Selke führte deutlich mehr Zweikämpfe (28 zu 19) und war darin genauso stark wie Modeste (68%). Selke ging in deutlich mehr Kopfballduelle (12 zu 7) und war darin fast genauso stark wie Modeste (48% zu 49%) – wobei Modeste in der letzten Saison mit diesem Wert zu den kopfballstärksten Mittelstürmern in ganz Europa zählte. Selke hatte damals schon bei der Hertha mehr Balleroberungen als Modeste pro Spiel (2,1 zu 1,5), und das, obwohl Selke in einem Team spielte, das nicht so stark attackierte wie der FC unter Baumgart. Und Selke hatte eine noch höhere Schussgenauigkeit als Modeste (53% zu 49%), wenngleich Modeste deutlich häufiger zum Abschluss kam (3,4 Torschüsse zu 2,2). Doch genau diese Anzahl Abschlüsse will Baumgart bei Selke auf das Modeste-Niveau anheben.
Gelingt es dem FC-Trainer also, Selkes alte Stärken aus der Saison 2017/18 wieder zu wecken und den Angreifer in jene Form zu bringen, die er für das Kölner Spiel benötigt, kann Selke die Verstärkung sein, die sich der FC erhofft. "Er hat vieles nicht verlernt, was er vielleicht in der letzten Zeit nicht abrufen konnte", sagte Baumgart deshalb auch. "Er ist ein Stürmer, wie wir ihn uns vorstellen. Gerade was die Strafraumpräsenz und das Kopfballspiel angeht." Er könne "Räume reißen und Gegenspieler binden, womit er weitere Räume für andere ermöglicht". Und natürlich Tore schießen. Gelingt Selke das, ist er für den FC ein großer Gewinn.
- Reporter vor Ort