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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lage in Pflegeheimen "Die Leute schwitzen sich zu Tode"
In der derzeitigen Hitzewelle wird die Lage für ältere Menschen zunehmend bedrohlich. Bei Demenzkranken sei es besonders schlimm, berichtet eine Altentherapeutin.
Die Temperatur ist am Mittag bereits über die 30-Grad-Marke geklettert, als Anina Boedecker sich auf ihre Schicht im Bonner Seniorenzentrum Theresienau vorbereitet. "Da steppt wahrscheinlich schon der Bär, wenn ich ankomme", sagt sie.
Als Altentherapeutin arbeitet Boedecker auf einer Station für Demenzkranke. 21 Senioren hat die 54-Jährige in ihrer Obhut, 140 sind es im ganzen Haus. "Die Leute leiden schon sehr unter der Hitze", berichtet sie. Besonders merke sie dies an Verhaltensänderungen.
Köln/Bonn: Für Demenzkranke ist die Hitze besonders schlimm
"Menschen mit Demenz werden unruhiger. Außerdem haben sie kein Hitzeempfinden. Sie merken nicht, dass sie überhitzen, ziehen sich falsch an und sitzen dann im Rollkragenpullover da", berichtet Boedecker. "Die Leute schwitzen sich zu Tode."
Hinzu komme, dass die Senioren zu wenig tränken – nicht nur, weil sie es vergessen. "Das ist sowohl Alterserscheinung als auch demenziell bedingt und führt zu Kreislaufproblemen", erklärt sie. So sinkt bei älteren Menschen das Durstempfinden, durch die mangelnde Hydrierung wird zudem das Schwitzen gehemmt, der Körper kann sich weniger herunterkühlen.
Bislang steht der heißeste Tag des Jahres noch bevor: In Köln etwa werden am Dienstag über 40 Grad erwartet. In der Vergangenheit blieb die Hitze auf der Station nicht ohne Folgen. "Es kam schon zu mehreren Kreislaufzusammenbrüchen", so Boedecker.
"Wenn ich meine Schicht beginne, herrscht da eine Bruthitze"
Dabei ist das Personal auf der Demenzstation speziell im Umgang mit der Hitze geschult. "Es gibt Hitzestandards, die wir durchführen", berichtet sie. Viele der Maßnahmen finden sich auch im Hitzeknigge der Stadt Köln wieder: Gelüftet wird nur am Morgen, Jalousien und Fenster bleiben tagsüber geschlossen.
Um einer Dehydrierung der Patienten vorzubeugen, werden vermehrt Getränke und besonders wasserhaltige Obstsorten gereicht. Auf den Tischen werden Salzstangen bereitgestellt. Zudem sei das Pflegepersonal angehalten, die Patienten regelmäßig ans Trinken zu erinnern.
Dennoch: "Wenn ich gegen 14 Uhr meine Schicht beginne, herrscht da immer eine Bruthitze", erzählt Boedecker. Eine Klimaanlage hat das Gebäude nicht – lediglich im Pflegezimmer, um die dort gelagerten Medikamente kühl zu halten.
Pflegeheim ist nicht auf Extremhitze ausgelegt
Die stromintensiven Anlagen wünscht sich Boedecker trotz Hitzewelle nicht. "Klimaanlagen sehe ich durchaus skeptisch. Man will ja nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben", meint sie. "Ich wünsche mir andere bauliche Veränderungen wie Fassadenbegrünung, mit denen man Gebäude runterkühlen kann, ohne neue Energie zu produzieren."
Tatsächlich sieht der Hitzeaktionsplan der Stadt Köln so etwas bereits vor, ein entsprechender Plan für Bonn steht derweil noch nicht. Wann die Menschen in den Seniorenheimen also mit einer baulichen Hitzeentlastung rechnen können, ist unklar.
Der Klimawandel verschärft die Lage
Doch selbst damit werden die Probleme in Zukunft nicht weniger. "Ich mache mir ganz große Sorgen, denn die Zahl der Hitzetage wird massiv steigen", sagt Boedecker. Im Rahmen ihres "Hitzeaktionsplans für Menschen im Alter" rechnet die Stadt Köln fest damit, dass die Zahl der Hitzetage im Zuge des Klimawandels deutlich steigen wird.
"Das, was wir jetzt erleben, wird das neue Normal in gesteigert." Maßnahmen wie den Hitzeknigge der Stadt Köln würde Boedecker daher auch nicht vulnerablen Personen empfehlen. "Selbst ich mit meinen 54 Jahren merke bei dem Wetter, dass ich nicht mehr so belastbar bin", sagt sie.
- Telefonat mit der Altentherapeutin Anina Boedecker
- stadt-koeln.de: "Der Hitzeknigge – über das richtige Verhalten bei Hitze"
- Eigene Recherche