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Hells Angels bei Hannover Scorpions: "Vollkatastrophe" oder "normale Jungs"?


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Hells Angels bei Hannover Scorpions
"Vollkatastrophe" oder "normale Jungs"?


Aktualisiert am 26.04.2024Lesedauer: 4 Min.
Die Rocker im Eisstadion: Die Männer sollen Gästefans bedroht, angerempelt und eingeschüchtert haben.Vergrößern des Bildes
Die Rocker im Eisstadion: Die Männer sollen Gästefans bedroht, angerempelt und eingeschüchtert haben. (Quelle: privat)
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Bullige Rocker sollen im Eisstadion der Hannover Scorpions aufgelaufen sein und Besucher angerempelt haben. Einige verteidigen den Einsatz, andere sind entsetzt. Ein Fanbeauftragter trat zurück.

Haben die Verantwortlichen der Hannover Scorpions gewaltbereite Rocker der ehemaligen Hells Angels Hannover gezielt für ein Eishockeyspiel engagiert, um gegnerische Fans einzuschüchtern? Fotos und Berichte von Anhängern der Gastmannschaft legen das nahe. Der Verein schweigt bislang zu den Vorwürfen.

Dafür äußern sich jetzt Fanvertreter. Steffen Wiebe, der bis vor Kurzem Fanbeauftragter der Scorpions war, nennt den Rocker-Einsatz eine "Vollkatastrophe für die Außendarstellung". Andre Arthur, der Vorsitzende des Hannover Scorpions Fanclubs SFA, verteidigt ihn hingegen: "Die Hells Angels sind auch nur ganz normale Menschen", sagt er. Der Verein habe die Rocker offenbar als Verstärkung für den regulären Ordnerdienst geholt.

Die Hells Angels – ganz normale "Jungs"?

Derzeit duellieren sich die Hannover Scorpions mit den Blue Devils Weiden. Die bisherigen Begegnungen waren nicht nur auf dem Eis ruppig, auf den Rängen kochten ebenfalls Emotionen hoch. Mal flog ein Bierbecher, mal flogen Fäuste. Zwei Weidener Fans wurden beim zweiten Spiel der Serie in Hannover hart angegriffen, einer musste danach mit mehreren Stichen genäht werden. Fans zufolge soll der Schläger ein Sicherheitsmitarbeiter der Hannoveraner gewesen sein.

In der Best-of-Seven-Finalserie geht es um den Aufstieg aus der Oberliga in die DEL2, die zweithöchste deutsche Eishockeyliga. Aktuell steht es 2:3 gegen Hannover – und die Nerven liegen blank. Vor dem Hannoveraner Heimspiel am vergangenen Sonntag sollen die Weidener Fans angeblich angekündigt haben, das Eisstadion der Scorpions zu zerlegen. So zumindest schildert der Fanclub-Vorsitzende Arthur das Brodeln in der Gerüchteküche – und auch der Ex-Fanbeauftragte Wiebe spricht von einem angeblich hohen Gefahrenpotential.

Hat der Verein in dieser Situation tatsächlich die Dienste der Hells Angels angefordert? Arthur sagt, er könnte das verstehen. Er nennt die Hells Angels "Jungs". Viele von denen, die am Sonntag mit Armbinden ausgestattet gegnerische Fans bedroht und wiederholt angerempelt haben sollen, seien seit Jahren Scorpions-Fans und hätten teils Dauerkarten.

So geballt und als zusammengehörige Gruppe aufgetreten wie am Sonntag seien die Hells Angels bei einem Scorpions-Spiel allerdings vorher noch nicht. Fans berichteten, die Rocker hätten teils Knöpfe im Ohr und Funkgeräte dabeigehabt, mehr zu den Ereignissen vom Sonntag lesen Sie hier.

Wiebe bestätigt, dass Hells-Angels-Mitglieder schon lange zu den Anhängern der Hannover Scorpions zählen. "Die laufen da eh rum", sagt er. Wie sich die Sache dann aber entwickelte, missfiel ihm. Er trat, dies allerdings laut ihm auch aus anderen Gründen, am Mittwoch der vergangenen Woche von allen Ehrenämtern im Verein zurück – also kurz vor dem Aufreger-Spiel.

