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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Frau und Kleinkind tot 24-Jähriger angeklagt: Doppelmord wegen Vaterschaft?
Doppelmord aus Habsucht? Ein Mann soll eine Frau und den gemeinsamen Sohn getötet und in den Rhein geworfen haben. Vor Gericht schweigt er zunächst.
"Zeig dein Gesicht", ruft jemand im Zuschauerraum, als der Angeklagte in den Saal des Kölner Landgerichts geführt wird. Der verbirgt sich hinter einem Aktenordner und unter der Kapuze seiner Trainingsjacke. Als er kurzzeitig seine Maske abnimmt, um der Vorsitzenden Richterin Fragen zu seinen Personalien zu beantworten, offenbart er ein Gesicht, dessen glatte, volle Züge fast noch kindlich anmuten. Der Vorwurf an den Mann: zweifacher Mord.
Die Leichen einer 24-Jährigen und ihres vierjährigen Sohnes waren im November 2021 im Rhein gefunden worden. Beide starben an Stichverletzungen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem mutmaßlichen Vater des Jungen einen Mord aus Habsucht vor: Die junge Frau habe ihn mit seiner Vaterschaft und Unterhaltsforderungen konfrontiert.
Auf der anderen Seite des Saales sitzt ein durchtrainierter Mann mit entschlossener Miene, der Nebenkläger. Er ist Vater und Großvater der mutmaßlichen Opfer. Es ist die Verhandlung zu einem Fall, dessen Brutalität selbst im Vergleich mit sonstigen Gewaltverbrechen erschreckend ist: Eine Mutter von nur 24 Jahren und ihr vierjähriger Sohn wurden getötet.
Prozess in Köln: Einladung zum Kindergeburtstag lag im Kofferraum
Der Angeklagte soll der Vater des Kindes sein. Die Getötete, so skizziert es der Staatsanwalt, habe am 17. September 2021 Kontakt mit dem heute 25-Jährigen aufgenommen, ihn mit seiner Vaterschaft konfrontiert und Unterhaltsansprüche geltend machen wollen. Der Anklage zufolge wollte der junge Mann jedoch von dem Jungen, der sein Sohn sein soll, und von dessen Mutter nichts wissen – aus Sorge vor der Reaktion seiner Familie und einer anderen Frau, die er heiraten wollte.
Der Staatsanwaltschaft zufolge verabredete er für den 14. November 2021 ein Treffen am Niehler Hafen, tötete dort Mutter und Kind und warf anschließend beide Leichen in den Rhein. Kurze Zeit später wurden sie gefunden: die Frau mit fünf Stichverletzungen im Hals und drei weiteren im Brustbereich, der kleine Junge mit zwei Stichen im Hals und vier Stichen in der Brust.
Im krassen Gegensatz zu den tödlichen Verletzungen stehen die Funde am mutmaßlichen Tatort. Ein Polizist, der als Zeuge vor Gericht vernommen wurde, kommentiert Fotos, die im Saal gezeigt werden. Eines zeigt einen Kindersitz in einem Kleinwagen, der auf den Schwager der Toten zugelassen sein soll. "Die Gurte sind so ordentlich zur Seite gelegt, wie es Eltern normalerweise machen, wenn sie ihr Kind aus dem Sitz nehmen", so der Ermittler.
Angeklagter schweigt zu den Vorwürfen
Sauber gefaltet sieht man auf dem Bild eine karamellfarbene flauschige Decke. Die sei wohl zum Schutz vor Kälte während der Fahrt dem Kind übergelegt worden, vermutet der Zeuge. Ein anderes Bild zeigt leuchtend blaue Pappe, auf die in unregelmäßigen Buchstaben der Vorname des getöteten Kleinkindes gemalt ist: "Wohl eine Einladung für einen Kindergeburtstag", erinnert sich der Polizist. Im Grünstreifen, der entlang der Hafenbecken verläuft, habe man auch eine Kindermütze gefunden – mit auffallenden Blutspuren.
Auf dem Boden hätten seine Kollegen und er zwei zusammentreffende Fahrzeugspuren gefunden, von denen eine zum Hafenbecken führte, berichtet der Zeuge. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte Frau und Kind erstochen und dann ihre Leichen zum Wasser gebracht hat. Der 25-Jährige, der sich zu den Vorwürfen zunächst nicht äußerte, wohnte bis zu seiner Inhaftierung am 17. November 2021 unweit des mutmaßlichen Tatortes.
Das Verfahren wird fortgesetzt. Es sind elf Verhandlungstage dafür angesetzt. Ein Urteil wird für den 8. September 2022 erwartet.
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