Menschenhandel und Gewaltverbrechen

Die Hells Angels werden immer wieder mit brutaler Gewalt, Menschenhandel, Prostitution, Schutzgelderpressung und Morden in Zusammenhang gebracht, Mitglieder von Gerichten verurteilt. Ihr Hannoveraner Charter hatte sich 2012 offiziell selbst aufgelöst, nachdem der niedersächsische Landtag einstimmig für die Prüfung eines Verbotsverfahrens gestimmt hatte. Der damalige Chef der Gruppierung, Frank Hanebuth, war früher Profi-Schwergewichtsboxer und stieg dann zur Rotlichtgröße auf. 2001 kassierte er dreieinhalb Jahre Gefängnis verurteilt, weil er ein Bandenmitglied fast totgeprügelt hatte.

2012 ermittelte die Polizei gegen ihn, weil er einen Mord in Auftrag gegeben haben sollte. Die GSG 9 stürmte sein Anwesen, insgesamt waren bei der Großrazzia in Norddeutschland 1.200 Beamte im Einsatz.

Nur: Nachweisen ließ sich der Mordauftrag nie. Hanebuth, den eine Freundschaft mit seinem bestens vernetzten Anwalt Götz von Fromberg verbindet und der Dank diesem in Hannoveraner Kreise kam, in denen etwa auch Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer, Ex-Tui-Chef Michael Frenzel, Scorpions-Sänger Klaus Meine oder Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder verkehren, entging der Justiz.

"Ein schwieriges Thema"

So wie auch in den folgenden Jahren immer wieder. Zuletzt war Hanebuth 2023 in Spanien aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden. Vorgeworfen hatte ihm die Staatsanwaltschaft die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Bedrohung und illegalen Waffenbesitz.

"Ein schwieriges Thema, jetzt in der heißen Phase", sagt der Scorpions-Fanclub-Vorsitzende Andre Arthur zu den Hells Angels – und meint damit, dass die Aufregung um den Rocker-Einsatz für Unruhe im Aufstiegskampf sorgt. Im Gegensatz zur medialen Aufmerksamkeit und den Diskussionen unter Fans bereitete ihm der martialische Auftritt der Hells Angels am vergangenen Wochenende selbst allerdings kein mulmiges Gefühl.

Im Gegenteil: Noch mehr Rocker-Präsenz wäre ihm wohl auch recht gewesen. Bekannte von ihm, die aus Versehen in der Nähe der Weidener Fanbusse geparkt hätten, seien vor dem Stadion in ihrem Auto angegangen worden, erzählt Arthur. Jemand habe ihnen gegen die Scheiben geboxt und gegen den Reifen getreten. "Wären da die Hells Angels in der Nähe gewesen, wäre das nicht passiert", glaubt der Fanclubvorsitzende. Und: "Hätten die ganz normale Ordnerwesten statt ihrer Armbinden getragen, hätte da kein Hahn nach gekräht."

"Ich habe Muffe gehabt, bis der Rockerboss wieder weg war"

Ein Eishockeyfan, der das Spiel im Weidener Gästeblock verfolgte, schilderte die Atmosphäre hingegen anders. Ein paar Ultras hätten für Stimmung im Block gesorgt, daneben hätten Anhänger von verschiedenen Vereinen das Spiel verfolgt. Laut ihm "viele Kinder und Jugendliche, sehr viel buntes Volk wie immer beim Eishockey".

Die einzig wahrnehmbaren Aggressionen seien von den Hells Angels ausgegangen: "Die sind das ganze Spiel ums Eis gekreist, es war skurril-bedrohlich. Ich habe wirklich Muffe gehabt und mir den Toilettengang verkniffen, bis der Rockerboss und seine Schergen wieder weg waren."

Hannover Scorpions: Nächstes Heimspiel am Freitag

Die Polizei teilte unterdessen mit, das Verhalten der bei dem Spiel eingesetzten Ordnungskräfte "derzeit dezidiert" zu betrachten. "Unsere zukünftige Einsatzplanung wird sich am Ergebnis dieser rechtlichen Betrachtung des Verhaltens des Ordnungsdienstes orientieren."

Zu welchen Schlüssen die Polizei gekommen ist und ob die Hells Angels noch einmal so offen auftreten werden wie am Sonntag, wird sich am Freitag beobachten lassen: Dann treten die Hannover Scorpions zum sechsten Spiel der Finalserie wieder zu Hause an.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Andre Arthur, Vorsitzender des Hannover Scorpions Fanclubs SFA
  • Telefonat mit Steffen Wiebe, bis zum 17. April Fanbeauftragter der Hannover Scorpions
  • Anfragen an die Hannover Scorpions und die Polizei
  • Berichte von Fans aus dem Stadion
  • Eigene Recherche
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